Vorschlag soll im Juni vorgelegt werden Wegen Trump: Europa plant wohl schon Nato ohne die USA

In Europa bereitet man sich wohl auf eine Zeit vor, in der die USA den Kontinent nicht mehr beschützen. Beim Nato-Gipfel im Juni soll ein Plan vorgelegt werden.
Einige europäische Mitgliedsstaaten der Nato planen offenbar für eine Zeit ohne die Unterstützung der USA. Demnach soll Europa in fünf bis zehn Jahren wesentlich mehr Verantwortung für die Verteidigung des Kontinents unternehmen, berichtet die "Financial Times". Führend sind Großbritannien, Frankreich, die EU und Länder aus Skandinavien. Noch seien die Verhandlungen informell, aber strukturiert, berichten Insider der Zeitung.
Ziel soll ein Plan sein, die finanzielle und militärische Hauptlast des Bündnisses nach Europa zu verlegen. Er soll bereits im Juni auf dem Nato-Gipfel der USA vorgelegt werden. US-Präsident Donald Trump hatte immer wieder mehr finanzielles Engagement von den europäischen Nato-Partnern gefordert und auch damit gedroht, ihnen im Falle eines Angriffs nicht beizustehen. Trump geht es dabei vor allem um die finanziellen Beiträge.
CSU-Politiker fordert Verteidigungsunion
Zustimmung gibt es vom ehemaligen Europaabgeordneten und heutigen Präsidenten der Paneuropa-Union, Bernd Posselt. Der CSU-Politiker sagte in einem Interview mit dem "Merkur": "Ich bin seit Jahrzehnten der Meinung, dass wir uns weiterentwickeln müssen zu Vereinigten Staaten von Europa, mit einer supranationalen Verteidigungsunion und einer eigenen Armee". Er fordert eine EU-basierte Verteidigungsgemeinschaft mit einer klaren außen- und sicherheitspolitischen Kompetenz. Diese solle über die bereits angekündigte Koalition der Willigen hinausgehen.
Nach Angaben der britischen Regierung hat eine "beträchtliche Anzahl" an Ländern sich bereit erklärt, Soldaten zur Sicherung einer möglichen Waffenruhe in der Ukraine zu stellen. London erwarte, dass "mehr als 30 Länder" sich in der einen oder anderen Form an einer sogenannten Koalition der Willigen beteiligen würden, sagte ein Sprecher von Premierminister Keir Starmer am Montag vor Journalisten.
Bei den europäischen Verbündeten ist man gewarnt, spätestens als Trump für kurze Zeit die Militärhilfe und Lieferung von Geheiminformationen an die Ukraine aussetzte. Man will die Abhängigkeit von den USA verringern, heißt es. So gibt es bereits Überlegungen, dass europäische Truppen einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine überwachen könnten. Trump hatte eine Teilnahme abgelehnt.
Halten sich die USA noch an Abkommen?
Die USA haben noch etwa 80.000 Soldaten in Europa, auch wenn es Pläne gibt, einige abzuziehen. Außerdem sind unter anderem in Deutschland amerikanische Atomwaffen als Abschreckung Russlands stationiert. Frankreich hatte mehrfach angeboten, seinen Atomschirm auch weiter aufzuspannen. Auf einem EU-Gipfel hatten die EU-Staaten beschlossen, die Verteidigungsausgaben massiv zu erhöhen – gerade wegen der Bedrohung aus Russland.
Laut Bericht der "Financial Times" gibt es auch Bedenken gegen die Pläne, sich von den USA zu entfernen. Sie denken nicht, dass Trump seine Abzugspläne verwirklicht. Andere bezweifeln jedoch, dass Verhandlungen mit den USA noch sinnvoll sind. "Sie brauchen ein Abkommen mit den Amerikanern, und es ist unklar, ob sie bereit sein werden, es einzugehen", sagte ein Offizieller der Zeitung. "Kann man ihnen überhaupt vertrauen, dass sie sich daran halten?"
Unmöglich ist ein Alleingang Europas nicht. "Auch ohne die Vereinigten Staaten bietet die Nato eine Struktur für die sicherheitspolitische Zusammenarbeit in Europa", sagte Marion Messmer, Senior Research Fellow für internationale Sicherheit am Chatham House der Zeitung. "Es gibt Aspekte, die ersetzt werden müssten, sollte sich die USA zurückziehen."
Allerdings habe die Nato einen strukturellen und infrastrukturellen Rahmen, mit dem die Europäer sehr vertraut sind. Dies könne man nutzen, wenn man eine Struktur nur für europäische Mitglieder aufbauen wolle.
- merkur.de: "CSU-Politiker fordert Umdenken: ‚Es braucht eine EU-basierte Verteidigungsgemeinschaft‘"
- ft.com: "European military powers work on 5-10 year plan to replace US in Nato" (englisch, kostenpflichtig)