t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikAusland

China schießt gegen Deutschland: Xi Jinpings olympisches Machtspiel


Xi Jinpings Machtspiel
Die Wut ist groß


14.08.2024Lesedauer: 6 Min.
Nachrichten
Wir sind t-online

Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
Xi Jinping: Um seine geostrategischen Ziele zu erreichen, setzt China auch auf die Zusammenarbeit mit dem Iran.Vergrößern des Bildes
Xi Jinping: China möchte von den Erfolgen seiner Sportlerinnen und Sportler bei den Olympischen Spielen in Paris politisch profitieren. (Quelle: imago-images-bilder)

Eigentlich wollte Xi Jinping bei den Olympischen Spielen einen Medaillenregen feiern und eine Charmeoffensive starten. Stattdessen steht China wegen Dopingvorwürfen am Pranger – und wehrt sich.

Es war einer dieser Momente bei den Olympischen Spielen in Paris, die das internationale Publikum besonders rührten. Nachdem die Chinesin Huang Yaqiong im Badmintondoppel die Goldmedaille gewonnen hatte, wurde sie von ihrem Partner – dem Badmintonspieler Liu Yuchen – mit einem Blumenstrauß überrascht. Unter dem Jubel der Halle ging er auf die Knie, machte ihr einen Heiratsantrag, steckte ihr daraufhin einen Ring an den Finger. Danach winkten beide dem Publikum zu.

Diese Szene steht sinnbildlich dafür, wie sich chinesische Athletinnen und Athleten nach Xi Jinpings Willen in Frankreich präsentieren sollten. Nicht nur erfolgreich, sondern auch nahbar, emotional und immer mit einer ausgestreckten Hand in Richtung der Sportler anderer Nationen. Während bei vergangenen Spielen chinesische Delegationen oft Abstand zum Rest der Welt hielten, gab es nun öffentliche Umarmungen und Jubel – auch mit westlichen Vertretern.

Dabei liegt eines auf der Hand: Für China sind die Olympischen Spiele ein politisches Machtspiel, ein Kräftemessen mit dem größten Rivalen, den USA. Darüber hinaus war offenbar seitens der chinesischen Führung eine Charmeoffensive geplant. Ohne Anordnung würden chinesische Sportlerinnen und Sportler freundschaftliche Bilder mit westlichen Athleten nicht produzieren, denn ihre sportliche Zukunft ist auch immer von der Gunst der chinesischen Führung abhängig.

Aber der Plan des chinesischen Präsidenten ging nicht auf. Zwar steht China am Ende der Spiele im Medaillenspiegel auf Augenhöhe mit den USA, doch vor allem die chinesischen Goldschwimmerinnen und -schwimmer stehen aufgrund von Dopingvorwürfen international am Pranger. Die Wut darüber ist in der Volksrepublik groß, und chinesische Staatsmedien schießen auch gegen Deutschland.

Sportlicher Erfolg nach politischem Bauplan

Für China ist der Leistungssport ein wichtiges Element seiner "Soft Power", also eine Möglichkeit, Machtpolitik durch die Beeinflussung anderer Akteure ohne die Verwendung von wirtschaftlichen Anreizen oder militärischer Bedrohungen auszuüben. Ein Beispiel dafür war etwa die chinesische "Pingpong-Diplomatie" in den 1970er-Jahren, wo Freundschaftsspiele im Tischtennis zu einer Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik führten.

Empfohlener externer Inhalt
X
X

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Parallel zum Aufstieg Chinas zur wirtschaftlichen und militärischen Supermacht sollten auch chinesische Sportlerinnen und Sportler den USA bei sportlichen Großevents wie den Olympischen Spielen Konkurrenz machen. Der Aufstieg zu einer Großmacht im Sport erfolgte seit der Jahrtausendwende mit Blick auf die Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking. Die Volksrepublik holte rasant auf und gewann bei den heimischen Spielen erstmals die meisten Goldmedaillen.

Doch welchen Preis hatte die enorme Geschwindigkeit, mit der China die Weltspitze in einigen Sportarten ein- oder überholte?

Die Ausbildung chinesischer Sportlerinnen und Sportler beginnt im frühen Kindesalter. Sie erwartet harter Drill, Tausende Wiederholungen, Disziplin und ein immenser Leistungsdruck. Daraus resultierte bei vielen chinesischen Olympioniken in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine Verbissenheit und die Einstellung, unbedingt gewinnen zu müssen.

Die chinesische Strategie in Paris dokumentierte nun eine gewisse Kurskorrektur. Chinesische Athletinnen und Athleten sollten offenbar nicht nur erfolgreich sein, sondern auch sympathisch. Dass es in Paris auch um eine Charmeoffensive ging, wird in zahlreichen Artikel der chinesischen Staatsmedien deutlich. Die "China Daily" schrieb etwa: "Bei den Olympischen Spielen in Paris kam es zu wunderbaren Bekundungen von Freundschaft und Kameradschaft." Das ist mit Blick auf die gegenwärtigen Spannungen zwischen China und dem Westen durchaus bemerkenswert.

Doch Xi Jinping könnte die Idee verfolgen, dass seine Sportlerinnen und Sportler international Vorbilder sein sollen, ähnlich wie er sein Land als politisches Vorbild für andere Staaten inszenieren möchte. Darüber hinaus ist China aktuell aus wirtschaftlichen Gründen an guten Beziehungen zu westlichen Staaten interessiert.

Dopingvorwürfe gegen Chinas Schwimmteam und die WADA

Der chinesische Präsident inszenierte sich bereits selbst als Hobbysportler. Der 71-Jährige hatte in der Vergangenheit erklärt, dass er täglich einen Kilometer schwimmen gehe. Als Xi im Jahr 2017 das Hauptquartier des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Lausanne besuchte, schmeichelte ihm IOC-Präsident Thomas Bach: "Präsident Xi ist ein echter Champion, und ich möchte ihm eine Reihe von Medaillen überreichen, weil er eine klare Vorstellung von der wichtigen Rolle des Sports in der Gesellschaft hat."

In Paris waren ausgerechnet die 23 chinesischen Schwimmerinnen und Schwimmer und ein angeblich mit einem Dopingmittel kontaminierter Hotelsuppentopf schuld daran, dass dieses Bild erneut ins Wanken gerät.

Durch Medienrecherchen wurde bekannt, dass alle 23 chinesischen Schwimmerinnen und Schwimmer bei einem nationalen Wettkampf in China Anfang 2021 positiv auf das Herzmittel Trimetazidin getestet worden sind. Sie wurden jedoch nicht gesperrt, wie es bei positiven Tests eigentlich üblich ist.

Peking tischte der globalen Anti-Doping-Agentur WADA die Erklärung auf, dass Trimetazidin versehentlich in das Essen eines Hotels gekommen sei, und die WADA legte den Fall zu den Akten, obwohl nicht einmal alle Sportlerinnen und Sportler in dem Hotel zu Gast gewesen waren. Hinzu kam, dass während der Spiele in Paris bekannt wurde, dass zwei chinesische Schwimmer von der chinesischen Anti-Doping-Agentur (CHINADA) freigesprochen wurden, obwohl sie im November 2022 positiv auf das Steroid-Dopingmittel Methandienon getestet worden waren. Auch hier führte China eine Kontamination als Grund an.

Dabei kennt die WADA auch bei versehentlichem Doping mit Methandienon keine Gnade und es folgt eigentlich eine Sperre – nicht so im Umgang mit China. Das löste während der Olympischen Spiele in Frankreich große Empörung aus. Der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt erklärte in der "Sportschau" am 10. August: "Die WADA macht sich der Vertuschung verdächtig." Das IOC wiederum versucht sich mit dem Verweis auf die globale Anti-Doping-Agentur aus der Verantwortung zu biegen.

Loading...
Loading...

Am Ende passiert das, was Xi Jinping eigentlich vermeiden wollte: Seine Schwimmerinnen und Schwimmer wurden teilweise in der olympischen Schwimmhalle von Paris ausgebuht. Chinas Siege hatten einen Beigeschmack.

China geht in die Offensive

Peking musste reagieren und läutete einen medialen Gegenangriff ein, um die Meinungshoheit in der Debatte zu gewinnen. Die Kampagne, die über Chinas soziale Netzwerke und Staatsmedien vorangetrieben wurde, zielte auch auf deutsche Medien wie die ARD und das ZDF.

In einem Video, welches etwa auf der chinesischen Plattform Weibo (微博) verbreitet wurde, heißt es: "Lass uns schauen, wie der Kommentator Volker Grube vom deutschen ZDF-Fernsehen Arroganz und Vorurteile gegenüber den chinesischen Sportlern zeigt." In dem über siebenminütigen Beitrag werden dem deutschen Fernsehen – auf Chinesisch und mit englischen und deutschen Untertiteln – "hetzerisches Verhalten", "Arroganz" und "Vorurteile" vorgeworfen. Die Unschuldsvermutung würde in Deutschland nicht mehr gelten.

Die Anschuldigungen fallen in China auf fruchtbaren Boden, das Video hat Zehntausende Likes. Keine Überraschung, denn die chinesische Führung propagiert immer wieder, dass der Westen den Aufstieg der Volksrepublik bremsen wolle. Das gelte auch für den Sport.

Aber auch im Umgang mit den Dopingvorwürfen sind die Vereinigten Staaten der Hauptgegner. Chinesische Medien wie die Nachrichtenseite "Global Times", die auch staatlich kontrolliert wird, schreiben über eine sportliche Pattsituation bei den Spielen. Für Peking ist das ein wichtiges politisches Symbol, weil damit auch die sportliche Hegemonie der Amerikaner vorbei ist. Die "Global Times" wirft den USA nun Doppelmoral und die Verleumdung der chinesischen Sportler vor. "Mit einem starken Konkurrenten konfrontiert, sind die USA bereit, die Regeln zu beugen, Gegner zu verleumden und internationale Organisationen zu manipulieren, um sich den Sieg zu sichern." Chinesische Athleten dagegen seien "sauber" und oft getestet worden.

Der Vorwurf der Doppelmoral hat zumindest einen faktischen Kern. Denn auch der US-Sprinter Erriyon Knighton wurde in diesem Jahr positiv auf das verbotene Steroid Trenbolon getestet. Seine Erklärung: kontaminiertes Ochsenfleisch. Knighton durfte an den Spielen in Paris teilnehmen. Diese Schieflage in der Dopingdebatte macht es der chinesischen Führung einfach, den Ball zurück in die Hälfte des Westens zu spielen. Kritische Kommentare über Doping durch China werden in den sozialen Netzwerken gelöscht, wohingegen Debatten über US-Sportlerinnen und -Sportler zugelassen werden, deren Gesichter in Paris angeblich durch Doping unverhältnismäßig lila seien.

Diese chinesische Wut zeigt vor allem, dass Xi Jinping die Olympischen Spiele nicht vollständig für sich politisch so nutzen konnte, wie er es eigentlich geplant hatte. Für China und die USA waren die Wettkämpfe in Paris mehr als "nur" Sport. Doch es gibt durchaus auch hier einen Unterschied zwischen Demokratie und Autokratie: Während westliche Dopingsünder – wie etwa Lance Armstrong – gesellschaftlich geächtet werden, tragen chinesische Sportlerinnen und Sportler aus der Perspektive der chinesischen Führung zu den politischen Zielen des Landes bei. Sollten sie wegen Dopings gesperrt werden, wäre ihnen weiterhin Xi Jinpings Rückendeckung sicher – und die meisten Chinesinnen und Chinesen würden das durch die Zensur wahrscheinlich niemals erfahren.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website