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Israel – Gaza: Bodenoffensive schreitet voran – wird Gaza-Stadt eingekesselt?


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Israel weitet Bodenoffensive aus
"Die harte Wahrheit" kommt erst noch


31.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Offensive gegen den Gazastreifen: Ein israelischer Panzer patrouilliert an der Grenze zum Palästinensergebiet. (Quelle: reuters)
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Israelische Truppen dringen immer tiefer in den Gazastreifen ein. Noch bleiben die Kampfhandlungen begrenzt. Doch die echte Herausforderung wartet wohl noch.

Die Bodeneinsätze der israelischen Truppen im Gazastreifen schreiten immer weiter voran. "Die kommenden Wochen werden Widerstandsfähigkeit und Geduld von uns allen verlangen", sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Dienstag. Bereits am Samstag hatte Premierminister Benjamin Netanjahu von einer "zweiten Phase" des Kriegs gegen die Terrororganisation Hamas gesprochen.

Panzer der Streitkräfte Israels operieren schon südlich von Gaza-Stadt. Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung der palästinensischen Küstenenklave, die Salah-al-Din-Straße, wurde zudem unterbrochen. Beginnt Israels Armee nun mit der Einkesselung der Großstadt? Oder testen die israelischen Truppen lediglich die Verteidigungsfähigkeiten der Hamas-Terroristen, um einen umfassenden Angriff auf deren Stellungen zu unternehmen?

Wie verläuft Israels Bodeneinsatz im Gazastreifen bisher?

Laut Jonathan Conricus, einem Sprecher der israelischen Streitkräfte, führen Soldaten aktuell in "verschiedenen Teilen des nördlichen Gazastreifens" Operationen durch. Laut Angaben der Armee gibt es dabei "heftige Kämpfe" mit Terroristen der Hamas, die "tief im" Gazastreifen stattfänden. Waffen und Sprengstoff von "Zellen" der Terrororganisation seien beschlagnahmt worden.

Israels Streitkräfte setzen im Gazastreifen neben Bodentruppen auch Panzer, schwer gepanzerte Fahrzeuge und Bulldozer ein. Zudem fliegt die Luftwaffe weiter Angriffe auf das Palästinensergebiet: Rund 300 Ziele sollen dabei allein am Dienstag angegriffen worden sein.

Ende vergangener Woche hatten die israelischen Truppen ihre Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen. Dabei drangen Einheiten sowohl vom Norden als auch etwas weiter südlich auf Höhe des Ortes Juhor ad-Dik in die Küstenenklave ein. Von dort aus wurde laut dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) eine Schneise zur Salah-al-Din-Straße eingerichtet. Diese verläuft von Norden nach Süden durch den Gazastreifen. Augenzeugen berichteten laut der britischen Zeitung "The Guardian", dass es bereits Militäroperationen in Außenbezirken von Gaza-Stadt gegeben haben soll.

Der Militäranalyst Fabian Hinz vom Thinktank Institute for Strategic Studies (IISS) bezeichnete die bisherigen Operationen der israelischen Truppen im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" als "bewaffnete Aufklärung". So sei bisher die Verteidigung der Hamas-Terroristen getestet worden, um eventuelle Operationen tiefer im feindlichen Gebiet vorzubereiten. Zudem erlaube das graduelle Vorgehen – ohne die große Bodenoffensive auszurufen – es Israel, eine größere Eskalation zunächst zu vermeiden. So hatten der Iran und die Terrororganisation Hisbollah im Südlibanon bereits mit einem Eingreifen gedroht, sollte Israel die Bodenoffensive starten.

Wie könnte die israelische Taktik aussehen?

Experten erwarten einerseits eine Einkesselung von Gaza-Stadt, andererseits aber auch ein langsames Vorantasten der israelischen Streitkräfte. Vieles bleibt jedoch noch im Unklaren: "Alles passiert im Dunklen", sagte der Militärexperte vom Londoner King's College, Andreas Krieg, der "New York Times". Seiner Ansicht nach gebe es selbst in Israel lediglich "eine kleine Gruppe von Menschen, die wirklich wissen, was passiert".

In den aktuellen Operationen der israelischen Truppen nördlich und südlich von Gaza-Stadt sieht Michael Knights, Militäranalyst der US-Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy, Vorbereitungen für eine künftige Offensive. Die israelischen Truppen "bringen sich in eine Position, von der sie beobachten und kontrollieren können, was nach Gaza-Stadt hineingeht und was herauskommt", sagte er dem "Wall Street Journal". Zivilisten, die sich nach israelischer Aufforderung in Richtung Süden evakuieren sollen, könnten die Stadt weiterhin verlassen. Gleichzeitig seien die Nachschubwege der Hamas-Terroristen blockiert.

Warum geht Israels Armee bisher offenbar eher langsam vor?

Das könnte zumindest teilweise daran liegen, dass der internationale Druck auf Israel wächst. Am Freitag wurde eine UN-Resolution mit Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet, die unter anderem eine "sofortige, dauerhafte und nachhaltige humanitäre Waffenruhe" im Gazastreifen fordert. 120 Länder stimmten dafür, 14 dagegen, Deutschland und 44 weitere Staaten enthielten sich. Wenn weite Teile Gazas etwa durch israelische Luftschläge zerstört werden und die Zahl der zivilen Todesopfer weiter steigt, könnte die Unterstützung Israels weiter abnehmen.

Bisher sollen laut Angaben des Hamas-geführten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen mehr als 8.500 Menschen durch israelische Angriffe getötet worden sein. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Terroristen der Hamas hatten bei ihrem Angriff auf Israel am 7. Oktober gut 1.400 Menschen getötet, der Großteil von ihnen Zivilisten.

Ein weiterer Grund für das eher bedachte Vorrücken der israelischen Armee könnten die rund 220 Geiseln sein, die sich noch immer in der Hand der Hamas-Terroristen befinden. Der Militärexperte Eitan Shamir sagte dem "Spiegel", dass Israel seinen Griff um Gaza-Stadt nur langsam verstärke, um Druck auf die Freilassung der Geiseln aufzubauen. "Sie müssen das Messer an ihrer Kehle spüren, damit sie nicht weiter verzögern wie bisher", so Shamir.

Nicht zuletzt hat die Terrororganisation Hamas die Stadt Gaza unterirdisch zu einer Festung ausgebaut. Mehrere Hundert Kilometer eines komplexen Tunnelsystems sollen sich unterhalb der Stadt befinden, in der vor den Evakuierungen noch mehr als eine halbe Million Menschen lebten. Die israelische Armee nennt dieses System in Anlehnung an U-Bahn-Linien "Metro". Sie gelten als ein Schlüsselziel der israelischen Offensive.

Video | Aus diesen Tunnelsystemen feuert die Hamas auf Israel
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Quelle: t-online

Warum sind die Hamas-Tunnel so gefährlich?

Die islamistischen Terroristen könnten ihr Tunnelsystem sowohl für offensive als auch für defensive Aktionen nutzen. "In der Defensive wird die Hamas Tunnel benutzen, um der Beobachtung und den Angriffen der IDF zu entgehen. Jegliche militärische Kapazität der Hamas, die Israels derzeitige Luftangriffe überlebt, wird sich größtenteils tief im Untergrund befinden", konstatiert John Spencer vom Modern War Institute an der US-Militärakademie West Point.

"Die Hamas wird ihre Führung, ihre Kämpfer, ihr Hauptquartier, ihre Kommunikation, ihre Waffen und ihre Vorräte wie Wasser, Lebensmittel und Munition bereits in ihren Tunnelkomplexen untergebracht haben, um sich auf den Bodenangriff der israelischen Streitkräfte vorzubereiten." Mithilfe der Tunnel können sich Hamas-Terroristen zudem schnell von A nach B bewegen und so möglicherweise dem Zugriff israelischer Truppen entziehen.

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"Offensiv ermöglichen die Hamas-Tunnel den Kräften der Gruppe geschützte und überraschende Angriffe", erklärt Spencer, der Experte für den Stadtkampf ist. "Sie werden die Tunnel nutzen, um sich hinter IDF-Stellungen einzuschleichen und israelische Streitkräfte zu überraschen, die möglicherweise nicht so gut auf den Kampf vorbereitet oder ausgerüstet sind wie diejenigen, die an der Spitze der Kampagne stehen." Er bezeichnet die Tunnel als "entscheidendes Element der Guerillakriegsstrategie" der Hamas-Terroristen.

Was könnten die nächsten Schritte der israelischen Truppen sein?

Das erklärte Ziel der israelischen Offensive gegen den Gazastreifen ist die Vernichtung der Terrororganisation Hamas. Das hat Premierminister Netanjahu am Montag erneut unterstrichen. Er appellierte an die Verbündeten seines Landes, Israel darin zu unterstützen.

Früher oder später wird Israel dafür Bodentruppen auch in Gaza-Stadt einsetzen müssen. Denn dort werden die Kommandostellen der Hamas vermutet. Und dort verstecken sich mutmaßlich die meisten der Terroristen in ihren Tunneln. Im Stadtteil Rima befindet sich etwa das Al-Shifa-Krankenhaus, unter dem laut israelischen Angaben das Hauptquartier der Hamas-Terroristen liegen soll. Mehr dazu lesen Sie hier.

"Wir sind noch nicht in der Phase des Stadtkampfes, in der es sehr, sehr chaotisch wird", sagte Militärexperte Andreas Krieg der "New York Times". Auch der Experte für Stadtkampf, John Spencer, erwartet, dass Israel schon bald in die urbane Kriegsführung wechseln werden müsse – trotz seiner vielen Spezialwaffen im Kampf gegen die Tunnel der Hamas. Mehr zu einer dieser Waffen lesen Sie hier.

"Die harte Wahrheit ist, dass die Tiefe und das Ausmaß der Hamas-Tunnel im Gazastreifen die spezialisierten Fähigkeiten Israels übersteigen werden", meint Spencer. Es werde womöglich darauf hinauslaufen, dass die israelische Armee Infanterie und Ingenieure schicken werde, die mit den Tunneln fertig werden müssen. Und dort könnten seiner Einschätzung nach auch Geiseln und Zivilisten positioniert sein, die als menschliche Schutzschilde dienen.

Verwendete Quellen
  • mwi.westpoint.edu: "Underground nightmare: Hamas tunnels and the wicked problems facing the IDF" (englisch)
  • wsj.com: "Israeli Forces Make Major Advance Toward Gaza City" (englisch)
  • nytimes.com: "Under Shroud of Secrecy, Israel Invasion of Gaza Has Begun" (englisch)
  • spiegel.de: "Ist das die Bodenoffensive – oder bloß "bewaffnete Aufklärung"?" (kostenpflichtig)
  • theguardian.com: "Israeli forces appear to be advancing on Gaza City from two sides" (englisch)
  • understandingwar.org: "Iran Update, October 30,2023" (englisch)
  • taz.de: "Vorrücken nach Gaza-Stadt"
  • zeit.de: "Aktuelle Karten und Grafiken zum Krieg in Israel"
  • mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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