Seltener Auftritt bei Militärfeier Kim Jong Un rückt Tochter in den Mittelpunkt – das ist der Grund
Ein Foto von Kim Jong Uns Familie bei einem Abendessen heizt Spekulationen über die Nachfolge des nordkoreanischen Machthabers an. Seine Tochter steht im Mittelpunkt.
Der nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un hat seine Tochter Kim Chu-ae bei einem Galadinner prominent in Szene gesetzt. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA verbreitete die Bilder von Kim Jong Un, seiner Frau Ri Sol Ju und seiner Tochter bei Jubiläumsfeierlichkeiten zum 75-jährigen Bestehen der Armee. Das heizt erneut Spekulationen an, ob die etwa Zehn- bis Zwölfjährige als seine Nachfolgerin bestimmt werden könnte.
Chu-ae, deren genaues Alter offiziell nicht bekannt ist, sitzt auf einem Foto beim Abendessen in der Mitte zwischen ihren Eltern, im Hintergrund stehen mehrere hochdekorierte Militärs. Beim Eintreffen des Machthabers und seiner Familie standen Militärangehörige Spalier und applaudierten – das ist bei solchen Anlässen in Nordkorea üblich.
Die Medienpräsentationen der Tochter seien ein "aktiver Vorstoß" aus Pjöngjang, um ihr Profil zu schärfen, sagte der Nordkoreaexperte Cheong Seong-chang vom Sejong-Institut nahe von Seoul, der "Washington Post". "Angesichts dieser Entwicklungen ist es keine Frage mehr, ob Kim Chu-ae als Nachfolger von Kim Jong Un ausgewählt wurde", sagte er.
Nur die Rolle des liebenden Vaters dargestellt?
Allerdings gibt es auch gegenteilige Interpretationen. Kim Jong Uns Motivation für die Veröffentlichung des Bildes seiner Tochter war nicht, sie als potenzielle zukünftige Führungspersönlichkeit darzustellen, sondern sich selbst als väterliche Figur für politische Zwecke darzustellen, sagte Kim Seok-Hyang, Professorin an der Ewha Woman's University. Das Durchbrechen der gläsernen Decke sei angesichts der von Männern dominierten Hierarchie des Landes noch nicht politisch durchführbar, fügte sie hinzu. In nordkoreanischen Medienberichten zu den ersten Auftritten wurde auch von Kim und "seiner geliebten Tochter und Frau" gesprochen.
Die Herrschaft in Nordkorea liegt seit drei Generationen in der Familie vom Kim Jong Un. Er selbst wurde bereits im Alter von acht Jahren als zukünftiger Führer von seinem Vater Kim Jong-Il eingeführt, indem man ihm eine Generalsuniform überreichte. Am Anfang stand Kim Il-Sung, der Gründer des modernen Nordkoreas und Großvater des heutigen Staatschefs. Um beide verstorbenen Führer gibt es noch heute einen Personenkult. Es wird davon ausgegangen, dass die Blutlinie der Diktatoren erhalten werden soll, auch wenn eine Frau an der Spitze ein Novum wäre. Allerdings hat Kim Jong Un bereits seine Schwester Kim Yo-Jong in hohe Positionen befördert – sie ist oft in diplomatischen Missionen unterwegs und äußert sich immer wieder zu außenpolitischen Themen.
Erstmals wurde die Tochter von Kim Jong Un im November öffentlich gesichtet, als sie ihren Vater bei einer Inspektion von Raketen begleitete. Da in Nordkorea Auftritte des Machthabers sorgfältig geplant und choreografiert sind, wurde von Beobachtern der Anwesenheit des Nachwuchs besondere Bedeutung zugeschrieben. Die Inszenierung vor der Rakete sei "auffallend", so Ankit Panda, ein Experte der Carnegie-Stiftung für internationalen Frieden, zum US-Medium "Boston Globe".
Die beiden ersten öffentlichen Auftritte der Tochter stehen laut Panda im Zusammenhang mit strategischen Atomwaffen, "den Kronjuwelen der nationalen Verteidigungsfähigkeiten Nordkoreas". Das sei dem Experten zufolge kein Zufall.
Mögliche neue Rakete bei Militärparade vorgeführt
Nordkorea hat in der Nacht zum Donnerstag während einer nächtlichen Militärparade zudem möglicherweise eine neue ballistische Interkontinentalrakete (ICBM) mit festem Brennstoff enthüllt.
Im Rahmen der Feierlichkeiten zum 75. Bestehen der nordkoreanischen Armee beaufsichtigte Kim den Aufmarsch der Langstreckenraketen und taktischer Kernwaffeneinheiten, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Kim habe die Parade als Demonstration der "bedeutenden" nuklearen Angriffsfähigkeit des Landes bezeichnet.
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Satellitenbilder des US-Unternehmens Maxar Technologies zeigten Militärfahrzeuge und Menschenmengen auf dem Kim-Il-Sung-Platz in der Hauptstadt Pjöngjang. "Nach den offensichtlichen Hwasong-17-ICBM-Paaren folgen vier nicht identifizierte, aber offenbar ähnlich große Kanistersysteme", schrieb Joseph Dempsey, Verteidigungsforscher am Internationalen Institut für Strategische Studien, auf Twitter zu den Aufnahmen.
Die Hwasong-17 ist die bislang größte Langstreckenrakete Nordkoreas. Es könne sich bei der neuartigen Rakete um eine ICBM handeln, die bei einer Parade im Jahr 2017 gezeigt, aber bislang noch nicht getestet wurde, erklärte Ankit Panda von der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden.
- washingtonpost.com: "North Korea’s Kim Jong Un gives clearest sign daughter is heir apparent"
- Eigene Recherchen