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Ukraine-Krieg: Neuer offener Brief an Olaf Scholz – pro Waffenlieferungen


Neue Forderungen
Weiterer offener Brief an Scholz veröffentlicht

Von t-online
Aktualisiert am 04.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Olaf Scholz: Er hat erneut einen offenen Brief bekommen.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Er hat erneut einen offenen Brief bekommen. (Quelle: photothek/imago-images-bilder)

Ende April verfasste Alice Schwarzer mit anderen Prominenten einen offenen Brief an Olaf Scholz. Das machte ihnen nun eine andere Gruppe nach – mit einer gegensätzlichen Haltung zum Thema Waffenlieferungen.

In einem offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprechen sich führende Intellektuelle für eine kontinuierliche Lieferung von Waffen an die Ukraine und die Ausweitung wirtschaftlicher Sanktionen auf den Energiesektor aus.

Der Aufruf, den die Wochenzeitung "Die Zeit" in ihrer aktuellen Ausgabe veröffentlicht, wurde unter anderem unterzeichnet von dem Publizisten und ehemaligen Grünenpolitiker Ralf Fücks, den Schriftstellern Daniel Kehlmann und Maxim Biller, der früheren Leiterin der Stasi-Behörde Marianne Birthler, der Autorin Eva Menasse, dem Verleger Mathias Döpfner und der Historikerin Hedwig Richter.

Es gebe keinen Unterschied zwischen "defensiven" und "offensiven" Rüstungsgütern, heißt es in dem Schreiben, denn in den Händen der Angegriffenen würden auch "Panzer und Haubitzen" der Selbstverteidigung dienen. Der Brief ist eine Reaktion auf einen kürzlich in der Zeitschrift "Emma" erschienenen offenen Brief, in dem diverse Intellektuelle und Künstler um die Herausgeberin Alice Schwarzer den Bundeskanzler auffordern, der Ukraine nicht "weitere schwere Waffen" zu liefern.

Der Wortlaut des offenen Briefs:

"Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, auf der Maikundgebung in Düsseldorf haben Sie gegen Pfiffe und Protestrufe Ihren Willen bekräftigt, die Ukraine auch mit Waffenlieferungen zu unterstützen, damit sie sich erfolgreich verteidigen kann. Wir möchten Ihnen auf diesem Weg Beifall für diese klaren Worte zollen und Sie ermutigen, die Entschließung des Bundestags für Waffenlieferungen an die Ukraine rasch in die Tat umzusetzen.

Angesichts der Konzentration russischer Truppen im Osten und Süden der Ukraine, der fortgesetzten Bombardierung der Zivilbevölkerung, der systematischen Zerstörung der Infrastruktur, der humanitären Notlage mit mehr als zehn Millionen Flüchtlingen und der wirtschaftlichen Zerrüttung der Ukraine infolge des Krieges zählt jeder Tag. Es bedarf keiner besonderen Militärexpertise, um zu erkennen, dass der Unterschied zwischen 'defensiven' und 'offensiven' Rüstungsgütern keine Frage des Materials ist: In den Händen der Angegriffenen sind auch Panzer und Haubitzen Defensivwaffen, weil sie der Selbstverteidigung dienen.

Ausweitung ökonomischer Strukturen gefordert

Wer einen Verhandlungsfrieden will, der nicht auf die Unterwerfung der Ukraine unter die russischen Forderungen hinausläuft, muss ihre Verteidigungsfähigkeit stärken und die Kriegsfähigkeit Russlands maximal schwächen. Das erfordert die kontinuierliche Lieferung von Waffen und Munition, um die militärischen Kräfteverhältnisse zugunsten der Ukraine zu wenden. Und es erfordert die Ausweitung ökonomischer Sanktionen auf den russischen Energiesektor als finanzielle Lebensader des Putin-Regimes.

Es liegt im Interesse Deutschlands, einen Erfolg des russischen Angriffskriegs zu verhindern. Wer die europäische Friedensordnung angreift, das Völkerrecht mit Füßen tritt und massive Kriegsverbrechen begeht, darf nicht als Sieger vom Feld gehen. Putins erklärtes Ziel war und ist die Vernichtung der nationalen Eigenständigkeit der Ukraine. Im ersten Anlauf ist dieser Versuch aufgrund des entschlossenen Widerstands und der Opferbereitschaft der ukrainischen Gesellschaft gescheitert. Auch das jetzt ausgerufene Ziel eines erweiterten russischen Machtbereichs von Charkiw bis Odessa kann nicht hingenommen werden.

Kein Widerspruch, Prinzipien zu verteidigen

Die gewaltsame Verschiebung von Grenzen legt die Axt an die europäische Friedensordnung, an deren Grundlegung Ihre Partei großen Anteil hatte. Sie beruht auf Gewaltverzicht, der gleichen Souveränität aller Staaten und der Anerkennung der Menschenrechte als Grundlage für friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit in Europa. Es widerspricht deshalb nicht der Ostpolitik Willy Brandts, die Ukraine heute auch mit Waffen zu unterstützen, um diese Prinzipien zu verteidigen.

Russlands Angriff auf die Ukraine ist zugleich ein Angriff auf die europäische Sicherheit. Die Forderungen des Kremls für eine Neuordnung Europas, die im Vorfeld der Invasion formuliert wurden, sprechen eine klare Sprache. Wenn Putins bewaffneter Revisionismus in der Ukraine Erfolg hat, wächst die Gefahr, dass der nächste Krieg auf dem Territorium der Nato stattfindet. Und wenn eine Atommacht damit durchkommt, ein Land anzugreifen, das seine Atomwaffen gegen internationale Sicherheitsgarantien abgegeben hat, ist das ein schwerer Schlag gegen die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen.

Was die russische Führung fürchtet, ist nicht die fiktive Bedrohung durch die Nato. Vielmehr fürchtet sie den demokratischen Aufbruch in ihrer Nachbarschaft. Deshalb der Schulterschluss mit Lukaschenko, deshalb der wütende Versuch, den Weg der Ukraine Richtung Demokratie und Europa mit aller Gewalt zu unterbinden. Kein anderes Land musste einen höheren Preis bezahlen, um Teil des demokratischen Europas werden zu können. Die Ukraine verdient deshalb eine verbindliche Beitrittsperspektive zur Europäischen Union. Die Drohung mit dem Atomkrieg ist Teil der psychologischen Kriegsführung Russlands.

Dennoch nehmen wir sie nicht auf die leichte Schulter. Jeder Krieg birgt das Risiko einer Eskalation zum Äußersten. Die Gefahr eines Nuklearkrieges ist aber nicht durch Konzessionen an den Kreml zu bannen, die ihn zu weiteren militärischen Abenteuern ermutigen. Würde der Westen von der Lieferung konventioneller Waffen an die Ukraine zurückscheuen und sich damit den russischen Drohungen beugen, würde das den Kreml zu weiteren Aggressionen ermutigen.

"Das erfordert Entschlossenheit"

Der Gefahr einer atomaren Eskalation muss durch glaubwürdige Abschreckung begegnet werden. Das erfordert Entschlossenheit und Geschlossenheit Europas und des Westens statt deutscher Sonderwege. Es gibt gute Gründe, eine direkte militärische Konfrontation mit Russland zu vermeiden. Das kann und darf aber nicht bedeuten, dass die Verteidigung der Unabhängigkeit und Freiheit der Ukraine nicht unsere Sache sei.

Sie ist auch ein Prüfstein, wie ernst es uns mit dem deutschen 'Nie wieder' ist. Die deutsche Geschichte gebietet alle Anstrengungen, erneute Vertreibungs- und Vernichtungskriege zu verhindern. Das gilt erst recht gegenüber einem Land, in dem Wehrmacht und SS mit aller Brutalität gewütet haben. Heute kämpft die Ukraine auch für unsere Sicherheit und die Grundwerte des freien Europas. Deshalb dürfen wir, darf Europa die Ukraine nicht fallen lassen."

Verwendete Quellen
  • Vorabmeldung der "Zeit"
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