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Frankreichs Ex-Präsident Giscard d’Estaing: Elegant und gern auch arrogant


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Zum Tod von Giscard d’Estaing
Ein Pragmatiker, elegant und gern auch arrogant

MeinungEin Nachruf von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 03.12.2020Lesedauer: 3 Min.
Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (l.) und der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing: Die beiden verband auch eine Freundschaft.Vergrößern des Bildes
Der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt (l.) und der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard d'Estaing: Die beiden verband auch eine Freundschaft. (Quelle: Franziska Kraufmann/dpa)
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Valéry Giscard d’Estaings Leben war eng mit Deutschland verknüpft. Mit Helmut Schmidt verband ihn nicht nur der Blick auf die Welt, sondern auch der Gleichklang einer Freundschaft bis ins hohe Alter.

Frankreichs ehemaliger Präsident Valéry Giscard d’Estaing war der Inbegriff des eleganten Mannes als Politiker, wie man ihn im Nachbarland zuverlässiger findet als in Deutschland. Hoch gewachsen mit einem schmalen Intellektuellenschädel, gekleidet in bestem Zwirn, bewegte er sich siegessicher auf internationalem Parkett. Stets hatte er ein Auge auf die schönen Frauen, was wie selbstverständlich für Seinesgleichen dazugehörte. Auch deshalb fühlte er sich den braven Teutonen, den verklemmten Briten und den vierschrötigen Amerikanern an Selbstvertrauen und Stil meilenweit überlegen.

Paris war zu Giscards Zeit, mehr noch als heute, die Metropole der Politiker und der Intellektuellen, wobei die Grenzen fließend waren. Giscard bewegte sich wie selbstverständlich unter den Klugen und Schönen. Immer war er der Jüngste, der Schnellste, der Moderne. Der Adelstitel gab ihm eine eigene Aura unter diesen Bürgerlichen. Das "de" kam allerdings nicht aus alter Zeit. Sein Vater hatte den Titel im Jahr 1922 gekauft, vier Jahre vor der Geburt seines Sohnes Valéry.

Ein enge Verbindung zu Deutschland

Giscards Leben war mit Deutschland aufs Engste verbunden, damals schon, als Frankreich wieder einmal der Erbfeind war. Geboren wurde Giscard in Koblenz, da war das Rheinland französisch besetzt, eine Folge des verlorenen Krieges und des Versailles Vertrags. Sein Vater war Oberfinanzinspektor der französischen Rheinarmee. Dann kam der Zweite Weltkrieg, die Deutschen besetzten Paris und sonderten französische Juden für die Todeslager aus. Giscard hatte gerade Abitur gemacht und schloss sich mit 18 der Résistance an und half Paris zu befreien. Kurz darauf saß er im ersten Panzer, der im April 1945 in Konstanz einrollte.

Was lernt ein junger Franzose, 19 Jahre alt und ein mutiger Patriot, aus diesen Kriegserfahrungen? Dass es damit aufhören muss. Dass es Zeit ist, aus der Erbfeindschaft Versöhnung erwachsen zu lassen. Dass gemeinsam ein Europa begründet werden muss. Giscard gehörte zu der Generation der überzeugten Europäer, die für Frankreich wie selbstverständlich einen Führungsanspruch auf dem Weg zur wirtschaftlichen Integration beanspruchten. Dieses Europa war ja darauf ausgerichtet, die Deutschen einzubinden, damit sie nicht noch einmal einen Krieg anzetteln konnten.

Giscard und Schmidt verband auch eine Freundschaft

Von 1974 bis 1981 war Giscard Staatspräsident. Seine Amtszeit fiel zusammen mit Helmut Schmidts Kanzlerschaft. So fern sich die beiden nach Herkunft und Habitus auch waren, so nah waren sie sich doch in den großen Fragen ihrer Zeit. Beide Pragmatiker. Beide Fachmänner für Finanz- und Wirtschaftspolitik. Beide illusionsfreie Europäer. Beide skeptische Atlantiker und noch skeptischere Entspannungspolitiker. Und Schmidt akzeptierte das politische Primat für Frankreich, auch wenn sein Land mittlerweile ökonomisch weitaus stärker und moderner war.

Die beiden trafen sich, sie mochten sich und sie wurden Freunde. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie in der Beurteilung anderer Staats- und Regierungschefs übereinstimmten. Ronald Reagan: Schauspieler, B-Ware, eine gefährliche Witzfigur. Margaret Thatcher: Frau mit Eiern, sozusagen (durfte man damals noch so sagen). Leonid Breschnjew: viel Alkohol, ansonsten Obervolta mit Atomwaffen. Helmut und Valéry waren eben auch Verbündete in Arroganz, die ihnen ganz natürlich erschien.

Je älter sie wurden, Giscard und Schmidt, desto anrührender gingen sie miteinander um. Der Ex-Kanzler, saß im Rollstuhl und sah zunehmend wie ein Denkmal seiner selbst aus, den Kopf leicht zur Seite geneigt, mit der Andeutung eines Lächelns, mehr nicht, denn die Lage war hochproblematisch, immer. Der andere, Giscard, stand leicht gebeugt, mit einem leisen Lächeln, auf Haltung bedacht und formvollendet, wobei er mehr und mehr einer weise lächelnden Eule glich.

Vom Trauerakt im Michel für Helmut Schmidt gibt es ein bewegendes Foto: Giscard steht im schwarzen Mantel, zweireihig geknöpft, und schaut sich suchend um, als könne er gar nicht fassen, dass sein alter Weggefährte nicht in der Reihe neben ihm sitzt, sondern dort vorne im Sarg liegt.

Die Rede im Michel hielt damals vor fünf Jahren Henry Kissinger. Der gehört nun, neben Jimmy Carter, zu den wenigen Überlebenden, die in den sechziger und siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Geschichte schrieben. Kissinger ist drei Jahre älter als Valéry Marie René Georges Giscard d’Estaing, der nun auf Wolke 7 mit seinem Freund Helmut über diese nichtsnutzigen Nachfolger dort unten lästern kann. Es sei ihnen gegönnt.

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