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Europawahl: Aufmarsch der Anti-EU-Parteien – Wie stark sind die Europafeinde?


Aufmarsch der Anti-EU-Parteien
Wie stark sind die Europafeinde wirklich?

Von dpa
Aktualisiert am 18.05.2019Lesedauer: 4 Min.
Salvini, Le Pen und Meuthen: Am Samstag treffen sich die EU-feindlichen Parteien in Italien.Vergrößern des Bildes
Salvini, Le Penn und Meuthen: Am Samstag treffen sich die EU-feindlichen Parteien in Italien. (Quelle: imago (Oryk HAIST/SVEN SIMON/Gloria Imbrogno/IPA/Thierry Breton) getty (baona))
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Rechtspopulisten und Nationalisten aus ganz Europa proben dieses Wochenende in Mailand den Schulterschluss. Können sie die EU nach der Europawahl kaputt machen?

Zehntausende vor der gotischen Pracht des Mailänder Doms: Einen "historischen Moment" erwartet die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen an diesem Samstag in der norditalienischen Metropole. AfD-Chef Jörg Meuthen hofft auf richtig Schub für die letzten Tage vor der Europawahl. Der Italiener Matteo Salvini hat Rechte aus ganz Europa geladen, um seine internationale Allianz der Nationalisten zu feiern. Sie will die Europäische Union in ihrer jetzigen Form stoppen, das ist das erklärte Ziel.

Die Alternative für Deutschland, die österreichische FPÖ, die Le-Pen-Partei Rassemblement National und andere EU-Kritiker planen eine rechte Superfraktion namens Europäische Allianz der Völker und Nationen im neuen EU-Parlament. Finden sie weitere Partner wie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban oder den polnischen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, könnten sie nach Einschätzung von Experten zweitgrößte oder sogar größte Fraktion werden. EU-freundliche Parteien der Mitte warnen vor einer Blockademacht, die die EU kaputt machen will.

Doch wie stark die rechte Allianz wirklich wird, was sie gemeinsam wollen könnte und was sie bewirken kann, ist schwer zu sagen. Kaczynski mit an Bord zu holen, werde wohl zunächst nicht klappen, sagte AfD-Spitzenkandidat Meuthen der Deutschen Presse-Agentur. Damit verlöre das Bündnis an Masse. Meuthen räumte auch ein, dass die Ziele der nationalistischen Bündnispartner auseinanderklaffen.

Einig gegen europäischen Superstaat

"Es gibt Differenzen, etwa in der Haushaltspolitik, das ist normal", sagte Meuthen. Geeint sei man jedoch in der Ablehnung eines "europäischen Superstaats" – die EU soll zurückgebaut werden. "Wir müssen sehen, wo man eine "blocking minority" hat, wo wir also Dinge auch verhindern können, die wir für unsinnig halten", sagte Meuthen.

Ein "Kuschelkurs" auf der Suche nach Mehrheiten zum gewünschten Rückbau der EU sei nicht geplant, betonte der Parteichef. Vielmehr hofft man auf die Zukunft: "Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann werden wir bei den nächsten Wahlen sicher eine Mehrheit haben."

Klar ist, dass die Rechtspopulisten bei dieser Europawahl vor allem in Italien weit stärker abschneiden werden als 2014. Denn für Salvini ging es seit Gründung der Populistenregierung in Rom stetig aufwärts. Bei der Parlamentswahl 2018 holte die Lega 17 Prozent, heute sind es in Umfragen mehr als 30 Prozent. In Frankreich kann Le Pen auf etwa 24 Prozent hoffen – in Umfragen liegt ihre Partei vor der LREM von Präsident Emmanuel Macron. Die AfD, die nach etlichen Spaltungen zuletzt nur noch ein Mandat im Europaparlament hatte, kommt Umfragen zufolge auf etwa 12 Prozent und elf Sitze.

Doch mehren sich kleine Anzeichen, dass der Höhenflug möglicherweise nicht ewig weitergeht. Die AfD-Umfragewerte liegen knapp unter dem Ergebnis der Bundestagswahl. Salvinis Lega verlor zuletzt einige Prozentpunkte. Auf Wahlkampfveranstaltungen gibt es mittlerweile auch Proteste gegen Salvini und seine harte Anti-Migrations-Politik. Migration rückte im Wahlkampf insgesamt etwas in den Hintergrund.

Experten sprechen von Marshmallow-Effekt

Einige Beobachter sehen einen Trend. "Salvini erinnert mich an ein Marshmallow – davon kann man nicht genug bekommen, bis einem davon auf einmal richtig übel wird", sagte Polit-Analyst Beppe Severgnini letztens in Rom. "Ich denke, auch für ihn kommt der Marshmallow-Moment."

Im Europawahlkampf trommeln die EU-freundlichen Parteien wohl so stark wie nie gegen den Rechtstrend. Für Sonntag wollen sich Demonstranten überall in Europa dem Nationalismus entgegenstellen. Sind düstere Befürchtungen also übertrieben?

Die Lage im künftigen Europaparlament ist unübersichtlich, weil sich die bisher drei EU-kritischen Fraktionen neu sortieren werden. Salvinis Bündnis werden in Umfragen nur 72 der 751 Mandate vorhergesagt. Aber einige neue Parteien sind noch nicht zuzuordnen, zum Beispiel die Brexit-Partei von Nigel Farage, der in Großbritannien ein Wahlsieg vorhergesagt wird.

Und dann wäre da noch die Causa Orban. Noch ist der ungarische Ministerpräsident mit seiner Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP). Allerdings ist die Mitgliedschaft wegen Orbans ständiger Attacken gegen Brüssel suspendiert, und das Verhältnis wird immer frostiger. Orban hat sich öffentlich vom EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber distanziert und einen Schmusekurs mit Salvini inszeniert.

Orbans erklärtes Ziel ist vorerst, die EVP dazu zu bringen, mit Salvinis Rechts-Bündnis zu kooperieren – was die Parteienfamilie aber strikt ablehnt. Es wird deshalb immer wahrscheinlicher, dass der Ungar nach der Europawahl die EVP verlässt und sich Salvini anschließt. Sollte es so weit kommen, würde die Fidesz nach Umfragen die neue Rechtsfraktion mit 13 bis 14 Mandaten aufpolstern.

Keine Kooperation mit der polnischen PiS

Noch mehr Gewicht brächte mit absehbaren 23 Mandaten die polnische PiS, die ebenfalls sehr EU-kritisch auftritt und von Salvini umworben wurde. Meuthen sagte der dpa, Kaczynski lege zwar im Moment Wert darauf, die eigene Fraktion EKR zu erhalten. "Ich vermute, dass eine Kooperation zunächst nicht zustande kommt", sagte der AfD-Politiker. "Ich kann mir aber vorstellen, dass sich das im Laufe der Zeit ändert, möglicherweise auch innerhalb der Legislaturperiode."


Parteienforscher sind skeptisch, ob dieses ganz breite Bündnis wirklich kommt. "Die Chancen sind nicht groß, aber auch nicht Null", erklärte der Populismusexperte Cas Mudde der dpa. Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik sieht das ähnlich. Und auch eine solche Sammelfraktion hätte wenig Gestaltungsmacht. Die Signalwirkung allerdings sei nicht zu unterschätzen, meint Ondarza.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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