Gipfel bei Sankt Petersburg Beim Treffen mit Putin bricht offener Streit aus
Beim Treffen der Eurasischen Wirtschaftsunion weicht Alexander Lukaschenko vom Skript ab. Wladimir Putin schaut regungslos zu, wie gestritten wird.
Bei Spitzentreffen zwischen Wladimir Putin und Vertretern ehemaliger Sowjetrepubliken wird eigentlich nichts dem Zufall überlassen. Wenn es um öffentliche Übertragungen der Treffen geht, werden die sorgfältig abgewogenen Reden in der Regel streng nach Ablaufplan vorgetragen.
Doch bei einem Treffen von Putin mit Staats- und Regierungschefs aus Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgistan am Donnerstag gab es deutliche Unstimmigkeiten, wie die Nachrichtenagentur AP berichtet. Die Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion haben sich bei Sankt Petersburg getroffen, allerdings war der armenische Vertreter, Premierminister Nikol Paschinjan, nicht persönlich anwesend. Wegen einer Covid-Infektion, so der Bericht, hatte er über eine Videoschalte am Treffen teilgenommen.
Lukaschenko bietet Flugzeug an
Das wiederum schien Putins Verbündeten Alexander Lukaschenko nicht gepasst zu haben. Er ist derzeit der Vorsitzende der Union. Beim Treffen forderte er Paschinjan auf, bei der nächsten Zusammenkunft in Belarus persönlich anwesend zu sein. Doch dieser lehnte ab: Er wolle per Videoanruf teilnehmen. Lukaschenko, so die AP, fordert sogleich eine Erklärung und bot sogar an, den Premierminister mit einem belarussischen Flugzeug abzuholen.
Doch Paschinjan verwies darauf, dass er schon vorher die Entscheidung getroffen habe, die armenisch-belarussischen Beziehungen etwas abzukühlen und derzeit keine hochoffiziellen Besuche zu planen. Hintergrund ist die Unterstützung Lukaschenkos für Aserbaidschan, dem Hauptrivalen Armeniens in der Region.
Streit um Unterstützung von Aserbaidschan
Auch als Paschinjan darauf hinwies, dass diese Konferenz – und offenbar die öffentliche Übertragung – nicht das richtige Format für eine solche Diskussion sei, soll Lukaschenko sich weiter beklagt haben. Sowohl Putin als auch die anderen Vertreter hätten mit versteinerten Gesichtern dagesessen.
Der Zwist zwischen Lukaschenko und Paschinjan hat aber noch eine weitere Dimension. Armenien hat in letzter Zeit versucht, sich immer weiter vom russischen Einfluss zu lösen und eine engere Zusammenarbeit mit westlichen Staaten zu suchen. Im Juli 2024 warnte der Kreml Armenien davor, einen "ukrainischen Weg" einzuschlagen, und äußerte Bedenken hinsichtlich der vertieften Zusammenarbeit Armeniens mit der EU.
Zudem äußerte der armenische Premierminister Nikol Paschinjan Zweifel an der Rolle Russlands als wichtigster Bündnispartner und stellte die Effektivität der russischen Sicherheitsgarantie infrage.
Die Eurasische Wirtschaftsunion wurde vor einem Jahrzehnt gegründet, um stärkere Geschäftsbeziehungen zu fördern und den Handel zwischen ihren Mitgliedern zu erleichtern, aber sie wird zunehmend durch wirtschaftliche und andere Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern beeinträchtigt.
- apnews.com: "Russia to assume chair of Eurasian Economic Union as Armenia tensions linger" (englisch)
- faz.net: "Russland warnt Armenien vor ukrainischem Weg"