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Israel: Warum die Justizreform die Demokratie gefährdet


Umstrittene Justizreform
Was droht jetzt in Israel?

Von t-online, dpa, afp, reuters, sje

24.07.2023Lesedauer: 3 Min.
Proteste in Jerusalem: Seit Monaten demonstrieren Tausende Israelis gegen die Justizreform.Vergrößern des Bildes
Proteste in Jerusalem: Seit Monaten demonstrieren Tausende Israelis gegen die Justizreform. (Quelle: Gili Yaari/imago-images-bilder)
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Trotz der monatelangen Proteste hat das israelische Parlament für ein Kernelement der Justizreform gestimmt. Das Gesetzespaket ist hochumstritten. t-online erklärt, wieso.

Das israelische Parlament hat ein Kernelement der Justizreform verabschiedet. 64 der 120 Abgeordneten stimmten für den Gesetzesentwurf, die Opposition boykottierte die Abstimmung. Vorausgegangen waren tagelange Debatten und monatelange Proteste. Warum ist das Gesetz so umstritten? t-online gibt den Überblick.

Was wurde beschlossen?

Beschlossen wurde die Abschaffung der sogenannten Angemessenheitsklausel – mit dem neuen Gesetz werden die Handlungsmöglichkeiten des Höchsten Gerichts eingeschränkt. Den Richtern ist es künftig nicht mehr möglich, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als "unangemessen" zu bewerten.

Was besagt die Justizreform?

Die beschlossene Änderung ist ein wichtiger Bestandteil der Justizreform – der erste, der nun Gesetz wird. Das Gesetzespaket zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken.

Was wird daran kritisiert?

Kritiker sehen in dem am Montag beschlossenen Gesetz eine Gefahr für die Demokratie in Israel. Sie befürchten, dass es Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung wichtiger Posten und Entlassungen begünstigt. Manche warnen gar vor der Einführung einer Diktatur.

Der Staat Israel hat keine schriftliche Verfassung und fußt stattdessen auf einer Sammlung von Grundgesetzen. Daher kommt dem Höchsten Gericht eine besondere Bedeutung bei der Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu.

Bis zuletzt hatte Präsident Isaac Herzog versucht, im Streit um die Justizreform zu vermitteln. Doch diese Bemühungen waren am Widerstand der Regierung gescheitert. Oppositionsführer Jair Lapid teilte mit: "Mit dieser Regierung ist es unmöglich, Vereinbarungen zu treffen."

Was bezweckt die Regierung?

Die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wirft der Justiz vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen. Sie argumentiert mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts in der Gewaltenteilung. Justizminister Jariv Levin, treibende Kraft hinter dem Vorhaben, sagte am Ende der Debatte im Parlament, es gebe "keinen Grund, diese Änderung zu fürchten". Am Montag stimmten alle 64 Abgeordneten der rechts-religiösen Regierungsmehrheit für den Gesetzesentwurf.

Nach der Abstimmung lobte Levin die "Korrektur des Justizsystems". Das Parlament habe in einem ersten Schritt die ihm von der Justiz weggenommenen Befugnisse wiedererlangt. Der rechtsextreme Sicherheitsminister Ben-Gvir sagte, Israel werde jetzt ein bisschen demokratischer sein.

Netanjahus Koalition ist die am weitesten rechts stehende, die das Land je hatte. Die Gesetzesänderungen erfolgen auch auf Druck von Netanjahus strengreligiösen Koalitionspartnern. Kritiker verdächtigen jedoch auch Netanjahu selbst, gegen den ein Korruptionsverfahren läuft, seine Verurteilung abwenden zu wollen.

Was folgt aus dem heutigen Beschluss?

Schon seit Monaten gehen regelmäßig Tausende Menschen gegen eine Schwächung der Justiz auf die Straßen. Zuletzt nahm auch der Widerstand innerhalb des Militärs zu. Mehr als 10.000 Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte ein Teil der umstrittenen Pläne verabschiedet werden. Auch aus der Wirtschaft und weiteren Teilen der Gesellschaft gab es solche Drohungen; Banken, Einkaufszentren und andere Geschäfte blieben als Zeichen des Widerstands gegen die Justizreform am Montag geschlossen.

Auch während sich die Abgeordneten in der Knesset, dem israelischen Parlament, versammelten, protestierten davor zahlreiche Demonstranten. Sicherheitskräfte nutzten Wasserwerfer, um Hunderte Gegner der Reform auseinanderzutreiben, die den Eingang zum Parlament in Jerusalem blockierten, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Einige wurden demnach festgenommen.

Nach dem Votum beriet der Dachverband der Gewerkschaften Histadrut über einen Generalstreik. Der Gewerkschaftsbund mit 800.000 Mitgliedern hatte Ende März wegen der Entlassung des Verteidigungsministers Joav Galant durch Netanjahu schon einmal zum Generalstreik aufgerufen. Galant hatte zuvor den Umbau der Justiz kritisiert. Netanjahu setzte die Pläne dann vorübergehend aus, Galants Entlassung wurde rückgängig gemacht.

Oppositionsführer Jair Lapid kündigte an, die Opposition werde am Dienstagmorgen beim Höchsten Gericht eine Petition gegen die "einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels" einreichen. Er sprach von einer "beispiellosen Schwächedemonstration" des Regierungschefs. Benjamin Netanjahu sei "zur Marionette einer Reihe messianischer Extremisten geworden".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters
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