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Corona-Ursprung im Labor? E-Mails verraten: Forscher hielten das für möglich


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Neue E-Mails zeigen
Führende Forscher hielten Corona-Ursprung im Labor für möglich


Aktualisiert am 14.01.2022Lesedauer: 4 Min.
Hochsicherheitslabor im RKI (Symbolbild): Neu veröffentlichte E-Mails zeigen, dass führende Wissenschaftler den Ursprung des Coronavirus in einem Labor für möglich hielten.Vergrößern des Bildes
Hochsicherheitslabor im RKI (Symbolbild): Neu veröffentlichte E-Mails zeigen, dass führende Wissenschaftler den Ursprung des Coronavirus in einem Labor für möglich hielten. (Quelle: Christian Ditsch/imago-images-bilder)

Die Labor-These wurde oft belächelt: Doch einige Experten hielten den Verdacht, Sars-CoV-2 könnte in einem Labor entstanden sein, durchaus für möglich. Das belegen nun veröffentlichte

"Unsere Analysen zeigen klar, dass Sars-CoV-2 kein Laborkonstrukt oder absichtlich manipuliertes Virus ist" – dieser Satz stammt aus einer Abhandlung über den Ursprung des Coronavirus, die im März 2020 im Wissenschaftsmagazin "Nature Medicine" veröffentlicht wurde. Geschrieben wurde die Abhandlung von gleich fünf Autoren – allesamt führende Köpfe auf den Gebieten der Genetik, Infektions- und Evolutionsbiologie.

Basierend auf ihren Schlussfolgerungen wurden andere Theorien, nach denen das Coronavirus in einem Labor in der chinesischen Region Wuhan entstanden und dann versehentlich in die Welt getragen worden sei, lange belächelt. Erst im Mai 2021 forderte eine Gruppe von Forschern in einem Paper im "Science" Magazin, die Möglichkeit eines Laborunfalls ernsthaft in Betracht zu ziehen.

Nun veröffentlichte E-Mails zeigen: Führende Wissenschaftler, darunter auch Autoren der "Nature Medicine"-Abhandlung, taten dies bereits im Frühjahr 2020.

Telefonkonferenz zahlreicher Experten

Die E-Mails beinhalten verschriftlichte Auszüge aus einer Telefonkonferenz der Experten. Teilnehmer waren unter anderem der bekannte amerikanische Immunologe Anthony Fauci, der britische Infektiologe Jeremy Farrar, der Direktor des amerikanischen National Institutes of Health Francis Collins sowie der Entdecker des Sars-Rezeptors Mike Farzan. Ebenfalls dabei: der deutsche Charité-Virologe Christian Drosten.

Die Diskussion der Wissenschaftler drehte sich vor allem um die sogenannte "Furin-Spaltstelle". Dabei handelt es sich um eine Aminosäure-Sequenz, die es dem Coronavirus erlaubt, in menschliche Zellen einzudringen. Diese Stelle im Spike-Protein des Virus ist dafür verantwortlich ist, dass Corona für Menschen so ansteckend und gefährlich ist.

Veränderung des Virus im Labor wahrscheinlich

Farzan störte sich während der Konferenz vor allem daran, dass die "Furin-Spaltstelle" bei keinen näheren Verwandten von Sars-CoV-2 vorhanden ist. Damit ein bereits bestehendes verwandtes Virus die "Furin-Spaltstelle" entwickelt, muss es im Erbgut zwölf aufeinanderfolgende Nukleinsäuren entwickeln, die wiederum die vier Aminosäuren der "Furin-Spaltstelle" kodieren. Farzan sei es schwergefallen, so heißt es in den E-Mails, zu erklären, wie eine solche Veränderung des Virus außerhalb eines Labors unter natürlichen Umständen stattgefunden haben könnte. Seiner Ansicht nach gebe es zwar mögliche Szenarien, die aber allesamt sehr unwahrscheinlich seien.

Farzan hielt demnach eine andere Erklärung für wahrscheinlicher: Er vermutete, dass bei der Erforschung von Coronaviren in einem Labor diese wiederholt mit menschlichen Zellen in Kontakt gebracht worden seien und dabei versehentlich die Spaltstelle entwickelt haben könnten. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Szenarios bei der Entstehung von Sars-CoV-2 bemaß er dabei gar auf 60 bis 70 Prozent.

"Kein plausibles Szenario" für natürliche Veränderung

Auch der Molekularbiologe Robert Garry argumentierte während der Telefonkonferenz in eine ähnliche Richtung. Er teilte demnach mit, das "neue" Coronavirus mit einem anderen in Fledermäusen nachgewiesenen Coronavirus, das im Labor in Wuhan sequenziert wurde, verglichen zu haben. Dabei habe er festgestellt, dass die Viren nahezu identische Aminosäuren aufweisen, mit Ausnahme der zwölf Nukleinsäuren, die es für die "Furin-Spaltstelle" brauche.

Er habe sich "kein plausibles Szenario" vorstellen können, wo ein bestehendes Virus in der Natur genau um die zwölf Nukleinsäuren gleichzeitig erweitert wird, ohne sich an einer anderen Stelle auch zu verändern, heißt es in den E-Mails. "Ich kann einfach nicht herausfinden, wie das in der Natur erreicht wird", wird Garry zitiert.

Vorwürfe gegen Fauci

Angesichts dieser Aussagen stellt sich die Frage, warum nur einen Monat nach der Telefonkonferenz eine Abhandlung veröffentlicht wurde, in der der Ursprung des Coronavirus auf natürliche Ursachen und gerade nicht auf ein Labor-Szenario zurückgeführt wurde. Immerhin starteten die Arbeiten an dem Papier bereits wenige Tage nach der Telefonkonferenz.

Einige republikanische Politiker konstruieren aus den E-Mails gar den Vorwurf gegen Anthony Fauci, wichtige Informationen über das Virus und damit über dessen Bekämpfung zurückgehalten zu haben. Sie wollen, dass der Immunologe unter Eid eine Aussage abgibt und erklärt, was er wann über den Labor-Ursprung des Virus gewusst habe und ob er die Informationen an das Weiße Haus weitergegeben habe.

Labor-Theorie war kein Konsens

Zur ganzen Wahrheit der Geschichte gehört allerdings auch: Die dargelegte Position von Farzan und Garry war keinesfalls Konsens in der Telefonkonferenz. Andere Wissenschaftler, darunter auch Christian Drosten, vertraten wohl vehement den Standpunkt, dass das Virus durchaus auf natürliche Weise entstanden sein könnte. Ihre Argumente sind in den E-Mails zwar geschwärzt. Einige von ihnen sind aber in Farrars Buch nachzulesen. So sollen sie unter anderem damit argumentiert haben, dass "Insertionen" in der Natur immer wieder beobachtet werden könnten. So könnten die zwölf Mutationen der "Furin-Spaltstelle" ihrer Meinung nach durchaus aus der unberechenbaren Evolution hervorgegangen sein.

Zudem verging zwischen der Konferenz und der endgültigen Veröffentlichung der Abhandlung ein Monat. Diesen Monat beschreibt Farrar in seinem Buch als Monat voller "neuer wichtiger Informationen, endloser Analysen, intensiver Diskussionen und vieler schlafloser Nächte". Dass Wissenschaftler durch Analysen und Diskussionen ihre Meinung ändern, ist nicht unüblich, sondern in der Regel erwünscht und Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses.

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