Krawalle in Großstädten Proteste gegen Polizeigewalt in Frankreich eskalieren
Der gewaltsame Tod von George Floyd in den USA hat auch in Frankreich massive Proteste ausgelöst. Dort hat es in den vergangenen Monaten viele Fälle von exzessiver Polizeigewalt gegeben.
Unter dem Eindruck der Proteste gegen exzessive Polizeigewalt in den USA sind auch in Frankreich zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen. Anlass für eine nicht genehmigte Kundgebung in Paris mit 20.000 Teilnehmern am Dienstagabend waren neue medizinische Befunde zum Tod eines schwarzen jungen Mannes im französischen Polizeigewahrsam 2016. Nach den Demonstrationen kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei und zu Festnahmen.
Die Demonstrationen in Paris und anderen Städten standen unter dem Motto "Gerechtigkeit für Adama Traoré". Der 24-Jährige aus der Pariser Vorstadt Beaumont-sur-Oise war in Polizeigewahrsam gestorben, nachdem er Widerstand gegen die Festnahme seines Bruders geleistet hatte. Eine neue Untersuchung im Auftrag der Familie geht davon aus, dass der junge Schwarze erstickte, weil er von der Polizei bäuchlings am Boden fixiert wurde – ähnlich wie der Afroamerikaner George Floyd in den USA. Eine juristisch angeordnete Untersuchung macht dagegen Vorerkrankungen und Drogenkonsum für Traorés Tod verantwortlich.
Frankreich: Krawall und Festnahmen in mehreren Städten
"Die Proteste in den USA haben ein Schlaglicht auf die Ereignisse in Frankreich geworfen", sagte Adama Traorés ältere Schwester Assa bei der Pariser Demonstration. "Wer heute für Georges Floyd kämpft, kämpft auch für Adama Traoré". Protestteilnehmer trugen Schilder mit englischsprachigen Slogans wie "Black Lives Matter" ("Das Leben von Schwarzen zählt") und "I can´t breathe" ("Ich kann nicht atmen"). "Ich kann nicht atmen" hatte Floyd vergeblich gestöhnt, während ein weißer Polizist ihm fast neun Minuten lang sein Knie in den Nacken drückte.
Nach der Pariser Kundgebung kam es zu Ausschreitungen, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Polizeiwagen wurden mit Steinen und Flaschen beworfen, Barrikaden, Mülleimer und Fahrräder angezündet. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschosse ein. In Paris nahmen die Behörden 17 Menschen in Gewahrsam. In Städten wie Lille, Marseille und Lyon gab es insgesamt sieben Festnahmen.
Frankreichs Regierung schweigt zu Protesten
Die Pariser Polizeipräfektur hatte die Proteste untersagt – aus Sorge vor Ausschreitungen, aber auch zum Infektionsschutz. Versammlungen von mehr als zehn Menschen sind als Anti-Coronavirus-Maßnahme in Frankreich derzeit untersagt.
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Der Pariser Polizeichef Didier Lallement nahm seine Behörde gegen die Vorwürfe in Schutz. Die Pariser Polizei sei "nicht gewalttätig und auch nicht rassistisch", schrieb Lallement in einem Brief an seine Mitarbeiter. Die französische Regierung kommentierte die Proteste zunächst nicht. Scharfe Kritik übten die konservativen Republikaner als größte Oppositionspartei. Deren Fraktionschef im Senat, Bruno Retailleau, nannte den Vergleich der französischen Polizeimethoden mit denen den USA "inakzeptabel".
Polizeigewalt erschüttert Frankreich seit Monaten
Der Chef der Linkspartei La France Insoumise (Das unbeugsame Frankreich), Jean-Luc Mélenchon, äußerte dagegen Verständnis für den Wutausbruch einer "Jugend, die durch ständige Kontrollen, Ungerechtigkeiten und ungestrafte Polizeigewalt gedemütigt wird". Bereits am Montagabend hatten in der Pariser Vorstadt Bondy rund hundert Menschen gegen Polizeigewalt demonstriert. Zuvor war ein 14-Jähriger bei einem Polizeieinsatz schwer am Auge verletzt worden. Der Jugendliche hatte offenbar ein Mofa stehlen wollen.
Noch zwei weitere Fälle von möglicherweise exzessiver Polizeigewalt hatten seit Jahresanfang in Frankreich für Empörung gesorgt. Ein 42-jähriger Lieferfahrer war im Januar nach einer Polizeikontrolle am Pariser Eiffelturm erstickt. Die Polizisten drückten den Familienvater bäuchlings auf den Boden, er erlitt dadurch einen Kehlkopfbruch. In der südfranzösischen Stadt Béziers starb im April ein 33-Jähriger, nachdem er mit dem Gesicht nach unten fixiert wurde.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert bereits seit Jahren, solche "tödlichen" Methoden bei der französischen Polizei zu verbieten. Auch während der "Gelbwesten"-Proteste gab es massive Klagen über Polizeigewalt.
- Nachrichtenagentur AFP