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Parlamentswahl in Italien: "Sieg Melonis ist aus einem anderen Grund problematisch"


Presse zur Wahl
"Sieg Melonis ist aus einem anderen Grund problematisch"

Von dpa
Aktualisiert am 27.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Die Spitzenkandidatin der italienischen Rechten, Giorgia Meloni, macht aus ihrer faschistischen Gesinnung keinen Hehl.Vergrößern des Bildes
Giorgia Meloni: Die Kandidatin der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia wird wohl die nächste Premierministerin Italiens. (Quelle: IMAGO/www.imagephotoagency.it)

Bei der Parlamentswahl in Italien dominierte die postfaschistische Partei Fratelli d'Italia. So denkt die internationale Presse über die Wahl.

Italienerinnen und Italiener haben am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Die niedrigste Wahlbeteiligung seit dem Zweiten Weltkrieg führte zum Wahlsieg einer rechtsextremen Kandidatin: Giorgia Meloni und ihre postfaschistische Partei Fratelli d'Italia. Die Wahlsiegerin sorgte international für Aufsehen – und gesteigertes Medieninteresse.

"Wall Street Journal" (USA): "Meloni hat sich zu sehr davor geziert, sich vollständig vom faschistischen Erbe ihrer Partei zu distanzieren. Aber es ist auch nicht klar, wie sehr sich die Politik unter ihrer Führung ändern würde. (...) Bei der Wahl 2018 ging eine rechte Koalition unter der Führung von (Matteo) Salvini als Gewinner hervor. Aber Salvinis Ruf galt als so schädlich, dass im Parlament komplexe Schachzüge vollzogen wurden, um zu verhindern, dass er Ministerpräsident wird. (...) Die Frustrationen, die zu diesem Ergebnis im Jahr 2018 geführt haben, sind nach zwei Jahren Pandemie und einer von Russland verursachten Energiekrise gewachsen.

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Meloni war vergleichsweise wenig bekannt, als sie in diese Wahl ging, und ihre Partei war noch nie an der Macht. Sie ist auf dem Weg zu gewinnen, unter anderem auch, weil sie der großen Koalitionsregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Mario Draghi nicht beigetreten ist. Ein Sieg Melonis wird eine komplexe neue Phase in der italienischen Politik und in den Beziehungen Italiens zur Europäischen Union einleiten. Aber das ist dieser Tage bei jeder italienischen Wahl der Fall. Der springende Punkt ist, dass die Italiener womöglich doch die konservative Regierung bekommen, die sie vor vier Jahren zu wollen schienen. Jetzt werden sie herausfinden, ob sie funktioniert."

"El País" (Spanien): "Italien, eines der Gründungsmitglieder der EU, wird mit ziemlicher Sicherheit von einer Partei regiert werden, die im Gefolge von Mussolinis Faschismus entstanden ist. Noch nie zuvor wurde eine Regierung in Westeuropa von einem neofaschistisch inspirierten rechten Flügel geführt, der seine antieuropäische Skepsis und seinen kriegerischen Nationalpopulismus unverfroren zur Schau stellt.

Meloni hat im Wahlkampf die Verteidigung der traditionellen Familie in den Mittelpunkt gestellt und andere Modelle ausgeschlossen, Kürzungen bei der Sozialhilfe für die Schwächsten, eine sehr restriktive Politik gegen Einwanderung und die Rücknahme sozialer Errungenschaften für Frauen, insbesondere beim Recht auf Abtreibung, angekündigt. Die Unfähigkeit der Linken, Allianzen zu schmieden, hat das Land dazu verurteilt, dass Berlusconi und Salvini unter dem Kommando der aufstrebenden Meloni an die Regierung zurückgekehrt sind. Italien neigt offen zur extremen Rechten, aber Europa muss die Kontrollmechanismen gegen diejenigen verschärfen, die danach streben, die EU selbst zu destabilisieren."

"Verdens Gang" (Norwegen): "Giorgia Meloni wird wohl die neue Ministerpräsidentin der Italiener. Aber wie üblich stellt sich in Italien die Frage: Für wie lange? Eine rekordniedrige Wahlbeteiligung und eine klare geografische Schieflage zwischen Nord und Süd geben Melonis Siegerteam schwache Legitimität. Denn sie, Giorgia Meloni, hat gewonnen. Die Koalitionskameraden Matteo Salvini und Silvio Berlusconi sind zwei der größten Verlierer.

Es wird also schwierig. Auf die postfaschistische, rechtsextreme Partei Fratelli d’Italia warten nun Verhandlungen über Stühle und Positionen. Normalerweise haben die Parteien bis zu 25 Tage Zeit, um eine Regierungsmehrheit zu bilden. Aber wie bei der Wahl 2018, als die Fünf-Sterne-Bewegung zur größten Partei wurde, sind so viele X-Faktoren im Umlauf, dass sich die Verhandlungen hinziehen können."

"Hospodarske noviny" (Tschechien): "Fast genau vor 100 Jahren erlebte Italien einen faschistischen Putsch, der Benito Mussolini an die Macht brachte. Nun wird Italien erstmals seit Mussolinis Sturz eine Vertreterin der extremen Rechten an der Regierungsspitze haben. Giorgia Meloni von den Brüdern Italiens ist die eindeutige Siegerin der Wahlen vom Sonntag. Zwar tendierte sie in ihrer Jugend zum Faschismus, es wäre aber unfair, sie heute des Faschismus zu beschuldigen. Sicherlich droht nicht, dass Meloni die Demokratie abschaffen will. Der Sieg ihrer Koalition ist aus einem ganz anderen Grund problematisch: In Italien kommen dieselben Leute wieder an die Hebel der Macht, die das Land schon einmal beinahe in den Bankrott geführt hätten. Dabei könnte Italien angesichts seiner Verschuldung und jahrelangen Stagnation wirklich eine kompetente Regierung gebrauchen."

"Rzeczpospolita" (Polen): "Vor einer solchen Herausforderung stand die EU noch nie. Im drittwichtigsten Land der Gemeinschaft übernimmt eine Koalition der nationalistischen, populistischen Rechten die Macht. Die Integrationsverweigerung, die bisher im Wesentlichen auf Polen und Ungarn beschränkt war, wird nun im Europäischen Rat eine ungleich stärkere Stimme erhalten. Dies könnte die fortgesetzten Bemühungen Brüssels um die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit in Mitteleuropa infrage stellen. Meloni, die sich in der Vergangenheit gegen die EU-Mitgliedschaft und die Eurozone ausgesprochen hat, befürwortet nun den Vorrang des nationalen Rechts vor dem europäischen Recht. Das würde bedeuten, dass eine Säule, auf die sich die Integration stützt, in die Luft gesprengt wird.

Ein Test für Meloni wird ihre Russland-Politik sein. Seit Beginn der russischen Invasion hat sich die künftige Premierministerin unmissverständlich für die Ukraine eingesetzt. Sie hat sich für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland und die Lieferung von Waffen an die Ukrainer ausgesprochen. Ihre Koalitionspartner sind jedoch seit Langem für Putin. Inwieweit Meloni hier ihren Willen gegenüber Salvini und Berlusconi durchsetzen kann, bleibt abzuwarten."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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