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Corona: Wie Russland das Wettrennen um den Impfstoff gewinnen will


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Corona-Krise in Russland
Wie Putin den Impfstoff-Wettlauf gewinnen will


10.07.2020Lesedauer: 3 Min.
Eine Freiwillige nimmt an einem klinischen Test an der Setschenow-Universität in Moskau teil: Russland will bei der Impfstoff-Forschung die Nase vorn haben.Vergrößern des Bildes
Eine Freiwillige nimmt an einem klinischen Test an der Setschenow-Universität in Moskau teil: Russland will bei der Impfstoff-Forschung die Nase vorn haben. (Quelle: Itar-Tass/imago-images-bilder)
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Russland gehört nach wie vor zu den Hotspots der Corona-Krise. Anders als in anderen Ländern gehen die Zahlen aber zurück. Und Putin verspricht einen Impfstoff schon für Herbst – um jeden Preis.

Mit über 700.000 bestätigten Fällen gehört Russland laut der Johns-Hopkins-Universität immer noch zu den am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Ländern. Die etwa 10.000 Todesfälle sind allerdings vergleichsweise gering, ebenso die Quote der Infizierten im Verhältnis zur Einwohnerzahl.

In den USA, Brasilien und Indien steigen die Zahlen

Außerdem zeigt die Kurve der Infektionszahlen in Russland nach unten. Das ist in anderen großen Ländern mit ähnlich vielen und noch mehr Corona-Fällen anders: In den USA, in Brasilien und Indien steigen die Zahlen.

Laut der russischen Nachrichtenagentur Tass habe die Reproduktionszahl in den zurückliegenden drei Tagen den Wert von 0,9 nicht überschritten. Die geringste Ausbreitung sei unter anderem in der Hauptstadt Moskau und in der dazugehörigen Metropolregion festgestellt worden. Außerdem meldet die Agentur, dass laut des Gesundheitsministeriums bislang 22 Millionen Tests in Russland durchgeführt worden seien.

Tass ist ein russisches Staatsunternehmen. Die Zahlen sind mindestens mit Vorsicht zu genießen. Immer wieder gab es Berichte zu geschönten Zahlen und Zweifeln an den offiziellen Statistiken, etwa durch Recherchen in der "New York Times".

Bis zu sieben Jahre Haft für Quarantäne-Verstöße

Die niedrigen Zahlen könnten aber auch ein Erfolg der zeitweise überaus harten Sanktionen für Verstöße gegen den Infektionsschutz sein. So konnte die Missachtung von Quarantäne-Auflagen mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft werden. Etwa zehn Wochen zwischen April und Mitte Juni mussten die Russen zu Hause bleiben, rausgehen war nur mit Passierschein möglich.

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Der russische Schauspieler Philip Fortunkov lebt mit seiner Familie in Moskau. Er beschreibt für t-online.de die Zeit des Lockdowns in einer Audionachricht: "Wenn wir nicht in systemrelevanten Jobs gearbeitet haben, durften wir eigentlich nicht rausgehen. Weil es aber fast keine finanziellen Hilfen gab, haben viele Leute inoffiziell gearbeitet."

Fortunkov erklärt, wie das ging: "Für Arzttermine durfte man das Haus jederzeit verlassen. Man musste sich aber umständlich online dafür registrieren. Also haben die Leute sich jeden Tag auf diesem Weg registriert und sind raus gegangen." Niemand habe das überprüft.

Lockerungen aus Kalkül?

Inzwischen wurden die Maßnahmen deutlich gelockert. Kritiker vermuteten hinter dem Zeitpunkt Ende Juni politisches Kalkül von Präsident Putin: Ein Referendum über eine Verfassungsänderung, die Putin weitere Zeit an der Macht verschaffen sollte, war wegen der Pandemie bereits verschoben worden. Für den Nachholtermin wollte der Präsident die Stimmung mit Lockerungen heben, so die Kritiker. Mit Erfolg: Das Referendum ging deutlich zu Putins Gunsten aus.

Schauspieler Fortunkov bestätigt das: "Die meisten hier glauben, dass die Lockerungen wegen des Referendums gekommen sind. In der Zeit war Corona auch kein Thema mehr, es ging nur noch um die Abstimmung."

"Space Race" um den Impfstoff

Um dem Selbstverständnis einer Weltmacht nachzukommen, positioniert sich Russland unterdessen offensiv im globalen Wettstreit um einen Impfstoff. Verschiedene Forschungseinrichtungen arbeiten auf Hochtouren daran. Diverse Labors befinden sich schon in der Phase der klinischen Studie, also der letzten Phase mit Versuchen am Menschen.

Bislang seien zwei Gruppen Soldaten getestet worden, beide zeigen bislang keine Nebenwirkungen. Allerdings ist auch noch nicht bekannt, ob die zwei getesteten Gruppen die erwünschte Immunreaktion gezeigt haben.

Experten sehen den globalen Wettlauf um den ersten Impfstoff schon als neues "Space Race", den sogenannten Wettlauf ins All der 1950er und 60er Jahre, als die USA und die damalige Sowjetunion in ihrer ideologischen Konkurrenz jeweils als erste den Weltraum erobern wollten.

Russischer Forscher testet Impfstoff an sich selbst

Alexander Ginsburg, Direktor des wichtigen Gamalaja-Forschungsinstituts und Epidemiologe des russischen Gesundheitsministeriums, sagte der Nachrichtenagentur RIA Novosti, er und seine Kollegen hätten sich das Präparat aus Gründen des Selbstschutzes bereits selbst injiziert.

Die gemeinnützige Pharma-Organisation AOKI kritisierte den Vorgang scharf – der Fall sei eine "grobe Verletzung der Grundlagen der Durchführung klinischer Studien, der russischen Gesetzgebung und allgemein anerkannter internationaler Standards", heißt es in einem Brief der Organisation, der der BBC vorliegt.

Impfstoff in diesem Herbst? Zweifel auch in Russland

Russlands Präsident Wladimir Putin versprach derweil einen Impfstoff möglicherweise schon für diesen September. Experten bezweifeln, dass noch in diesem Jahr ein funktionierender Impfstoff zu erwarten ist. Auch in Russland gibt es Kritik an dem Vorpreschen und dem Druck aus der Politik.

Der Epidemiologe Wassilij Wlasow sagte "Zeit Online": "Allein das Testverfahren von weniger als sechs Monaten macht mir große Sorgen. Je mehr Testverfahren vereinfacht und abgekürzt werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass mögliche Risiken und Gefahren übersehen werden."

Schauspieler Philip Fortunkov würde sich im Herbst auf keinen Fall impfen lassen: "Nicht weil ich Impfgegner bin. Aber einem Medikament, das so schnell entwickelt und kaum getestet wird, traue ich nicht. Und ob sie bis dahin überhaupt fertig werden, das finde ich wenigstens fragwürdig."

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