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Einigung über Seegrenzen: Ist das die Lösung für unser Gasproblem?


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Einigung zwischen Israel und Libanon
Ist das die Lösung für unsere Gasprobleme?

Von Jonas Rogge

11.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Bohrplattform Leviathan: Israel möchte seine Gasexporte ausweiten.Vergrößern des Bildes
Bohrplattform Leviathan: Israel möchte seine Gasexporte ausweiten. (Quelle: guoyu)

Israel und Libanon haben den Streit über Seegrenzen in einem "historischen Abkommen" offenbar beendet. Beide Länder wollen neue Gasfelder erschließen.

Nach jahrzehntelangem Streit haben sich Israel und Libanon offenbar auf eine gemeinsame Seegrenze geeinigt. Damit können nun von beiden Staaten Gasfelder im Mittelmeer erschlossen werden, die wegen der Streitigkeiten bislang verschlossen geblieben waren.

Israel beabsichtigt schon länger, seine Fördermengen und damit auch den Export in europäische Staaten zu erhöhen. Kann die Einigung also zu einer Lösung der europäischen Energieprobleme beitragen? Und bedeuten die Gespräche eine Annäherung zwischen den verfeindeten Staaten? t-online gibt einen Überblick.

Was wurde beschlossen?

Gegenstand des Konflikts war eine 860 Quadratkilometer große Fläche vor der Küste der Staaten Israel und Libanon, die beide Seiten ausschließlich für sich beanspruchen. Der Konflikt um den Grenzverlauf hatte sich nach der Entdeckung von großen Mengen Erdgas verschärft. Die gegenwärtigen Gespräche zwischen den Ländern, die sich formal seit 1948 im Krieg befinden, wurden von den USA vermittelt und laufen seit Oktober 2020.

Gemäß israelischen Angaben ist der Streit nun beigelegt. Die Parteien haben sich auf eine neue Grenzziehung im Mittelmeer geeinigt, auf deren Grundlage die natürlichen Ressourcen im Mittelmeer aufgeteilt werden. "Dies ist eine historische Errungenschaft", erklärte der israelische Premierminister Jair Lapid am Dienstag. Die libanesische Seite hat den Schritt bislang nicht abschließend bestätigt, sendete aber positive Signale. "Ich bin optimistisch", kommentierte Libanons Chefunterhändler Elias Bu Saab.

Hat die Entscheidung Auswirkungen auf den Friedensprozess im Nahen Osten?

Sicherheitspolitisch wird der Einigung große Bedeutung beigemessen. Beobachter hatten gewarnt, dass ein Scheitern der Verhandlungen zu neuer Gewalt zwischen beiden Ländern führen könnte. Die im Libanon einflussreiche Schiitenmiliz Hisbollah ist mit Israel verfeindet, ihre Zustimmung war für die Einigung aber notwendig.

Beide Seiten betonten im Vorfeld jedoch, dass die Gespräche keine Normalisierung der Beziehungen bedeuten. US-Verhandler Amos Hochstein traf die beiden Parteien stets separat, direkte Gespräche hätten nicht stattgefunden. Auch deshalb könnte das Abkommen nach Informationen der "New York Times" eine besondere Form annehmen: Die beiden Parteien einigen sich demnach nicht direkt miteinander, sondern unterzeichnen jeweils eine Erklärung gemeinsam mit den USA.

Um welche Gasfelder es geht

Die Details der Vereinbarung wurden bislang nicht offiziell bekannt gegeben. Aller Voraussicht nach sind aber zwei Gasfelder von der Regelung betroffen: Israel erhält demnach die Rechte an dem Feld "Karisch" – Libanon darf im Feld "Kana" nach Erdgas bohren, ein Teil der Einnahmen muss aber an Israel gezahlt werden, weil das Gebiet in die israelische Wirtschaftszone hineinragt.

Israel möchte nach Informationen der "Times of Israel" binnen Wochen beginnen, Erdgas zu gewinnen. Am Sonntag hatte das beauftragte Unternehmen Energean bereits eine Genehmigung erhalten, um "Karisch" testweise an das Fördersystem anzuschließen.

"Karisch" soll insgesamt etwa 50 Milliarden Kubikmeter enthalten. Bis 2025 will Energean die jährliche Fördermenge auf 8 Milliarden Kubikmeter jährlich hochfahren. Zum Vergleich: Deutschlands Verbrauch liegt bei circa 90 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Dennoch bedeuten neue Förderprojekte immer eine Zunahme möglicher Gasexporte – insbesondere im Fall Israels.

Fließt auch Gas nach Deutschland?

Für den Libanon bedeutet die Förderung vor allem die Hoffnung auf Aufschwung in der dramatischen Wirtschaftskrise, in der das Land steckt. Viele Libanesen haben am Tag nur noch ein oder zwei Stunden Strom. Bis zum Förderstart im "Kana"-Gasfeld sind aber noch umfangreiche Vorbereitungen notwendig – der libanesischen Nachrichtenagentur Ani zufolge reiste der Nahost-Chef des Energieunternehmens Total am Dienstag in das Land.

Israel hat dagegen schon seit Längerem seine Fördermengen gesteigert und möchte sein Exportvolumen steigern – auch in die Länder der EU. Dazu wurde erst im Juni ein Abkommen unterzeichnet, das es ermöglicht, Gas per Pipeline nach Ägypten zu leiten und dort über Flüssiggas-Terminals nach Europa zu verschiffen. Die EU-Kommission erwartet sich davon für 2023 Lieferungen von rund 10 Milliarden Kubikmetern.

Von den Flüssiggaslieferungen könnte letztlich auch Deutschland profitieren, das sich angesichts der gekappten Verbindungen nach Russland zunehmend darum bemüht, neue Lieferanten zu finden. Bundeswirtschaftsminister Habeck reiste im März nach Katar, Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte im Mai den Senegal und will das westafrikanische Land künftig beim Export von Flüssiggas unterstützen.

Kann das Gas aus dem Mittelmeer die Energiekrise beenden?

Insgesamt birgt das östliche Mittelmeer nach Einschätzung der US-Geologiebehörde United States Geological Survey 3,5 Billionen Kubikmeter Erdgas. Russland verfügt etwa über die zehnfache Menge.

Zusätzlich erschwert wird die Gewinnung durch die jahrelangen Vorbereitungen, die für die Erschließung neuer Gasvorkommen notwendig sind, die nicht gelösten Grenzkonflikte zwischen Mittelmeeranrainern wie der Türkei und Griechenland und nicht zuletzt durch den Klimawandel: Die internationale Energieagentur warnt davor, neue Infrastruktur für fossile Treibstoffe aufzubauen. Ginge es nach den Experten, dürften nirgends auf der Welt neue Gasvorkommen erschlossen werden, denn das bei Förderung und Transport entweichende Methan heizt die Erdatmosphäre noch viel stärker auf als das bekanntere Treibhausgas CO2

"Es gibt kein Patentrezept", kommentiert auch Energean-Sprecher Paddy Blewer gegenüber der "New York Times" die Energieprobleme Europas. Die Bohrungen im "Karisch"-Feld dürften nur ein winziges Puzzleteil einer möglichen Lösung sein.

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