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Presseschau zur Türkei-Wahl: "Endgültig eine rote Linie überschritten"


Presse zum Kampf um Istanbul
"Erdogans Türkei hat nichts in der EU zu suchen"

Von dpa-afx, iger

08.05.2019Lesedauer: 4 Min.
Recep Tayyip Erdogan: Der Präsident hat bei der letzten Wahl einen Rückschlag einstecken müssen. Istanbul und Ankara hat die AKP als Stimmengarant verloren. Nun erkennt sie das Ergebnis nicht an und es gibt Neuwahlen.Vergrößern des BildesRecep Tayyip Erdogan: Der Präsident hat bei der letzten Wahl einen Rückschlag einstecken müssen. Istanbul und Ankara hat die AKP als Stimmengarant verloren. Nun erkennt sie das Ergebnis nicht an und es gibt Neuwahlen. (Quelle: Stringer/getty-images-bilder)

Der türkische Präsident Erdogan sieht in der Entscheidung zur

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verteidigt den Antrag seiner Partei AKP auf eine Wiederholung der Abstimmung in Istanbul. "Wir glauben aufrichtig daran, dass es bei den Wahlen in Istanbul eine organisierte Korruption, eine totale Gesetzlosigkeit und Rechtswidrigkeit gegeben hat", sagt Erdogan vor seiner Partei in Ankara.

Die Wahlbehörde in der Türkei hatte am Montag die Abstimmung zur Bürgermeisterwahl in Istanbul annulliert und eine Wiederholung angeordnet. Damit gab sie dem Antrag von Erdogans AKP statt. Der Kandidat der größten Oppositionspartei CHP, Ekrem Imamoglu, hatte die Kommunalwahl in Istanbul am 31. März knapp vor Ex-Ministerpräsident Binali Yildirim gewonnen. Die Entscheidung der Wahlbehörde stößt auf große Kritik, das zeigen die Stimmen zum Wahl-Debakel.

"Die Presse" aus Österreich: Erdogan und die AKP halten wenig von demokratischen Grundsätzen

"Mittlerweile haben der Präsident der Türkei und seine Regierungspartei, AKP, aber offenbar nur noch ein zentrales Programm: den Erhalt der eigenen Macht – koste es, was es wolle –, auch wenn den Preis dafür das ganze Land bezahlt. Das zeigt nun die Annullierung der Wahl in Istanbul nur allzu deutlich. Damit haben die Herrschenden endgültig eine rote Linie überschritten.

Sie stellen unverfroren klar, wie wenig sie von demokratischen Grundsätzen halten. Und sie spielen auf Risiko: Denn wenn sich Millionen Einwohner der Metropole Istanbul um den Wahlsieg ihres Favoriten betrogen fühlen, wächst deren Wut auf die Führung. Die türkische Gesellschaft wird noch tiefer gespalten, als sie es ohnehin schon ist."

"Neue Zürcher Zeitung": Erdogan akzeptiert keine Niederlage

"Überraschen kann das nur, wer noch immer nicht begriffen hat, wie Erdogan tickt und an welchen Abgrund er sein Land gesteuert hat. Ein Mann, der sich von höherer Instanz als dem Willen des Volkes berufen sieht und sogar einen Putschversuch gegen ihn als Mittel zur Machtsicherung begreift – ein solcher Mann akzeptiert keine Niederlage. Er ist vielmehr bereit, auch noch das letzte Feigenblatt zu opfern, das die Türkei wie eine Demokratie aussehen ließ: die Möglichkeit eines gewaltlosen Machtwechsels durch Wahlen."

"Kölner Stadtanzeiger": Folgen für seine Position in der AKP

"Verliert Erdogan die Kontrolle über Istanbul, hätte das unweigerlich Folgen für seine Position in seiner Partei, der AKP. Dort rumort es bereits. Vielen ist der selbstherrliche Stil, mit dem Erdogan die AKP und das Land führt, längst unheimlich geworden. Auch seine Bestrebungen zur Islamisierung der türkischen Gesellschaft sind nicht mehr unumstritten. Die Stimmenverluste der AKP in den Großstädten zeigen, dass sich große Teile der Stadtbevölkerung keinen islamisch-konservativen Lebensstil aufzwingen lassen."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Erdogans Türkei hat nichts in der EU zu suchen

"Erdogan ist der Präsident eines Landes, das Mitglied der Nato ist, das offiziell noch immer mit der EU über einen Beitritt verhandelt und etwa mit Deutschland auf vielfache Weise verbunden ist. Es ist von Belang, wenn der Präsident dieses Landes das Grundprinzip der Demokratie außer Kraft setzt und nicht akzeptiert, dass seine Partei in einem Wahlakt das Nachsehen hat. Unter Erdogan hat die Türkei große wirtschaftliche Erfolge gefeiert; seit geraumer Zeit aber wird die Distanz zum Westen immer größer, weil Erdogan lieber im Klub der starken Männer um Ansehen buhlt. Es fällt schwer genug, sich die Türkei als EU-Mitglied vorzustellen, das Souveränität teilt, Rechtsstaat und Demokratie achtet; von ihrer geostrategisch brisanten Lage ganz abgesehen. Aber die Türkei des Recep Erdogan hat nichts in der EU zu suchen."

"Die Welt": Erdogan – keiner neben ihm

"Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan ist seit jeher der größte Verfechter eines eigenen Monotheismus. Dessen Erstes Gebot lautet: keiner neben ihm. Erdogan will alles sein – und das gleichzeitig: der Oberbefehlshaber und klügste Wirtschaftsweise, der gestrenge Vater der Nation und Pate aller Kinder, der Chefarzt und Schuldirektor der Gesellschaft, der höchste Kunstkritiker und oberste Richter, der fähigste Architekt – und im Zweifelsfall eben auch der mächtigste Gefängniswärter. Es ist schwer vorzustellen, dass eine Wahlwiederholung am Bosporus unter diesen Umständen etwas anderes bedeuten sollte, als die Macht für Erdogan zurückzugewinnen. Europa kann nichts tun. Selbst der Rausschmiss der Türkei aus dem Vorzimmer der Europäischen Union wird den türkischen Präsidenten nicht beeindrucken. Nur auf die zivilen Kräfte der türkischen Gesellschaft lässt sich hoffen. Sie ist durch Erdogan geschwächt, aber nicht am Ende."

"Verdens Gang" aus Norwegen: Niederlagen duldet Erdogan nicht

"Die türkischen Behörden haben das Ergebnis der Wahl in Istanbul annulliert, die dazu geführt hatte, dass die Regierungspartei die Mehrheit und den Bürgermeisterposten in der Stadt verloren hatte. Das ist ein bemerkenswertes Beispiel für eine sehr ernsthafte und beunruhigende Entwicklung. Im Laufe der 18 Jahre von Recep Tayyip Erdogan an der Macht ist die Türkei ständig autoritärer geworden. Wird der Wahlprozess von der Bevölkerung nicht als fair wahrgenommen, verliert das politische System an Legitimität. Die Opposition verliert den Glauben daran, dass sie eine Wahl gewinnen kann. Vor allem wird aber klar, dass Erdogan keine schmerzhafte Niederlage in der bevölkerungsreichsten Stadt des Landes akzeptiert. Das Urteil der Wähler wird nicht respektiert, wenn es gegen die regierende Partei geht. Das ist äußerst kritikwürdig, ungerecht und grundlegend undemokratisch."

"Duma" aus Bulgarien: Riskanter Schritt Erdogans

"Es ist klar, dass der türkische Präsident entschieden hat, um die Megapolis zu kämpfen. Dies ist eine gefährliche Strategie. Es ist eine Tatsache, dass der Wechselkurs der türkischen Lira, die im vergangenen Jahr ohnehin um 30 Prozent an Wert verlor, nach der Entscheidung der Hohen Wahlkommission eine neue Abwertung verzeichnet hat. Die politische Instabilität wird aber der türkischen Wirtschaft kaum helfen, die bereits in der Rezession steckt.


Am 23. Juni wird Istanbul erneut den Bürgermeister wählen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hofft mit Sicherheit, dass er dieses Mal die Stadt zurückgewinnen wird. Sollte die Wahl aber fair sein, riskiert er allerdings, mit einer größeren Differenz zu verlieren als der jetzigen von 14.000 Stimmen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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