Nach Angriffen auf Aktivisten Massive Eskalation bei verbotener Demo in Hongkong
Nach einigen vergleichsweise ruhigen Wochenenden sind die Proteste der Demokratiebewegung in Hongkong erneut eskaliert. Brutale Angriffe auf Aktivisten fachen die Wut der Demonstranten an.
In Hongkong ist am Sonntag erneut eine Demonstration mit mehreren zehntausend Teilnehmern eskaliert. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen die Demonstranten ein. Die Behörden hatten den Protestzug durch das Einkaufsviertel Tsim Sha Tsui, eigentlich mit Verweis auf die öffentliche Sicherheit und die zunehmend gewaltsamen Proteste, untersagt. Zwei Angriffe auf Demokratie-Aktivisten in den vergangenen Tagen hatten die Proteste jedoch neu angeheizt.
Trotz des Demonstrationsverbots beteiligten sich zehntausende Menschen an den zunächst friedlichen Protesten. Die Kundgebung eskalierte, als gewaltbereite Demonstranten Benzinbomben auf eine Polizeiwache, Eingänge von U-Bahn-Stationen sowie auf Bankfilialen warfen. Die Polizei antwortete mit Tränengas und jagte tausende Menschen mit Wasserwerfern durch eine der Hauptgeschäftsstraßen Hongkongs.
Friedliche Demonstranten singen Protest-Hymne
Beobachtern zufolge setzte die Polizei Wasserwerfer so intensiv ein wie kaum zuvor bei den seit Monaten andauernden Protesten. Zudem deuteten Hustenanfälle von Menschen daraufhin, dass die Polizei dem Wasserstrahl Reizstoffe zugesetzt hatte. Erneut kam auch eine blaue Farbe zum Einsatz, die Einsatzkräfte zur Markierung von Demonstranten verwenden. Demonstranten versuchten, den Vormarsch der Bereitschaftspolizei zu verlangsamen, indem sie Barrikaden in Brand setzten.
Gleichzeitig sangen friedliche Demonstranten die Hymne der Protestbewegung und forderten die Regierung dazu auf, alle ihre Forderungen zu erfüllen. Dazu gehören ein Rücktritt von Regierungschefin Carrie Lam, eine Untersuchung der Polizeigewalt und freie Wahlen. Auch protestierten sie gegen mehrere Angriffe auf Anhänger ihrer Bewegung.
Angriffe auf Aktivisten
Jimmy Shan, einer der Organisatoren der Märsche, wurde vergangene Woche in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem er von Männern auf der Straße zusammengeschlagen worden war. Am Samstag wurde zudem ein 19 Jahre alter Protestanhänger mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt.
Die seit dem 9. Juni andauernden Proteste hatten zuletzt etwas an Fahrt verloren, nachdem die Regierung ein Vermummungsverbot verhängt hatte. Außerdem wurde der U-Bahn-Verkehr eingeschränkt. Das macht es für Demonstranten schwieriger, sich in der Stadt zu bewegen.
Kein Ende der Proteste in Sicht
Der erneut große Protest am Sonntag zeigt jedoch, dass mit einem baldigen Ende der Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungszone nicht zu rechnen ist. Vandalismus und Zusammenstöße zwischen Polizisten und Demonstranten sind vor allem an Wochenenden zur Normalität geworden.
Erneut waren viele Demonstranten mit US-Flaggen zu sehen. Die Annahme eines Gesetzentwurfs im US-Abgeordnetenhaus zur Unterstützung der Demokratiebewegung in Hongkong hatte vergangene Woche schwere Spannungen zwischen China und den USA ausgelöst. Der Entwurf schreibt wirtschaftliche Sanktionen vor, wenn die Autonomie Hongkongs untergraben wird. Er sieht ferner Strafmaßnahmen gegen Politiker vor, die Freiheitsrechte von Hongkongern verletzt haben.
Gesetzentwurf im US-Senat
Der Entwurf muss noch im US-Senat verabschiedet werden. Aber er findet große Unterstützung bei Republikanern und Demokraten. Am Ende müsste auch US-Präsident Donald Trump das Gesetz noch unterzeichnen.
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Seit mehr als vier Monaten demonstrieren die Menschen in Hongkong gegen ihre Regierung und den wachsenden Einfluss der kommunistischen Führung in Peking. Seit der Rückgabe 1997 an China wird Hongkong mit einem eigenen Grundgesetz nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" autonom regiert. Die sieben Millionen Hongkonger stehen unter Chinas Souveränität, genießen aber – anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik – mehr Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, um die sie jetzt fürchten.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa, Reuters