"Helft und rettet Mariupol!" Bürgermeister von belagerter Stadt schickt verzweifelten Hilferuf
Die Situation im ukrainischen Mariupol wird immer dramatischer. Unter ständigem Beschuss russischer Artillerie liegend, ist die Stadt von der Außenwelt abgeschnitten. Viele Menschen sterben. Auch Kinder.
Der Bürgermeister von Mariupol sieht die südukrainische Hafenstadt einer "humanitären Blockade" ausgesetzt. Das sagte Wadym Boitschenko am Samstag in der ukrainischen TV-Sendung "Besuch bei Gordon". Russische Einheiten hätten alle 15 Stromleitungen in die Stadt ausgeschaltet. Diese sei bereits seit fünf Tagen ohne Strom. Da die Heizkraftwerke für ihren Betrieb Strom benötigten, sitze man auch in der Kälte. Auch der Mobilfunk funktioniere ohne Strom nicht.
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Noch vor Beginn des Krieges sei die Hauptwasserleitung abgetrennt worden, und nach fünf Kriegstagen habe man auch die Reservewasserversorgung verloren. Die russische Seite sei sehr methodisch vorgegangen, um die Stadt von jeglicher Versorgung abzuschneiden und so inneren Druck zu erzeugen.
Durch den zunehmenden Beschuss und die Bombardierungen sei auch die Zahl der Verletzten zuletzt in die "Tausende" gestiegen, sagte Boitschenko weiter. Wie viele Menschen ums Leben gekommen seien, sei schwer zu zählen, da man den sechsten Tag praktisch durchgehend unter Beschuss stehe.
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Man habe keine Chance, nach seinen Liebsten zu sehen, da der Beschuss nicht aufhöre. Es gehe um nichts anderes, als die "Ukraine von den Ukrainern zu befreien, so sehe ich das", sagte der Bürgermeister. In Bezug auf die Stadt sprach Boitschenko von "Ruinen" und "kolossaler" Zerstörung. "Das Mariupol, das Sie kannten, gibt es nicht mehr", sagte er zum Moderator.
Versuche einer Evakuierung scheiterten
Boitschenko machte gleichzeitig der russischen Seite Vorwürfe. Busse, mit denen Menschen am Samstag über einen humanitären Korridor aus der Stadt gebracht werden sollten, seien in ihrem Versteck beschossen worden. Von 50 vollgetankten Bussen seien nur mehr 20 übrig. "Bis zur nächsten Evakuierungsmöglichkeit haben wir dann vielleicht keine Busse mehr." Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Am Samstag hatten sich die ukrainische und die russische Seite gegenseitig Verletzungen der ersten begrenzten Feuerpause im Ukraine-Krieg vorgeworfen, die der Evakuierung von Zivilisten aus der Stadt mit 440.000 Einwohnern dienen sollte. Es wurden Schüsse berichtet, die Evakuierung wurde daraufhin abgebrochen.
Er flehe um die Errichtung eines Korridors, um Ältere, Frauen und Kinder aus der Stadt zu bringen, sagte Boitschenko weiter. Die Einwohner der Stadt seien niedergeschlagen. An die internationale Gemeinschaft und europäische Partnerländer gerichtet, sagte er: "Helft und rettet Mariupol!"
Ärzteorganisation spricht von katastrophaler Situation
Die humanitäre Situation in der seit Tagen unter russischem Beschuss stehenden südukrainischen Hafenstadt Mariupol ist nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) "katastrophal". Der MSF-Notfallkoordinator in der Ukraine, Laurent Ligozat, sagte der Nachrichtenagentur AFP am Samstag, die Lage in der Großstadt verschlimmere sich "von Tag zu Tag". Es sei "unerlässlich", dass die Zivilbevölkerung über einen humanitären Korridor aus der Stadt geholt werde.
Die Menschen in Mariupol hätten "sehr große Probleme, Zugang zu Trinkwasser zu bekommen", sagte Ligozat. Dies werde zu einem "entscheidenden Problem". Auch Strom und Heizungen funktionierten in Mariupol nicht mehr. "Die Lebensmittel gehen aus, die Läden sind leer."
Das am Asowschen Meer gelegene Mariupol mit knapp einer halben Million Einwohnern steht seit Tagen unter dem militärischen Druck der vorrückenden russischen Armee. Die angekündigte Evakuierung galt als Vorbote der Einnahme der Hafenstadt. Dies würde einen Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem östlichen Donbass ermöglichen.
- Nachrichtenagentur dpa und AFP