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Rücktritt von Jacinda Ardern in Neuseeland: "Wer kann es ihr verübeln?"


Reaktionen in Neuseeland
"Ich kann nicht glauben, dass Ardern nicht vorher aufgehört hat"

Von t-online, csi

Aktualisiert am 19.01.2023Lesedauer: 3 Min.
"Nicht genug Kraft": Neuseelands Regierungschefin Jacinda Ardern tritt zurück. (Quelle: Glomex)

Überraschend und emotional hat die neuseeländische Premierministerin am Donnerstag ihren Rücktritt angekündigt. Die Reaktionen in ihrem Land sind gemischt.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern hat überraschend ihren Rücktritt angekündigt. Selbst viele Mitglieder ihrer eigenen Partei, der Labour-Partei, erfuhren erst am Donnerstag von ihrer Rücktrittserklärung. Unter Tränen erklärte Ardern: "Ich weiß, was man für diesen Job braucht, und ich weiß, dass ich nicht mehr genug im Tank habe. So einfach ist das."

In der neuseeländischen Presse ist man sich uneinig, wie der Rücktritt und die Amtszeit Arderns bewertet werden sollen. Einige üben Kritik an ihrer Politik, andere loben, was die 42-Jährige in den vergangenen fünf Jahren als Regierungsoberhaupt Neuseelands geleistet hat.

"Ich kann nicht glauben, dass Jacinda Ardern nicht vorher aufgehört hat", schreibt beispielsweise eine Journalistin der größten neuseeländischen Tageszeitung "The New Zealand Herald" in einem Meinungsartikel. Sie sei sich nicht sicher, ob irgendeiner der vergangenen Premierminister mit so viel Hass umgehen musste, wie Ardern es regelmäßig und auf erschöpfende Weise tun musste.

Ardern verlor zunehmend an Beliebtheit im eigenen Land

Gegen Ardern und ihre Familie gerichtete Angriffe und Beschimpfungen und die anstehenden privaten Meilensteine, wie die Einschulung ihrer Tochter, sind nach Einschätzung von Jane Patterson vom öffentlich-rechtlichen Radio RNZ auch Gründe für den Rücktritt der 42-Jährigen. Für die Labour-Partei wäre Ardern zwar trotz sinkender Umfragewerte die beste Chance für eine Wiederwahl gewesen, schreibt Patterson, aber auch eine große Herausforderung. Die Wähler hätten das Gefühl, in den zwei intensiven Amtszeiten Arderns genug von ihr gehört zu haben und Fehlinformationen und Frauenfeindlichkeit hätten ihr übriges dazugetan.

Die international anerkannte Politikerin verlor in Neuseeland zuletzt immer mehr an Beliebtheit. Unter anderem wurde wegen hoher Lebenshaltungskosten und zunehmender Kriminalität Kritik laut. Auch die strengen Corona-Maßnahmen, Fragen zur Wasserversorgung und die Besteuerung von Methanemissionen von Kühen und Schafen, die die für Neuseeland wichtige Landwirtschaft belasten, sorgten für Kontroversen.

Arderns Rücktritt könnte Chance für Labour-Partei sein

Tim Watkin vom öffentlich-rechtlichen Radio RNZ schreibt angesichts der von Ardern erklärten Erschöpfung: "Wer kann es ihr verübeln? Ihre Amtszeit war von Katastrophen und Tod geprägt." Ardern werde als Krisenführerin in Erinnerung bleiben "und dazu noch eine fähige", analysiert Watkin. Ihre Partei habe durch den Rücktritt Arderns die Chance, die harten Corona-Jahre hinter sich zu lassen und sich für die kommenden Jahre vorzubereiten.

Der Rücktritt Arderns lasse die Labour-Partei in einer gefährlichen Schwebe zurück, schreibt hingegen Lukas Malpass bei Stuff. Die Partei muss nun bis Sonntag einen neuen Vorsitz wählen. Die neue Labour-Regierung werde sich anders anfühlen, schreibt Malpass, denn "der Stil und die Stimmung der Labour-Partei wurden so sehr von Ardern geprägt und so sehr mit ihr persönlich identifiziert", dass es schwierig sei, sich vorzustellen, wie es werden wird.

"Transformation ist ausgeblieben"

Es sollte die transformativste Regierung aller Zeiten werden, schreibt Josie Paganie in einem Meinungsartikel auf Stuff, aber eine Transformation sei ausgeblieben. Neben allem, was Ardern erreicht habe, sei es wichtig, auch festzuhalten, was sie nicht erreichte. Neuseelands Bevölkerung sei gespalten, die Lage bei der Kinderarmut habe sich nicht wie zum Amtsantritt versprochen verbessert und die Warteliste für Sozialwohnungen sei um Tausende Familien gestiegen, führt die Journalistin an. Die Labour-Partei habe nun ohne Ardern eine größere Chance, wiedergewählt zu werden, ist sie sich sicher.

Ardern sei zu einer polarisierenden Person geworden, sagten auch Experten. Sie gehen davon aus, dass Ardern zurückgetreten ist, um ihrer Partei die Möglichkeit zu geben, sich vor der Parlamentswahl im Oktober neu aufzustellen und um sich auf die für die Wählerinnen und Wähler wichtigen Themen zu konzentrieren. Allerdings könnte auch die konservative National Party von Arderns Abgang profitieren.

Die Labour Party rutschte in Umfragen ab und kam bei einer Erhebung von "1News"-Kantar im Dezember auf nur noch 33 Prozent nach 40 Prozent Anfang 2022. Damit würde wieder ein Koalitionspartner nötig. Aber selbst mit den bevorzugten Grünen, die bei neun Prozent lagen, würde keine Mehrheit erreicht.

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