Krieg in Osteuropa Ukraine meldet Erfolge, anhaltende Kämpfe – die Nacht im Überblick
Neue Verhandlungen beider Länder stehen an. Präsident Selenskyj warnt: Trotz jüngster militärischer Erfolge ist die Lage prekär. Der Kreml schließt einen Stopp der Gaslieferungen nicht aus. Ein Überblick.
Vor einer neuen Verhandlungsrunde zwischen der Ukraine und Russland gehen Kämpfe um viele ukrainische Städte weiter. Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in der Nacht zum Dienstag trotz mancher militärischen Erfolge der Ukrainer von einer angespannten Lage.
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Kremlsprecher Dmitri Peskow erhielt die Drohung aufrecht, dass Russland die Gaslieferungen nach Westeuropa einstellen könnte, sollten die Abnehmerländer die Forderung von Präsident Wladimir Putin ablehnen, dafür in Rubel zu bezahlen.
Selenskyj zufolge wurden die russischen Einheiten aus der wochenlang umkämpften Stadt Irpin bei Kiew zurückgeschlagen. Die Kämpfe dauerten jedoch dort und auch in anderen Landesteilen weiter an.
Russische Truppen hielten den Norden des Kiewer Gebiets unter ihrer Kontrolle, verfügten über Ressourcen und Kräfte. Sie versuchten, zerschlagene Einheiten wieder aufzubauen. In den Gebieten Tschernihiw, Sumy, Charkiw, Donbass und im Süden der Ukraine bleibe die Lage ebenfalls "sehr schwierig". Selenskyj forderte wegen des vor über einem Monat begonnenen Angriffskrieges erneut schärfere Sanktionen gegen Russland.
Die ukrainischen Streitkräfte versuchen nach eigenen Angaben an mehreren Orten, Angriffe russischer Einheiten abzuwehren. Man sei dabei, den russischen Vormarsch auf die Großstadt Slowjansk im Gebiet Donezk im Südosten des Landes sowie auf die rund eine Autostunde entfernte Kleinstadt Barwinkowe im Gebiet Charkiw zu stoppen, heißt es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs, der in der Nacht zu Dienstag auf Facebook veröffentlicht wurde.
London: Söldnergruppe Wagner im Einsatz
Im Osten der Ukraine werden nach britischen Regierungsangaben russische Söldner der Gruppe Wagner eingesetzt. Das britische Verteidigungsministerium teilte am Montagabend im Onlinedienst Twitter mit, Schätzungen zufolge könnten mehr als 1.000 Söldner für Kampfeinsätze in die Ukraine entsandt werden, darunter auch Anführer der Organisation.
Die Europäische Union hat Sanktionen gegen die Wagner-Gruppe erlassen. Präsident Wladimir Putin erklärte, sie und ähnliche Organisationen würden weder vom russischen Staat bezahlt, noch würden sie Russland vertreten. Berichte über die Existenz der Gruppe waren erstmals zu Beginn des Krieges in der Ostukraine 2014 aufgetaucht.
Kremlsprecher: Keine Bezahlung – kein Gas
Nach der von der EU weitgehend abgelehnten Bezahlung von Gaslieferungen in Rubel hält Russland die Drohung eines Lieferstopps aufrecht. "Keine Bezahlung – kein Gas", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem amerikanischen TV-Sender PBS.
Moskau wolle die endgültige Antwort der EU abwarten und dann die nächsten Schritte festlegen. "Wir beabsichtigen aber auf keinen Fall, uns als Wohltäter zu zeigen und Westeuropa kostenloses Gas zu liefern", betonte Peskow. Kremlchef Wladimir Putin hatte angeordnet, dass Erdgas an "unfreundliche" Staaten wie Deutschland nur noch gegen Zahlung in Rubel zu liefern sei. Dies wurde bereits von einigen Ländern mit dem Hinweis auf Vertragsbruch zurückgewiesen.
Kreml: Keine Pläne für Atomwaffeneinsatz im Ukraine-Krieg
Kremlsprecher Peskow trat zugleich Spekulationen entgegen, Moskau könne im Ukraine-Krieg Atomwaffen einsetzen. "Niemand in Russland denkt an den Einsatz oder auch nur an die Idee eines Einsatzes von Atomwaffen", sagte er im PBS-Interview.
Russland greife nur bei einer "Bedrohung der Existenz" zum Atomwaffenarsenal. Die staatliche Existenz Russlands und die Ereignisse in der Ukraine hätten "nichts miteinander zu tun". Die Sorge im Westen über mögliche Atomwaffenpläne Moskaus war gestiegen, als Putin zum Auftakt des Angriffskrieges in der Ukraine eine erhöhte Alarmbereitschaft der russischen Nuklearstreitkräfte anordnete.
Biden: Nehme Äußerung zu Putin nicht zurück
US-Präsident Joe Biden steht zu seiner umstrittenen Aussage über Putin im Ukraine-Krieg, will diese aber nicht als Aufruf zum Machtwechsel in Moskau verstanden wissen. "Ich nehme nichts zurück", sagte Biden im Weißen Haus. "Solche Menschen sollten keine Länder regieren, aber sie tun es. Die Tatsache, dass sie es tun, bedeutet aber nicht, dass ich meine Empörung darüber nicht zum Ausdruck bringen kann." Damit sei kein Aufruf zum Machtwechsel im Kreml verbunden. Biden hatte Putin am Samstagabend bei einer Rede in Warschau einen "Diktator" genannt und mit den Worten geschlossen: "Um Gottes willen, dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben."
Halbe Million Ukrainer seit Kriegsbeginn zurückgekehrt
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges sind nach Angaben der ukrainischen Grenzpolizei rund 510.000 Menschen aus dem Ausland zurückgekehrt. Allein in der vergangenen Woche seien es 110.000 Menschen gewesen, sagte ein Sprecher der Behörde der Tageszeitung "Welt". Acht von zehn Einreisenden seien Männer. Die meisten kämen aus Polen. Vor Beginn des Krieges lebten rund 44 Millionen Menschen in der Ukraine. Etwa 3,9 Millionen Menschen sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR ins Ausland geflüchtet.
IAEA: Ukraine meldet keine Schäden an Nuklearmaterial in Charkiw
Bei kürzlichem Beschuss habe eine nukleare Forschungseinrichtung in der ostukrainischen Stadt Charkiw zwar Schäden erlitten, ihre geringe Menge an Nuklearmaterial aber sei intakt geblieben. Das teilte der Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, am Montagabend unter Berufung auf Informationen der ukrainischen Atomaufsichtsbehörde mit.
Das wird am heutigen Dienstag wichtig
Rund viereinhalb Wochen nach der russischen Invasion in die Ukraine starten Moskau und Kiew am Dienstag in der Türkei eine neue Verhandlungsrunde. Die Delegationen aus Russland und der Ukraine kommen am Dienstagmorgen um etwa 9.30 Uhr MESZ im Dolmabahce-Büro des Präsidenten in Istanbul zusammen, wie das türkische Präsidialbüro am Montagabend mitteilte.
Vor Beginn der Gespräche wolle sich die türkische Seite jeweils mit den Delegationen treffen, sagte Präsident Recep Tayyip Erdogan nach einer Kabinettssitzung in Ankara.
- Nachrichtenagentur dpa