Waffenruhe gefährdet Netanjahu droht "Hamas-Monstern"

Erst übergibt die Hamas eine falsche Frauenleiche an Israel, dann explodieren bei Tel Aviv drei Busse. Jetzt soll die Armee ihren Einsatz im Westjordanland ausweiten.
Die Hamas hat nach Worten von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu statt der getöteten Geisel Shiri Bibas die Leiche einer Frau aus dem Gazastreifen an Israel übergeben. "Mit einem unvorstellbaren Zynismus haben sie nicht Shiri zusammen mit ihren kleinen Kindern übergeben, und haben die Leiche einer Frau aus dem Gazastreifen in den Sarg gelegt", erklärte Netanjahu. "Die Grausamkeit der Hamas-Monster hat keine Grenzen", fügte er hinzu.
"Wir werden entschlossen handeln, um Shiri nach Hause zu bringen", sagte Netanjahu zudem in einer Videobotschaft. "Die Hamas wird einen schweren Preis für diese grausame und perverse Verletzung des Abkommens zahlen."
Alle vier Leichen identifiziert
Die Hamas hatte im Rahmen des Waffenruheabkommens am Donnerstag vier Leichen an Israel übergeben. Dabei handelte es sich laut Hamas um vier der bei dem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 verschleppten Geiseln: Oded Lifshitz, Shiri Bibas und ihre beiden Söhne, Kfir und Ariel Bibas. Lifshitz wurde bereits am Donnerstag identifiziert. Am Freitag bestätigte die israelische Armee dann, dass es sich um die beiden Kinderleichen handele. Die vierte übergebene Leiche sei laut forensischen Untersuchungen jedoch nicht Shiri Bibas.
Kfir und Ariel Bibas waren die letzten Kinder, die nach ihrer Entführung noch in der Gewalt der Terrorgruppe im Gazastreifen waren. Die Entführer hatten den Moment damals per Video festgehalten. Die Bilder der beiden rothaarigen Jungen im Arm ihrer verzweifelten Mutter wurden in Israel zu einem Symbol für den brutalen Angriff der Islamisten und mit ihr verbündeter Gruppierungen.
Bibas-Kinder "brutal von Terroristen ermordet"
Die israelische Armee informierte unterdessen die Familie Bibas über den Tod der beiden Kinder Ariel und Kfir Bibas. Ariel sei zum Zeitpunkt seines Todes vier Jahre und Kfir zehn Monate alt gewesen.
Nach Einschätzung von Experten auf der Basis von Geheimdienstinformationen und forensischer Untersuchungsergebnisse seien "Ariel und Kfir im November 2023 in Gefangenschaft brutal von Terroristen ermordet worden". Nach Darstellung der Hamas waren sie bei einem israelischen Bombardement getötet worden. Der Vater der Kinder, Jarden Bibas, war kürzlich in Gaza freigelassen worden.
"Ein Übel und eine Grausamkeit, die ihresgleichen sucht"
Die Inszenierung der Leichenrückgabe löste international Empörung aus. Die Hamas hatte die vier Särge mit Fotos versehen und vor der Übergabe auf einer Bühne aufgereiht, daneben waren bewaffnete Kämpfer postiert. Im Hintergrund der Bühne war ein großes Plakat mit Fotos der Geiseln zu sehen, auf dem Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Vampir dargestellt war.
Ein ranghoher israelischer Beamter bezeichnete die Übergabe der Frauenleiche durch die Hamas als "zutiefst schockierend". "Wir wissen nicht, warum sie das getan haben. Das ist ein großer Vertrauensbruch." Israels UN-Botschafter Danny Danon sagte laut der "Times of Israel" in einer Mitteilung: "Dies ist ein neuer Tiefpunkt, ein Übel und eine Grausamkeit, die ihresgleichen sucht."
Die Hamas habe eine nicht identifizierte Leiche anstelle der Mutter von zwei ermordeten Jungen zurückgegeben, "als ob es sich um eine wertlose Lieferung handelte", wurde Danon zitiert. Die Terrororganisation verstoße auch nach dem Tod der Kinder "gegen alle moralischen Grundwerte".
Unklarheit über Waffenstillstand
US-Außenminister Marco Rubio hatte zuvor gefordert, die Hamas müsse "ausgerottet" werden. "Die Hamas ist das Böse – das reine Böse – und muss ausgerottet werden. ALLE Geiseln müssen JETZT nach Hause kommen", schrieb Rubio auf der Plattform X. Sein Beitrag erschien vor der Nachricht, dass es sich bei der Frauenleiche nicht um Shiri Bibas handele.
Unklar war nun zunächst, wie es mit der Umsetzung des Deals zwischen Israel und der Hamas nun weitergehen soll. Vier weitere Leichen sollten laut der islamistischen Terrororganisation in der kommenden Woche Israel übergeben werden. Zudem sollen am Samstag sechs weitere Geiseln im Rahmen des Abkommens zwischen Israel und der Islamistenorganisation freikommen.
Israel entgeht schwerem Terroanschlag
Neue Gewalt droht unterdessen auch im Westjordanland nach der Explosion von drei Bussen in einem südlichen Vorort von Tel Aviv. Bei der Explosion der Busse auf einem Parkplatz in der Stadt Bat Jam handelte sich nach israelischen Angaben um einen versuchten Terroranschlag. Ministerpräsident Netanjahu wies Israels Streitkräfte zu einem "intensiven Einsatz gegen Zentren des Terrorismus" im Westjordanland an.
In den drei Bussen waren laut "Times of Israel" mit Zeitzündern versehene Sprengsätze mit je fünf Kilo Sprengstoff platziert worden. In zwei weiteren Bussen fand die Polizei demnach Sprengsätze, die entschärft werden konnten. Verletzt wurde bei den Explosionen am späten Abend niemand, die Busse waren leer.
Busse sollten wohl Freitagmorgen explodieren
Nach Angaben des Polizeichefs von Tel Aviv fanden sich auf den nicht detonierten Sprengsätzen Botschaften, die auf einen Terrorangriff aus dem Westjordanland hindeuten. Diese in sozialen Medien verbreiteten Bilder sollen die brennenden Busse in Bat Jam zeigen:
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Wie Israels "Channel 12" berichtete, sollten die Sprengsätze in den Bussen eigentlich am Freitagmorgen während des Berufsverkehrs explodieren. "Wir hatten womöglich das Glück, dass die Terroristen die Zeitzünder an den Sprengsätzen falsch eingestellt haben", sagte Polizeisprecher Aryeh Doron. "Aber es ist noch zu früh, um das abschließend zu sagen." Auch das Büro von Ministerpräsident Netanjahu teilte mit, es habe sich um den Versuch einer Reihe von Bombenanschlägen gehandelt.
"Angesichts der versuchten schweren Terroranschläge im Raum Tel Aviv durch palästinensische Terrorgruppen habe ich die Armee angewiesen, ihre Antiterror-Maßnahmen in Tulkarem und anderen Flüchtlingslagern auszuweiten", hieß es in einer Mitteilung von Verteidigungsminister Israel Katz. "Wir werden die Terroristen bis zum bitteren Ende jagen und ihre Infrastruktur zerstören."
Beratungen über die Zukunft Gazas
Derweil kommen am Freitag in Saudi-Arabien morgen die Staats- und Regierungschefs Ägyptens und Jordaniens sowie der Golfländer zusammen, um über einen möglichen Wiederaufbau des Gazastreifens zu beraten. Geplant sei ein "informelles brüderliches Treffen" in Riad, wie die saudi-arabische Staatsagentur SPA berichtete. Es finde statt im Kontext vergangener Treffen dieser Art und als Vorbereitung auf das Gipfeltreffen in Kairo zur Lage in dem abgeriegelten und verwüsteten Gazastreifen, das für Anfang März geplant ist.
US-Präsident Donald Trump hatte mit einem umstrittenen Vorschlag, die rund zwei Millionen Bewohner Gazas dauerhaft in arabische Staaten umzusiedeln, Unruhe in der Region gestiftet. Ägypten, Jordanien und andere arabische Länder der Region lehnen solche Pläne strikt ab.
Ägypten will mit einem eigenen Plan für den Wiederaufbau des Gazastreifens verhindern, dass die USA und der Verbündete Israel den Vorschlag Trumps weiter vorantreiben. Israel lehnt eine Fortsetzung der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen ebenso ab wie eine Kontrolle des Gebiets durch die Palästinensische Autonomiebehörde.
- Nachrichtenagentur dpa
- timesofisrael.com: 3 buses explode in Bat Yam, Holon in suspected strategically planned terror attack