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Diese Gefangenen wurden ausgetauscht


Internationaler Deal
Diese Gefangenen wurden ausgetauscht

Von dpa
Aktualisiert am 02.08.2024Lesedauer: 6 Min.
«Tiergartenmord»-Prozess in BerlinVergrößern des Bildes
"Tiergartenmörder" Wadim K. wurde in Berlin verurteilt. (Archivbild) (Quelle: Christophe Gateau/dpa/dpa-bilder)

Seit Monaten wurde über einen Gefangenenaustausch des Westens mit Russland spekuliert. Nicht nur der in Berlin verurteilte "Tiergartenmörder" spielt dabei eine zentrale Rolle.

Bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten sind zahlreiche Inhaftierte freigekommen. Der Kreml bestätigte, dass insgesamt 13 Personen von Präsident Wladimir Putin begnadigt wurden. Die Deutsche Presse-Agentur nennt die bekanntesten Namen:

"Tiergartenmörder" Wadim K.

Mehr als ein Jahr saß Wadim K. im Berliner Kammergericht auf der Anklagebank. Am 15. Dezember 2021 verurteilten die Richter den Russen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe - für den Mord an einem Georgier am 23. August 2019 in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten. Die Auftraggeber für den Mord saßen nach Überzeugung des Gerichts in Russland. Der Georgier stand laut Urteil seit langem im Visier der Russischen Föderation, weil er während des zweiten Tschetschenien-Krieges mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt hat. Kremlchef Wladimir Putin nannte das Mordopfer später öffentlich einen "Banditen", "Mörder" und "blutrünstigen Menschen".

Der Russe hatte zu Beginn des Prozesses im Oktober 2020 über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Wadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Eine Legende, so die Richter. Wadim K. sei als Tourist getarnt und am Tag vor der Tat nach Berlin gereist. Der heute 58-Jährige nahm das Urteil damals regungslos hin. Auf Rechtsmittel verzichtete er. Später wurde der "Tiergartenmörder" aus einem Hochsicherheitstrakt des Berliner Gefängnisses Tegel aus Sicherheitsgründen mehrmals von einer Haftanstalt zur nächsten verlegt und saß nach dpa-Informationen zuletzt im baden-württembergischen Offenburg ein.

Evan Gershkovich

Der 32 Jahre alte US-Reporter Evan Gershkovich wurde Mitte Juli in einem umstrittenen Prozess wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Der Russland-Korrespondent des US-Magazins "Wall Street Journal" war im März 2023 auf einer Reportage-Reise in Jekaterinburg am Ural vom russischen Geheimdienst FSB festgenommen worden. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe geheime Informationen über Russlands Rüstungskomplex für US-Stellen gesammelt. Das "Wall Street Journal" wies das zurück. Gershkovich sei mit einer offiziellen Akkreditierung seiner Arbeit nachgegangen.

Die US-Regierung forderte über Monate die Freilassung des Journalisten. Mehrere US-Medien zogen nach seiner Festnahme eigene Korrespondenten aus Moskau ab, weil sie politische Verfolgung ihrer Mitarbeiter durch den russischen Staat befürchteten. Beobachter in Moskau deuteten schon die schnelle Verurteilung Gershkovichs als möglichen Hinweis darauf, dass es bald eine Einigung mit der US-Seite geben könnte. In der Regel muss nach russischer Justizpraxis ein Urteil vorliegen, bevor es zu einem Austausch kommen kann.

Paul Whelan

Der 54 Jahre alte ehemalige US-Soldat Paul Whelan wurde bereits im Juni 2020 von einem russischen Gericht wegen angeblicher Agententätigkeit zu 16 Jahren Straflager verurteilt. Davor hatte er rund anderthalb Jahre lang in Haft gesessen. Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, soll nach Darstellung des FSB als Spion auf frischer Tat ertappt worden sein. Er soll geheime Daten auf einem USB-Stick erhalten haben.

Whelan beteuerte vehement seine Unschuld und sprach von einem politisch motivierten Urteil. Nach Darstellung der Verteidigung ging er bei einem seiner vielen Besuche in Moskau vielmehr davon aus, dass es sich lediglich um private Inhalte auf dem Datenträger gehandelt habe. Er war demnach bei der Hochzeit eines Freundes in Moskau gewesen, als der Zugriff des FSB erfolgte. Die US-Regierung forderte wiederholt die Freilassung Whelans, weil in dem Verfahren keine Beweise vorgelegt worden seien. Es gab außerdem Kritik an den Haftbedingungen. Whelan erkrankte bereits in der Untersuchungshaft schwer und musste notoperiert werden.

Rico K.

Der 30 Jahre alte Deutsche wurde Ende Juni in Belarus (früher Weißrussland) zum Tode verurteilt. Der Vorwurf: Söldnertum und Terrorismus, angeblich hatte sich Rico K., Rettungssanitäter aus Hildesheim, vom ukrainischen Geheimdienst SBU als Söldner anwerben lassen. Da Belarus als letztes Land in Europa die Todesstrafe vollstreckt, war die Sorge auch im Auswärtigen Amt groß. Berlin kritisierte den Umgang mit dem Mann als "unerträglich", nachdem er im Staatsfernsehen vorgeführt worden war und sich schuldig bekannt hatte. Bei dem Auftritt bat er Machthaber Alexander Lukaschenko um Begnadigung und die Bundesregierung um Hilfe.

Lukaschenko hob das Todesurteil gegen den Mann am Donnerstag vergangener Woche nach einer Unterredung mit Ermittlern und dem Anwalt auf. Die von Minsk als humanitäre Geste dargestellte Entscheidung galt auch als Zeichen des bevorstehenden Gefangenenaustauschs. Belarus hatte selbst mitgeteilt, dem Auswärtigen Amt in Berlin ein Verhandlungsangebot gemacht zu haben.

Wladimir Kara-Mursa

Der 42-Jährige gehört zu den prominentesten Oppositionellen in Russland. Er war im April 2023 unter dem Vorwurf des Hochverrats zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Der beispiellose Richterspruch löste weltweit Entsetzen aus. Zuletzt waren die Sorgen um den seit langem gesundheitlich schwer angeschlagenen Politiker groß. Seine Frau Jewgenija Kara-Mursa schlug immer wieder Alarm in sozialen Netzwerken – vor allem als der Kontakt nach einer Verlegung ihres Mannes in ein sibirisches Haft-Krankenhaus komplett abbrach.

Kara-Mursas Ehefrau erinnerte daran, dass ihr Mann nach zwei Vergiftungsattacken an einer chronischen Erkrankung leide. Seinem Anwalt zufolge war Kara-Mursa im Juni für zunächst geplante sechs Monate in eine Zelle mit erschwerten Haftbedingungen verlegt worden. Solche besonders engen Zellen sind häufig genutzte Schikanen der Wärter im Straflager für politische Gefangene. Unterstützt wird Kara-Mursa etwa auch von dem Kremlgegner und früheren Ölmanager Michail Chodorkowski, der selbst einst durch deutsche Vermittlung aus dem Straflager befreit worden war.

Ilja Jaschin

Der 41-Jährige Politiker gehört zu den schärfsten Kritikern von Kremlchef Wladimir Putin. Jaschin blieb in Russland, als viele andere Kremlgegner schon ins Ausland geflüchtet waren. Weil er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine anprangerte und vor allem die Soldaten seiner Heimat für das Massaker an Zivilisten in Butscha in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew verantwortlich machte, wurde er im Dezember 2022 wegen Verunglimpfung der Armee zu achteinhalb Jahren Straflager verurteilt.

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"Putin ist ein Kriegsverbrecher, aber hinter Gittern bleibe ich", wandte sich Jaschin an das Gericht. "Das ist doch eine komische Situation, finden Sie nicht?" Bekannt ist er auch für seine politische Nähe zu dem Oppositionsführer Alexej Nawalny, der im Februar im Straflager in der Arktisregion starb, und zu dem in Kremlnähe erschossenen früheren Vize-Regierungschef Boris Nemzow.

Oleg Orlow

Der 71-Jährige gehört zu den bekanntesten Menschenrechtlern und mutigsten Kämpfern für Gerechtigkeit in Russland. Auch der Mitgründer der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation Memorial wurde wegen Kritik an Putins Krieg zu Lagerhaft verurteilt, und zwar zu zweieinhalb Jahren. Das für den Friedensnobelpreis zuständige norwegische Nobelkomitee kritisierte die Verurteilung des Aktivisten als politisch motiviert.

Orlow war selbst immer wieder bei Gerichtsprozessen gegen Andersdenkende als Beobachter dabei. Er machte sich vor allem wegen seiner von vielen geschätzten Zivilcourage einen Namen als Kritiker russischer Justizwillkür. Auch er blieb trotz der Gefahr einer Inhaftierung in Russland, um weiter im Land gegen politische Repressionen zu kämpfen. Memorial hatte 2022 für die Dokumentation von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch in der ehemaligen Sowjetunion und im postsowjetischen Russland den Friedensnobelpreis erhalten.

Alsu Kurmasheva

Ein russisches Gericht verurteilte die US-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva erst vor wenigen Tagen zu sechseinhalb Jahren Strafkolonie wegen angeblicher Falschmeldungen über die Armee. Anlass für das Urteil war ein von ihr im November 2022 veröffentlichtes Buch mit dem Titel "Nein zum Krieg. 40 Geschichten von Russen, die sich gegen die Invasion der Ukraine wehren", wie die russische Oppositionsplattform "meduza" mitteilte. Kurmasheva, die für das tatarische Programm des US-Auslandssenders Radio Freies Europa/Radio Liberty (RFE/RL) arbeitet, war seit Oktober inhaftiert.

Weitere russische Gefangene

Freigelassen wurden auch weitere russische politische Gefangene, darunter die Künstlerin Alexandra Skotschilenko und die früheren Leiterinnen der Regionalstäbe des Kremlgegners Nawalny, Lilija Tschanyschewa aus Ufa und Xenia Fadejewa aus Tomsk. Auch der Nawalny-Mitarbeiter Wadim Ostanin kam in Freiheit.

Alle sind Gegner des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und erhielten langjährige Strafen. Der Westen hatte die Urteile als Justizwillkür kritisiert und die Freilassung der Gefangenen gefordert. In Freiheit kam auch der 19 Jahre alte Deutsch-Russe Kevin L., der im Dezember 2023 wegen Landesverrats zu vier Jahren Haft verurteilt worden war.

Anfang Juli hatte der Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow, der die in Russland inzwischen verbotene kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" gegründet hatte, in einer Videobotschaft öffentlich westliche Staaten aufgefordert, bei der Freilassung inhaftierter Kremlgegner zu helfen. Sechs der nun freigelassenen standen auf seiner Liste, die elf Namen umfasst. Aufgeführt waren zudem die Theaterregisseurin Jewgenija Berkowitsch, die Dramaturgin Swetlana Petrijtschuk, der Aktivist Igor Baryschnikow, der Lokalpolitiker Alexej Gorinow und die Kinderärztin Nadeschda Bujanowa. In den Straflagern sitzen auch nach dem Austausch weiter Dutzende politische Gefangene.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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