Nach Explosion 250 Millionen Soforthilfe "Die Zukunft des Libanons wird jetzt entschieden"
Eine internationale Geberkonferenz hat Geld für den von der Explosion mit 150 Toten schwer getroffenen Libanon gesammelt. Außenminister Maas sagt zusätzliche Hilfe aus Deutschland zu.
Nach der Explosion in Beirut mit mehr als 150 Toten und über 6.000 Verletzten sind bei einer internationalen Geberkonferenz für den Libanon 252,7 Millionen Euro Soforthilfe zusammengekommen. Das berichteten Kreise des französischen Präsidialamtes am Sonntag in Paris nach einer Videoschalte. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte im ZDF, Deutschland alleine "wird sich mit 20 Millionen Euro zusätzlich beteiligen, um die größte Not zu lindern, die es zurzeit in Beirut gibt". Es sei überwältigend gewesen, wie viele Staaten sich beteiligt hätten.
Treffen kam mit Macrons Hilfe zustande
Die Vereinten Nationen (UN) hatten die nötige eine internationale Hilfe zuvor auf 116,9 Millionen US-Dollar (rund 99 Millionen Euro) geschätzt. Es geht laut UN um medizinische Versorgung, Nahrungsmittelhilfe oder Unterkunft für die schwer getroffene Bevölkerung.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hatte das rund zweieinhalbstündige Treffen mit den UN kurzfristig organisiert. Es nahmen Vertreter von mindestens 36 Staaten und Organisationen teil, unter ihnen waren US-Präsident Donald Trump oder der jordanische König Abdullah II.. Deutschland wurde durch Maas vertreten. Auch die USA sagten dem Libanon Hilfe zu, ohne allerdings einen konkreten Betrag zu nennen.
"Die Zukunft des Libanons wird jetzt entschieden", erklärte Macron. Er appellierte an die Verantwortlichen in Beirut, auf die Hoffnungen zu antworten, die das libanesische Volk auf den Straßen ausdrücke. "Das libanesische Volk ist frei, stolz und eigenständig", sagte Macron in seiner emotionalen Rede.
Zerfall der Regierung droht
Nach der verheerenden Explosion vom Mittwoch steht der Libanon auch politisch vor einer neuerlichen Zerreißprobe. Am Sonntag gab es Anzeichen für einen weiteren schrittweisen Zerfall der Regierung, nachdem erst Informationsministerin Manal Abdel Samad, dann nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch Umweltminister Damianos Kattar ihre Ämter niedergelegt hatten. Es war am Abend unklar, ob Rücktritte weiterer Kabinettsmitglieder folgen würden. Ministerpräsident Hassan Diab will dem Kabinett an diesem Montag eine Neuwahl des Parlaments vorschlagen.
Am Wochenende zogen Tausende Libanesen, von denen viele nach der Explosion das letzte Vertrauen in die politische Führung verloren haben, auf die Straße. Viele protestierten friedlich gegen die Regierung, die sie für die Explosion am Hafen verantwortlich machen. Die Wut ist groß, weil dort offenbar über Jahre große Mengen der hochexplosiven Chemikalie Ammoniumnitrat ohne Sicherheitsvorkehrungen lagerten. Dies soll die gewaltige Explosion verursacht haben. Bis zu 300.000 Menschen wurden durch die Schäden an ihren Häusern obdachlos. Und die Hoffnung, noch Überlebende zu finden, schwindet.
Polizist bei Protesten getötet, 250 Verletzte
Am Samstag kam es zu massiven Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in Beirut. Ein Polizist wurde dabei nach Angaben der Sicherheitskräfte getötet. 250 Menschen wurden dem libanesischen Roten Kreuz zufolge verletzt. Einige Demonstranten versuchten, Absperrungen zum Parlament zu durchbrechen und warfen Steine. Andere stürmten das Gebäude der Bankenvereinigung oder drangen lokalen Medienberichten zufolge in Ministerien ein. Die Sicherheitskräfte setzten in großen Mengen Tränengas ein. Augenzeugen berichteten auch, sie hätten Schüsse gehört.
Auch am Sonntag gab es Ausschreitungen in Beirut. Demonstranten warfen mit Steinen auf Beamte, die eine Straße in Richtung des Parlaments abriegelten, wie auf Fernsehaufnahmen zu sehen war. Die Polizei setzte Tränengas ein. Demonstranten brachen zudem in die Ministerien für Verkehr und Wohnungsbau ein. Am Zugang zum Parlamentsplatz brach ein Feuer aus. Ein Reuters-Reporter berichtete von Tausenden Demonstranten, die dort und auf dem nahe gelegenen Märtyrer-Platz zusammenströmten. "Wir wollen die Regierung zerstören und töten", sagte ein 19-jähriger Mann. "Sie hat uns weder Jobs noch Rechte gegeben."
Regierungschef Diab reagierte mit seinem Vorschlag für eine Neuwahl auf den massiven Druck auf die Regierung. Einen möglichen Termin dafür nannte er nicht. Die nächste Wahl stünde eigentlich 2022 an. Es scheint aber unwahrscheinlich, dass Diabs Ankündigung die Wut der Menschen besänftigen kann. Viele Libanesen klagen, Wahlen hätten bisher an den realen Machtverhältnissen im Land wenig verändert.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters