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Russischer Angriff auf Mariupol: "Leichen liegen auf den Straßen"


Kämpfe in der Ukraine
Mariupol: "Leichen werden auf den Straßen zurückgelassen"

Von t-online, pdi

Aktualisiert am 21.03.2022Lesedauer: 4 Min.
Ukrainische Soldaten in Mariupol: Dort dauern die Kämpfe nun seit Wochen an.Vergrößern des Bildes
Ukrainische Soldaten in Mariupol: Dort dauern die Kämpfe nun seit Wochen an. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Es ist die Hölle auf Erden: Mariupol ist von russischen Truppen eingekesselt, die ukrainische Hafenstadt liegt in Trümmern. Trotzdem will die Ukraine dort bis zum letzten Mann kämpfen, ein russisches Ultimatum wurde abgelehnt.

Die ukrainische Hafenstadt ist eigentlich nur noch eine Trümmerwüste. Mariupol ist von der russischen Armee eingekesselt, die Versorgungslage in der Stadt, die ständig unter starkem russischen Beschuss steht, ist dramatisch. Die russischen Angriffe zielen auch in Mariupol immer mehr auf die Zivilbevölkerung. Es gibt keine Lebensmittel, kein Strom und auch die Heizungen sind ausgefallen.

Der griechische Konsul zu Mariupol, Manolis Androulakis, zieht bei seiner Rückkehr aus dem Kriegsgebiet eine bittere Bilanz. "Mariupol wird sich einreihen bei jenen Städten, die durch Krieg vollständig zerstört wurden – ob Guernica, Coventry, Aleppo, Grosny oder Leningrad", sagte der sichtlich erschütterte Diplomat. "Es gab kein Leben mehr – binnen 24 Stunden wurde die gesamte Infrastruktur zerstört. Es wurde einfach alles bombardiert."

Ukraine lehnt Ultimatum ab

Durch den Kessel fällt es den ukrainischen Truppen immer schwerer, ihre Soldaten mit Munition und Waffen zu versorgen. Trotzdem hat die Ukraine ein Ultimatum zur Übergabe der belagerten Hafenstadt Mariupol an die russischen Streitkräfte abgelehnt. "Es kann keine Rede davon sein, Waffen abzugeben. Wir haben die russische Seite bereits darüber informiert", sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk der Zeitung "Ukrainska Pravda" in der Nacht zum Montag. Sie bezeichnete die russische Ankündigung als "bewusste Manipulation" und "echte Geiselnahme".

Russland hatte den ukrainischen Streitkräften in der belagerten Hafenstadt am Sonntagabend bis Montag vier Uhr (MEZ) gegeben, sich zu ergeben. Moskau fordere die ukrainischen Soldaten "und ausländischen Söldner auf, die Feindseligkeiten einzustellen, ihre Waffen niederzulegen und sich durch mit der ukrainischen Seite vereinbarte humanitäre Korridore in die von Kiew kontrollierten Gebiete zu begeben", sagte der Leiter des russischen nationalen Verteidigungskontrollzentrums, Michail Misinzew. Seinen Angaben zufolge hatte Kiew die Verteidiger Mariupols angewiesen, "sich selbst zu opfern" und zu "Märtyrern" zu werden.

Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin gehört die Einnahme von Mariupol zu den wichtigsten Kriegszielen. Es ist die wichtigste Hafenstadt am Asowschen Meer und wenn die russische Armee sie erobert, hätte man eine Landbrücke von der annektierten Halbinsel Krim bis zum Donbass. Außerdem verteidigt das ukrainische Regiment Asow, das laut der Darstellung Putins aus "Nazis" bestehen würde. Die ukrainischen Soldaten befürchten, dass sie von der russischen Armee misshandelt oder getötet werden – auch deshalb ist die Verteidigungsbereitschaft der Stadt sehr hoch.

"Leichen werden auf den Straßen zurückgelassen"

Russland will nicht noch mehr Soldaten in einem blutigen Häuserkampf verlieren, deshalb kam nun das Ultimatum. Danach ist es wahrscheinlich, dass der Beschuss auf Mariupol noch zunehmen wird – und damit auch das Leid der Menschen in der Stadt. "Leichen werden auf den Straßen zurückgelassen, da es zu gefährlich ist, sie zu bergen", Hugo Bachega, Korrespondent der BBC. "Wenn sie schließlich eingesammelt werden, landen einige in Massengräbern, ein weiteres Symbol des Schreckens dort."

Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, dass die Bewohner der Stadt Mariupol bis neun Uhr (MEZ) verlassen könnten, falls die Verteidiger kapitulierten. Es stünden "bequeme Busse" bereit, die Flüchtlinge Richtung Russland oder – nach einer Einigung mit Kiew – in ukrainisch kontrollierte Gebiete transportieren könnten.

Alle Flüchtlinge, die nach Russland kämen, würden drei warme Mahlzeiten pro Tag und medizinische Hilfe erhalten. Fast 60.000 "gerettete Einwohner von Mariupol" seien bereits in Russland und sprächen "nun offen über all die von den Behörden in Mariupol begangenen Massengräuel und Verbrechen".

Russland droht mit Kriegsrecht

Aber die Ukrainer trauen den russischen Versprechungen nicht. Zu oft wurden in den vergangenen Wochen Flüchtlingskonvois aus der Stadt angegriffen und zu oft sind Evakuierungen gescheitert.

Das russische Verteidigungsministerium wandte sich auch im Internetdienst Telegram an die Behörden in Mariupol: "Sie sind diejenigen, die jetzt das Recht haben, eine historische Entscheidung zu treffen – entweder Sie stehen auf der Seite Ihres Volkes oder Sie stehen auf der Seite der Verbrecher." Das Ministerium drohte: "Andernfalls ist das Kriegsgericht, das Sie erwartet, nur ein kleiner Teil dessen, was Sie aufgrund Ihrer verachtenswerten Haltung gegenüber Ihren eigenen Bürgern sowie aufgrund der schrecklichen Verbrechen und Provokationen, die Sie begangen haben, bereits verdient haben."

Wereschtschuk wies die russischen Anschuldigungen zurück. In einem Video auf Telegram sagte sie, dass sich die Russen "weiterhin wie Terroristen verhalten". "Sie sagen, sie seien mit dem humanitären Korridor einverstanden, und am Morgen beschießen sie den Ort für die Evakuierung", warnte sie.

Mindestens 2.100 Einwohner getötet

Der Leiter der ukrainischen Regionalverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, prangerte an, dass bereits Einwohner von Mariupol gegen ihren Willen nach Russland gebracht würden. In speziellen Lagern würden ihre Telefone durchsucht und sie müssten ihre ukrainischen Pässe abgeben. Mehr als tausend Menschen seien so bereits verschleppt worden.

Wereschtschuk sagte der Zeitung zufolge, dass Dutzende Kinder aus Waisenhäusern nach Russland entführt worden seien. Von unabhängiger Seite ließen sich diese Angaben nicht überprüfen. Nach Berichten einer Betreiberin eines Pflegeheims vom Sonntag waren jedoch 19 Kinder aus einer Klinik in Mariupol geholt und in die von prorussischen Separatisten kontrollierte Stadt Donezk gebracht worden.

Mariupol ist die letzte große Hafenstadt am Asowschen Meer unter ukrainischer Kontrolle. Seit Beginn der russischen Invasion am 24. Februar wurden nach Angaben der ukrainischen Regierung mehr als 2.100 Einwohner der Stadt getötet. Die Lage für die Menschen der belagerten Stadt sei katastrophal. Der griechische Konsul Manolis Androulakis, der die Stadt am Wochenende als einer der letzten westlichen Diplomaten verlassen hatte, verglich sie mit Stalingrad.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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