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Le Pen holt auf: Für Deutschland hätte ein Wahlsieg schwere Konsequenzen.


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Le Pen holt auf
Sie will auch das Verhältnis zu Deutschland umkrempeln

  • David Schafbuch
Von David Schafbuch

Aktualisiert am 08.04.2022Lesedauer: 5 Min.
Marine Le Pen: Die Politikerin bewirbt sich zum dritten Mal um das Amt der französischen Präsidentin.Vergrößern des Bildes
Marine Le Pen: Die Politikerin bewirbt sich zum dritten Mal um das Amt der französischen Präsidentin. (Quelle: Elyxandro Cegarra/imago-images-bilder)

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich holt Marine Le Pen auf. Für Europa und Deutschland hätte ein Wahlsieg der Rechtsextremistin schwere Konsequenzen.

Erst warb sie damit, dann wollte sie es angeblich gar nicht mehr sehen: Gemeint ist ein Foto von Marine Le Pen. Es stammt aus dem März vor fünf Jahren. Le Pen war damals wie heute mitten im Wahlkampf und wurde vom russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau empfangen.

Das Bild des Treffens nutzte die Politikerin des rechtsextremen "Rassemblement Nationale" (RN, ehemals "Front Nationale") für einen Wahlkampfflyer. Seit rund 15 Jahren baue Le Pen Verbindungen zu Staatschefs und Führungspersonen der "patriotischen Bewegung" in Europa auf, steht dort neben dem Foto.

Doch als Putin Ende Februar der Ukraine den Krieg erklärte, geriet die 53-Jährige in Erklärungsnot. Anfang März berichtete "Libération", sie wolle 1,2 Millionen Exemplare der Flugblätter vernichten lassen. Ihre Partei begründete den Schritt allerdings nicht mit dem Bild des russischen Präsidenten, sondern mit einem Rechtschreibfehler.

Dicht hinter Macron

Es kam schließlich anders. Auf Le Pens Internetseite findet sich der Flyer noch heute. Und die Nähe zu Putin hat ihre Niederlage auch nicht besiegelt. Plötzlich scheint das Rennen um den Élysée-Palast sogar wieder offen zu sein: Noch immer gilt die Politikerin als die wahrscheinlichste Herausforderin Emmanuel Macrons in einer Stichwahl am 24. April um das französische Präsidentenamt.

Dort würden laut dem Institut Harris Interactive 51,5 Prozent der Wähler in Frankreich für den amtierenden Präsidenten stimmen. Auf Le Pen kämen dagegen 48,5 Prozent der Wähler. Es ist die höchste Zustimmungsrate, die die Rechtsextremistin jemals erzielen konnte. Bei Berücksichtigung einer Fehlermarge von 3,1 Prozent wäre auch ein Wahlsieg Le Pens möglich.

Auch wenn andere Institute einen größeren Vorsprung Macrons vorhersagen: Der Aufschwung Le Pens dürfte vor der ersten Wahlrunde an diesem Sonntag nicht nur den französischen Präsidenten und seine Anhänger nervös machen. In Brüssel und Berlin werden die Sorgenfalten tiefer. Denn falls sie gewinnen sollte, könnte das die französischen Verhältnisse zur EU und auch zu Deutschland stark verändern.

Macrons Wahlkampf ohne Wahlkampf

Wer Le Pens Endspurt verstehen will, muss sich ihren Umgang mit dem Ukraine-Krieg im Vergleich zu Emmanuel Macron anschauen. Der französische Präsident konnte in den Tagen rund um den Ausbruch des Krieges zunächst an Zustimmung unter den Wählern gewinnen. Anfang März verkündete er dann relativ spät seine Bereitschaft, erneut für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.

Es wirkte bisweilen so, als würde der Präsident dem Wahlkampf am liebsten gänzlich fernbleiben: Große Auftritte sagte Macron mit Verweis auf den Krieg ab, TV-Diskussionen mit seinen Konkurrenten lehnte er ab.

Nach dem Ende Angela Merkels als Bundeskanzlerin versucht der Präsident mehr denn je, sich als starke europäische Stimme zu positionieren. Der Kampf des Westens gegen Putins Angriffskrieg – es sollte vermutlich auch sein eigentlicher Wahlkampf sein.

Auf vermeintlicher Distanz zu Putin

Le Pen wiederum musste nach Ausbruch des Kriegs eine neue Haltung zu Putin entwickeln. Während sie noch in der Vergangenheit die Annexion der Krim als "nicht illegal" bezeichnete, verurteilte auch sie den russischen Einmarsch in die Ukraine. Einen vollständigen Bruch mit dem Kreml vermied die Politikerin allerdings. Wenn der Krieg ende, könne sie sich vorstellen, dass Russland wieder ein Verbündeter Frankreichs sein könnte, sagte sie zuletzt in einer Fernsehdiskussion.

Flüchtlinge aus dem Land sind für Le Pen in Frankreich willkommen. Dabei verfolgt sie eigentlich eine rigorose Einwanderungspolitik: In ihrem Wahlprogramm fordert sie etwa, den Familiennachzug generell abzuschaffen. Arbeitsberechtigte Ausländer sollen unter ihrer Präsidentschaft das Land verlassen, falls sie länger als ein Jahr ohne Job sind.

Mit fortlaufender Dauer des Kriegs scheint sich das Interesse der Franzosen allerdings zu verlagern: Statt über ein Ende der Kämpfe wird mehr über die Folgen des Krieges in Frankreich diskutiert: Auch dort steigen die Preise. Die Kaufkraft, ohnehin eines der wichtigsten Themen für die Franzosen, gewinnt noch mehr an Bedeutung. Macron und sein Wahlkampf scheinen darauf nicht vorbereitet zu sein.

Kaufkraft das zentrale Thema

"Außenpolitik entscheidet keine Wahlkämpfe, auch nicht in Frankreich", sagt Ronja Kempin von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Gespräch mit t-online. Macron habe fälschlicherweise geglaubt, er habe die Wahl bereits gewonnen und dadurch die wichtigsten Themen der Wähler vernachlässigt. Le Pen habe sich im Gegensatz dazu volksnah gezeigt und viel mehr Wahlkampftermine wahrgenommen.

Dort bediente die Herausforderin die Themen, die den Franzosen derzeit am wichtigsten sind. Den steigenden Energiepreisen will Le Pen etwa mit einer Senkung der Mehrwertsteuer und dem Ausstieg aus dem europäischen Strommarkt entgegentreten.

"Sie bleibt eine Rechtsextremistin"

Seit Macron dagegen die Vermögenssteuer in Frankreich abschaffte, haftet ihm das Image an, eine Politik für Besserverdiener zu betreiben. Auch Kempin attestiert seinem Wahlprogramm eine "soziale Kälte": Ein Beispiel ist etwa die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters auf 65 Jahre.

Kempin sieht aber noch weitere Gründe, warum Le Pen den Abstand zu Macron verringern konnte. In den vergangenen Jahren habe die Politikerin an ihrem öffentlichen Auftreten gearbeitet und präsentiere sich und ihre Inhalte deutlich moderater.

Verstärkt wird dieser Effekt durch ihren ebenfalls rechtsextremen Konkurrenten Éric Zemmour, der Le Pen durch seine markigen Worte milder erscheinen lässt. An ihren politischen Zielen hat sich laut Kempin dagegen nichts geändert. "Sie bleibt eine rechtsextreme Politikerin, aber sie hat ihre Verpackung geändert."

Neues Verhältnis zu EU, Nato und Deutschland

Was das bedeutet, zeigt sich etwa in Le Pens Außenpolitik: Einen Austritt aus dem Euro und der EU fordert sie zwar nicht mehr, spricht stattdessen allerdings wie die deutsche AfD von einem "Europa der Vaterländer". Als Vergleichsgröße nennt Expertin Ronja Kempin Ungarn: Le Pen strebe auf EU-Ebene eine "Orbánisierung" Frankreichs an.

In ihrem Wahlprogramm fordert sie auch einen Austritt aus den Kommandostrukturen der Nato, um eine eigenständige Verteidigungspolitik voranzutreiben. Damit einher gehe auch eine Neugestaltung der Beziehungen zu den USA.

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Ähnliches schwebt Le Pen auch mit Deutschland vor. "Die Beziehungen zu Deutschland werden weitgehend neu gestaltet", heißt es dort. Die 2017 beschlossene Kooperation bei Rüstungsprojekten will Le Pen einstellen. "Wie eine vertrauliche Arbeit zwischen Paris und Berlin mit einer Präsidentin Le Pen aussehen soll, kann ich mir nicht vorstellen", sagt Kempin.

Bleibt die Frage, welche Partner ansonsten unter ihrer möglichen Präsidentschaft für Frankreich eine Rolle spielen könnten. Dort bringt Le Pen wieder Russland ins Spiel: "Ohne Angst vor US-Sanktionen" strebe sie bei einem Wahlsieg ein Bündnis mit Moskau in europäischen Sicherheitsfragen an. Denn die seien ohne Russland nicht zu lösen, zumal das Land den Kampf gegen den Terrorismus "konsequenter als jede andere Nation" führe.

Vorgestellt hatte Le Pen ihre Ideen am 23. März. Putins Krieg in der Ukraine war da schon fast einen Monat alt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Nachrichtenagentur dpa, AFP und Reuters
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