Verhältnis zu Russland Selenskyj: "Es ist unmöglich, das zu vergeben"
Können sich Ukrainer und Russen jemals wieder versöhnen? Eine komplizierte Frage, sagt der ukrainische Präsident. Was seiner Meinung nach dafür geschehen müsste.
Mit der Invasion der Ukraine habe die politische Führung Russlands einen katastrophalen Fehler begangen – und durch ihre Propaganda das ganze russische Volk mit in die Verantwortung gezogen, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenksyj im Interview mit dem Herausgeber des unabhängigen russischen Mediums "Mediazona", Pjotr Wersilow.
Das Gespräch darüber, was die Invasion der Ukraine auch perspektivisch für die Beziehungen mit Russland bedeute, wurde in einer deutschen Übersetzung von der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" veröffentlicht.
Auf die Frage, was es brauchen würde, dass sich das Verhältnis zwischen den beiden Ländern wieder normalisiere, antwortet Selenskyj demnach: "Das ist eine sehr komplizierte Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob ich sie heute überhaupt beantworten kann."
Der Beginn dieses Weges einer Versöhnung hänge von der russischen Bevölkerung ab. Die russischen Bürger müssten die eigene Schuld einräumen: "Sie müssen zugeben, dass sie getötet haben."
"Selbst wenn man nicht persönlich abdrückt, heißt das nichts"
Gleichwohl lasse sich dieses Blutbad nicht einfach wegwischen: "Es ist unmöglich, das zu vergeben", sagt Selenskyj. "Werden jetzt die ukrainischen Familien, die jemanden verloren haben, den Russen verzeihen? Nein, werden sie nicht. Und dessen muss man sich bewusst sein."
Auch sei es so, dass die "einfachen Leute" in Russland den Angriffskrieg unterstützten. Nur wenige Russen positionierten sich klar dagegen. "Deshalb kann man in Russland nicht sagen, dass man unschuldig sei, nur weil man keine Waffe in der Hand gehabt hat. Selbst wenn man nicht persönlich abdrückt, heißt das nichts."
Das pauschal schlechte Bild, das nun in vielen Ländern der Welt von den Russen vorherrsche, ist seiner Meinung nach die wohl "größte Niederlage Russlands in diesem Krieg". Er sagt: "Russland hat viele Errungenschaften, Entdeckungen, Künstler, Intellektuelle, Wissenschaftler zustande gebracht. Aber nach diesem Blutbad wird das die Leute nicht mehr interessieren, da bin ich mir ganz sicher."
Als Grundlage dafür, dass Politiker der beiden Länder wieder ins Gespräch kommen könnten, müsste gesagt werden, dass der Krieg geschehen ist. "Je früher, desto mehr würde uns das freuen." Ausgeschlossen sei es für ihn, jetzt nach Moskau zu fahren. "Nichtsdestotrotz wäre unter anderen Umständen und mit anderen Regierenden alles möglich", fügt er an.
- Der Standard: "Russen müssen gestehen, dass sie getötet haben"