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Wladimir Putin lenkt von Corona-Versagen ab – und zeigt mit Finger auf Deutschland


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Russischer Präsident teilt aus
Putin: Schauen Sie nach Deutschland


Aktualisiert am 23.12.2021Lesedauer: 5 Min.
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Wladimir Putin auf seiner jährlichen Pressekonferenz: Der russische Präsident relativiert die großen Probleme des Landes in der Corona-Pandemie. (Quelle: reuters)

Russland ist in der Corona-Pandemie auf einem katastrophalen Kurs und befeuert den Konflikt mit der Ukraine. Präsident Putin stellt sich nun den Fragen der Presse – und relativiert die eigenen Probleme.

Alle Jahre kommt sie wieder, die große Putin-Show. Der russische Präsident stellt sich zum Ende zum Jahreswechsel bei einer mehrstündigen Pressekonferenz den Fragen von Journalisten. Wladimir Putin nutzt die Gelegenheit, um Werbung für sich und seine Politik zu machen. Doch in diesem Jahr ist die Lage anders, es gibt viel Klärungsbedarf: Russland wurde besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen, mit vielen Todesopfern und viel zu wenig Geimpften – obwohl das Land gleich mehrere Corona-Impfstoffe selbst entwickelt hat. Deshalb gibt es an diesem Donnerstag sogar auch kritische Fragen an den Kreml-Chef.

Das diesjährige "Treffen" – so wie Putin die Pressekonferenz gerne nennt – ist auch international von großem Interesse. Die Liste der Konflikte zwischen dem Westen und Russland ist lang: Ukraine, Nord Stream 2, russische Auftragsmorde im Ausland und Putins Einfluss auf den belarussischen Machthaber Lukaschenko. Die westlichen Staaten warten auf weitere Gesprächsangebote des russischen Präsidenten, doch versöhnliche Töne gibt es bei der Pressekonferenz kaum.

Im Gegenteil: Putin zeigt im Angesicht der russischen Probleme vor allem mit dem Finger auf andere Länder, um mögliche eigene Fehler zu relativieren. Das ist zwar nicht wirklich neu, aber besonders die Ausführungen des Präsidenten zur Corona-Pandemie grenzen an Realitätsverweigerung.

"Sind wir mal bescheiden"

Besonders die Corona-Lage in Russland ist ernst. "Der Kampf gegen Corona geht weltweit weiter", erklärt Putin. Russische Experten seien in Südafrika, um Erkenntnisse über die Omikron-Variante zu sammeln.

Gerne spricht der Präsident über die wirtschaftliche Entwicklung. "Wirtschaftlich hat sich Russland schneller von der Pandemie erholt als die meisten anderen Länder." Die Wirtschaft wachse stabil und die Reallöhne würde trotz einer Inflation von acht Prozent steigen. "Die Arbeit der Regierung und der Zentralbank ist – sind wir mal bescheiden – befriedigend."

Doch vor allem die Zahl der Corona-Toten in Russland ist keineswegs "befriedigend". Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Opfer über die Marke von 300.000 gestiegen, doch die Folgen der Krise sind offenbar noch katastrophaler als von den russischen Behörden angegeben. Demnach sollen laut dem Moskauer Forscher Alexej Rakscha mittlerweile mehr als eine Million Menschen im Zuge der Corona-Pandemie gestorben sein.

"Was uns Sorgen macht, ist die Lebenserwartung", räumt Putin ein. Doch eine Antwort auf eine mögliche Lösung dieses Problems bleibt der Präsident schuldig.

Impfvergleich mit Deutschland

Ähnliches gilt für die stockende Impfkampagne. Nur knapp 44 Prozent der Bevölkerung sind in Russland doppelt geimpft, obwohl Russland fünf eigene Vakzine entwickelt hat. Putin geht bei Geimpften und Genesenen von einem Anteil von über 59 Prozent aus. Diese Zahl klingt besser, zumindest für den Kreml. Immerhin: Auch Putin weiß, dass die Impfskepsis ein Problem ist. "Die Impfquote ist nicht genug. Für die Herdenimmunität brauchen wir 80 Prozent."

Jedoch spricht der russische Präsident auch hierbei nicht über konkrete politische Maßnahmen. Lediglich einen "konsequenteren Kurs" solle man verfolgen, Druck oder eine Impfpflicht lehnt er ab. Neben Phrasen versucht Putin, die niedrige Impfquote in Russland mit einem Vergleich zu Europa zu relativieren.

"Schauen Sie sich einige europäische Länder an – wie Deutschland", meint Putin. "Deutschland ist ein Land mit einem der stärksten Gesundheitssysteme." Trotzdem habe man auch dort große Sorgen über eine zu niedrige Impfquote. Der Kreml-Chef lässt aus, dass die Bundesrepublik mit über 70 Prozent eine deutlich höhere Impfquote hat als die Russische Föderation. Putin wolle die Russinnen und Russen von der Impfung "überzeugen". In Deutschland setze man auf Druck, trotzdem sei die Impfquote niedrig.

"Man hat uns betrogen"

Mit Spannung wurden außerdem Putins Äußerungen zum Ukraine-Konflikt erwartet, immerhin stehen rund 100.000 russische Soldaten an der ukrainischen Grenze. Putin zeigt sich auf seiner Pressekonferenz unversöhnlich: "Wie soll Russland reagieren?", fragt er. Da werde ein "antirussischer Stützpunkt" mit modernen Waffensystemen vor "unserer Haustür" gebaut. "Stellen wir unsere Raketen vor der Haustür der Vereinigten Staaten auf?"


Die Nato-Staaten seien nun an der Reihe, Russland Garantien zu geben. "Sie sind dran", wütet Putin. "Für uns ist unsere Sicherheit wichtig, wir bedrohen keinen." Das stimmt nicht, immerhin wird die Ukraine seit der Annexion der Krim im Jahr 2015 von Russland bedroht. Auch auf der Pressekonferenz wird deutlich, dass der Kreml-Chef nicht unbedingt ein Existenzrecht der Ukraine sieht. "Man hat ein Land entstehen lassen, das vorher nicht existierte."

Zudem hat Russland in den vergangenen Monaten Gesprächsangebote im Normandie-Format ausgeschlagen. Vielmehr nutzt der Kreml die Zuspitzung des Konflikts, um vom Westen Zugeständnisse zu erhalten.

Putin gibt vor allem der Nato-Osterweiterung die Schuld an dem gegenwärtigen Konflikt. "'Keinen Meter in Richtung Osten, haben sie gesagt'", erklärt er. "Man hat uns betrogen."

Doch es gibt auch Zeichen für eine Entspannung, Putin wertet die diplomatischen Signale aktuell positiv. "Bislang haben wir positive Reaktionen gesehen", sagt Putin. "Unsere amerikanischen Partner haben uns gesagt, dass sie bereit sind, diese Diskussion, diese Verhandlungen Anfang kommenden Jahres in Genf zu beginnen." Doch eines ist klar: Jede Erweiterung der Nato in Osteuropa ist für Russland "inakzeptabel".

Keine Beweise für Nawalny-Vergiftung

Bei einem anderen Thema verfinstert sich Putins Miene: dem inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, den der russische Präsident nie beim Namen nennt. Auch bei seiner jährlichen Pressekonferenz bezeichnet er Nawalny als "Menschen, der angeblich vergiftet wurde".

Auch seine Inhaftierung kommentiert Putin fast schon zynisch. "Es gibt in jedem Land Menschen, die im Gefängnis sitzen." Außerdem sei gar nicht erwiesen, dass Nawalny vergiftet wurde. "Sie haben uns keine Beweise geschickt, es gab kein Material", sagte Putin. "Nichts. Null." Auch das ist nachweislich falsch: Mehrere Labore, darunter eines der Bundeswehr, hatten nach offiziellen Angaben die Vergiftung nachgewiesen.

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Der Präsident verteidigte in einer Antwort auch das umstrittene Vorgehen gegen Andersdenkende und sogenannte "ausländische Agenten". Vielen sei das unbesiegbare Russland zu groß. "Man kann es nur von innen heraus zersetzen." Das müsse verhindert werden. Viele Nichtregierungsorganisationen und Medien sind als "ausländischer Agent" in Russland eingestuft, was sie als Stigmatisierung kritisieren. Putin betonte, dass Russland Klarheit wolle, wer vom Ausland Geld erhalte und im Interesse eines anderen Landes arbeite.

Die Sprecherin des Kremlgegners Nawalny, Kira Jarmysch, bezeichnete Putin bei Twitter als einen "Feigling" und mit Blick auf die Attentate auf Oppositionelle als "Mörder".

Der bekannte russische Oppositionelle Nawalny, der im August 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebte, befindet sich seit Anfang des Jahres in einem Straflager. Nawalnys Vergiftung und seine anschließende Festnahme hatten das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Russland und Europa noch zusätzlich belastet. Der Westen hatte wegen des Verbrechens Sanktionen gegen Russland verhängt. Nawalny hatte Putin persönlich für den Mordanschlag auf ihn verantwortlich gemacht.

Verwendete Quellen
  • Pressekonferenz von Wladimir Putin
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