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Italien: Der ewige Einfluss der Mafia


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"Das endet nie!"
Wie die Mafia in Italien den Staat unterwandert

Hans-Jürgen Schlamp, Rom

18.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Schießerei in Neapel: Ein Carabiniere bewacht eine Straße, in der es zuvor eine Schießerei unter Mafiosi gegeben hatte.Vergrößern des Bildes
Schießerei in Neapel: Ein Carabiniere bewacht eine Straße, in der es zuvor eine Schießerei unter Mafiosi gegeben hatte. (Quelle: Roberta Basile/dpa-bilder)
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Die Mafia sitzt in den Rathäusern und entscheidet, wer Bürgermeister wird. Die organisierte Kriminalität in Italiens Süden wird immer mächtiger – und brutaler.

Von Hans-Jürgen Schlamp

Anfang dieses Monats reichte es den Bürgermeistern in Italiens tiefem Süden. Gerade waren wieder einmal fünf Kommunalverwaltungen von "denen in Rom" zwangsweise aufgelöst worden, darunter die der 70.000 Einwohnerstadt Lamezia Terme. Per Dekret des Staatspräsidenten, auf Antrag des Innenministeriums, wegen allzu enger Verbindungen zur Mafia. So gehe es nicht weiter, schrieben 51 der 85 Bürgermeister der Provinz Reggio Calabria in einem offenen Brief an Innenminister Marco Minniti. Die Zwangsverwaltung des Südens, einst als Ausnahme für mafiöse Stadtregierungen eingeführt, werde inzwischen zur Regel. In diesem "Klima des Verdachts" könne man nicht arbeiten.

Der Zeitpunkt des Aufschreis war freilich etwas unglücklich gewählt. Denn wenige Tage später brachte der lange vorbereitete Polizei-Einsatz "Terramara-Closed" neue Verdachtsmomente gegen lokale Regenten in den Südregionen.

Früh am Morgen des 12. Dezember schwärmten Hunderte Uniformierte aus: Carabinieri, Beamte der Polizia di Stato und der bewaffneten Finanzpolizei. Sie beschlagnahmten Güter und Waren im Wert von 25 Millionen Euro und nahmen 48 Personen fest. 44 wurden eingesperrt, vier kamen mit Hausarrest davon.

Unter den Verhafteten waren der ehemalige Bürgermeister und ein Ex-Stadtrat von Taurianova. Beide waren schon 2015 ihrer Ämter enthoben und durch Staatskommissare ersetzt worden. Den aus Rom gesteuerten Behörden gelang damals recht bald, was zuvor nicht gelingen wollte: Man fand den seit 20 Jahren gesuchten Ernesto Fazzialari, mutmaßlicher Vizechef der kalabrischen Mafia, die sich dort "‘Ndrangheta" nennt.

"...die Hälfte der Stadträte wandert ins Gefängnis"

21 Kommunen hat der römische Zentralstaat in diesem Jahr in seiner Südhälfte unter Kuratel gestellt. Mehr als in den beiden vergangenen Jahren zusammen. Von Trapani in Sizilien bis Manduria in Apulien, aber die meisten in Kalabrien, zwölf Kommunen. Manche davon nicht zum ersten Mal. Lamezia Terme, zum Beispiel, wird nunmehr schon zum dritten Mal vom Kommissar regiert. Das ist italienischer Rekord unter Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern. Vielleicht sogar Weltrekord. Insgesamt wurden seit 1991, als diese Maßnahmen eingeführt wurden, 290 Kommunalverwaltungen aufgelöst. Geändert hat es offenbar nichts, wie man jetzt sieht.

Andere kalabrische Orte, wie San Luca, können sowieso nur noch kommissarisch regiert werden. Sie finden entweder keinen Kandidaten für das Bürgermeisteramt oder nicht so viele Wähler, wie es das Gesetz vorschreibt. "Wenn wir hier einen Stadtrat wählen", erklärt ein alter Einwohner aus San Luca die Gemütslage vor Ort, dann werde der vermutlich "in zwei Monaten wieder aufgelöst und die Hälfte der Stadträte landet im Gefängnis".

Die Mafia regiert mit

Nach einem Bericht der "Direzione Nazionale Antimafia" (DNA) ist die Mafia in Kalabrien nicht nur in kriminellen Sparten, wie Drogen, Prostitution und illegale Müllbeseitigung aktiv. Sie kontrolliere längst "öffentliche Geldströme" und sei praktisch "in allen neuralgischen Sektoren der Politik präsent, von der öffentlichen Verwaltung bis zur Politik". Dabei sei sie teils "durch wichtige Exponenten in den Institutionen" vertreten, teils durch ihr zuarbeitende "freiberufliche Fachleute". So habe sich die ´Ndrangheta im politisch-öffentlichen-Bereich eine "geheime Kommandoebene" geschaffen. Die kontrolliere und steuere viele "lokale Institutionen" und entscheide sogar in vielen Kommunen und Provinzen, "wer Bürgermeister, Stadtrat oder hochrangiger Verwaltungsbeamter" wird, selbst "wer ins römische Parlament oder ins Europäische Parlament" komme.

Die Söhne der Bosse: Brutal ...

Was die Großväter und Väter aufgebaut haben, steht nun zum Erbe an. Da wird manches anders, aber nichts besser. Anders als die Altvorderen will die Verbrecher-Jungschar nicht still im Dunklen hocken und ihre Macht mit wenig Aufsehen ausüben. Sie will ihre Macht ausleben, demonstrieren – in der Realität wie im Netz.

Auch für die Gangsterjäger aus den Antimafia-Einheiten ist das ungewohnt. Bei der Pressekonferenz nach einer Razzia in der Umgebung von Reggio Calabria, berichteten sie, die verhafteten Bandenmitglieder seien "extrem jung" und "extrem arrogant" gewesen, fühlten sich als „absolute, unumstrittene Chefs“ und seien "außerordentlich gewaltbereit". So suchten sie, zum Beispiel, in großer Gruppe Bars und Restaurants auf, fingen Streit an, um dabei alles kurz und klein zu schlagen. Beim nächsten Besuch erwartet der Chef die jungen Mafiosi dann meist mit Gratis-Champagner und natürlich geht der Verzehr des Abends aufs Haus. Macht er das nicht, wird die Prügel-Show eben wiederholt. Das baut die Bande auf.

Oder, ein anderes Beschäftigungsmodell der Jung-Kriminellen: Sie erscheinen an einer Baustelle oder in einer Disko und teilen mit, dass deren Arbeitsplätze ab sofort von ihnen mit Personal besetzt würden. Wer etwas dagegen hat, wird übel zugerichtet.

Gewaltverliebte Netz-Narzisten

"Cumps" nennen sich die Mitglieder der kriminellen Horden, das ist die anglifizierte Form des Dialektwortes Cumpari, deutsch: Kumpel. Denn die seien fasziniert von anglo-amerikanischen Gangsterfilmen, so die Fahnder, und natürlich nicht von den Cops sondern von den Bösen, den ganz Bösen. Genauso, wie die sind, präsentieren sie sich im Netz: martialisch tätowiert und schwer bewaffnet. Klar, die Botschaft war immer Teil des Mafia-Terrors: Seht her, wir sind bewaffnet und zu allem bereit. Aber die neue Gangster-Generation findet sich und fühlt sich vor allem toll dabei, wenn sie bei Facebook mit Knarre protzt.

Damit sind die Cumps natürlich leichter von den Häschern der Justiz einzufangen. Gleich 50 von ihnen nahm die Polizei bei der Razzia nahe von Reggio Calabria auf einen Schlag fest. Und nahezu alle waren gut bekannt: Nicht nur von den eher unscharfen Bildern der Überwachungskameras an den Tatorten - betreffend Einbruch, Raub, Drogenhandel, Körperverletzung und so weiter - sondern auch von den vielen, gestochen scharfen Selbstdarstellungen der Verdächtigen im Internet. Die muss man dann nur noch zuordnen. „Das erleichtert unsere Arbeit deutlich“, sagt ein Anti-Mafia-Staatsanwalt, anonym, "die Cumps sind oft einfach nur doof".

Doch was hilft es? Von den 50 Inhaftierten sind 45 bald wieder draußen. Und für die anderen bietet sich haufenweise krimineller Ersatz an. Es gibt ja sonst keine Arbeit hier. "Das endet nie!"

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