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Proteste im Iran: Iranischem Rapper Toomaj Salehi droht die Hinrichtung


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Iranischem Rapper droht die Hinrichtung
"Sie sind bereit, die ganze Nation zu töten"


08.12.2022Lesedauer: 4 Min.
Toomaj Salehi (Archivbild): Der iranische Rapper ist jetzt auf Kaution freigekommen.Vergrößern des Bildes
Toomaj Salehi: Das Leben des Rappers sei ernsthaft in Gefahr, sagt eine Vertraute. (Quelle: Instagram/toomajofficial)
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Seit 41 Tagen sitzt Toomaj Salehi in einem iranischen Gefängnis. Was einem jungen Mann am Donnerstag angetan wurde, droht auch dem Rapper: die Hinrichtung.

Am 28. Oktober gab der iranische Rapper Toomaj Salehi sein letztes öffentliches Interview. "Wir leben an einem Ort des Schreckens", sagte er dem kanadischen Fernsehsender CBC. "Wir haben es mit einer Mafia zu tun, die bereit ist, die ganze Nation zu töten, um ihre Macht, ihr Geld und ihre Waffen zu behalten." Salehi ist einer der berühmtesten Musiker des Irans. Zwei Tage nach seinen Aussagen wurde er festgenommen – wie 18.000 andere Demonstrierende.

Einen Monat später folgte die Anklage: "Verdorbenheit auf Erden" und "Krieg gegen Gott" wird ihm zur Last gelegt. Dafür könnte der 32-Jährige mit dem Tod bestraft werden. Denn auch davor schreckt das Regime nicht mehr zurück: An diesem Donnerstag wurde das erste Todesurteil im Zusammenhang mit den anhaltenden Protesten vollstreckt. Ein junger Mann wurde erhängt (hier lesen Sie mehr dazu). Das gleiche Schicksal könnte nun auch Salehi einholen.

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"Spuren von Folter und Gewalt"

Auf seinem Instagram-Account hält eine Vertraute des inhaftierten Rappers dessen Million Follower auf dem Laufenden – obwohl sie selbst keinen direkten Kontakt zu ihm haben kann. "Während die Spuren von Folter und Gewalt in den Augen, im Gesicht und in der Seele des Künstlers zu sehen sind, wurde er gezwungen, sich 'für die von der Regierung ausgeübte Gewalt' in der Gesellschaft zu entschuldigen", schreibt sie am Mittwoch zu einem Bild von Salehi, das in Haft aufgenommen worden sein soll. 38 Tage habe sie bis zu diesem Foto nichts von ihm gehört, so die Vertraute.

Dem Nachrichtenmagazin "Stern" liegt ein Chatverlauf zwischen ihr, in dem Artikel N. genannt, und dem Rapper vor. In der letzten Nachricht vor seiner Verhaftung schrieb Salehi demnach:

"Im Falle meiner Verhaftung mach für mich weiter, du bist meine vertrauteste Person. Berichte unbedingt über die Proteste, unterstütze keine Partei. Konzentriere dich auf den Angriff, nicht auf die Verteidigung. Wir beschweren uns nicht, weil die Macht in unseren Händen liegt. Schreib nur über die Gefangenen, die keine Stimme haben."

Die "Stimme des Volkes"

Seine Freunde und Fans nennen den Rapper die "Stimme des Volkes" – weil er seit Beginn der Proteste als einer der berühmtesten Musiker des Irans immer wieder öffentlich Kritik am Regime geäußert hat und damit Millionen von Menschen erreichte.

In seinen Liedtexten prangerte er die Missstände im Iran an, drohte dem Regime und rief zu Protesten auf. "Schlachtfeld" heißt das Lied, das kurz vor seiner Festnahme veröffentlicht wurde: Darin rappt er: "Nennt uns nicht Rebellen, wir kamen für die Revolution. Frauen. Leben. Freiheit. Wir kämpfen bis zum Tod."

Bis zum Tod – dieser Fall könnte nun tatsächlich eintreten. Viele Iranerinnen und Iraner rechnen Berichten zufolge nicht mehr damit, dass Salehi das Gefängnis in Isfahan lebend verlassen wird. "Sein Leben ist momentan ernsthaft in Gefahr", warnt seine Vertraute auf Salehis Instagram-Profil. Der Prozess werde hinter verschlossenen Türen abgehalten.

Auf Twitter berichtet sie, dass Bekannte, die im gleichen Gefängnis wie Salehi saßen, den Rapper gesehen haben. Demnach ist er gefoltert worden: Ein Bein sei gebrochen und mehrere Finger. Sein Gesicht sei infolge von Schlägen verletzt. Er befinde sich aufgrund der physischen und psychischen Folter im Hungerstreik.

Zwangsgeständnis von Regime gefilmt

Die iranische Regierung hatte Ende November ein Video von seiner Festnahme in der Provinz Isfahan veröffentlicht. Auf den Aufnahmen ist ein Mann zu sehen, der mit verbundenen Augen auf dem Boden sitzt. Mit zitternder Stimme sagt er, er habe "einen Fehler gemacht", als er in einem seiner bei einer Demonstration gedrehten Videos den Sicherheitskräften sagte, sie sollten weglaufen.

Proteste im Iran

Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini. Sie starb am 16. September in Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen des angeblichen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. In den vergangenen Wochen wurden bereits mehrere Todesurteile gegen Demonstranten verhängt. Nach Einschätzungen von Menschenrechtlern wurden seit Mitte September mindestens 470 Demonstranten getötet und mehr als 18.000 verhaftet. Lesen Sie hier eindrückliche Berichte von fünf Iranerinnen und Iranern.

Diese Aussagen sind das Gegenteil von dem, wofür Salehi eigentlich steht. Unter anderem hieß es in einem Statement auf seinem Instagram-Kanal: "Dies ist eine Revolution, und jeder Schritt, den wir unternehmen, ist notwendig, um sie zu erreichen. Komm zu uns." Der Rapper war im vergangenen Jahr schon einmal festgenommen worden, kam aber auf Kaution wieder frei.

Bei den Aufnahmen handelt es sich laut Experten um ein Zwangsgeständnis des Musikers. "Er steht offensichtlich unter schwerster physischer und psychischer Misshandlung", twitterte die Iran-Expertin Gilda Sahebi am Dienstag. So funktioniere die Propaganda des Regimes. Auch Menschenrechtler werfen der iranischen Führung vor, die öffentlichen Entschuldigungen unter Folter zu erzwingen.

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Solidarität mit Salehi: #FreeToomaj

Andere prominente Iranerinnen und Iraner solidarisieren sich seit der Festnahme unter dem Hashtag #FreeToomaj mit Salehi. Der Rapper Hichkas twitterte, die Islamische Republik versuche, Toomaj zu töten. Der Sänger Mehdi Yarrahi schrieb auf dem Kurznachrichtendienst: "Mit unbegründeten Anschuldigungen wollen sie den anderen, die den Tod nicht fürchten, eine Lektion erteilen."

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Auch Salehis Vertraute beweist durch die Weiterführung des Instagram-Profils Solidarität. Dennoch hat sie, wie viele andere Iranerinnen und Iraner, Bedenken: "Alle Iraner wachsen mit Schuld und Angst auf", sagte sie dem "Stern". Viele Dinge, die in anderen Ländern normal seien, gälten im Iran als Verbrechen. Jeden Tag erhalte sie Drohungen aus dem Iran. N. ist in der Islamischen Republik aufgewachsen, lebt aber seit neun Jahren in Deutschland. Den Rapper kennt sie seit zwei Jahren. Manche Menschen wollten sie zu einem Geständnis in Salehis Namen zwingen, so die Frau.

Anwalt: Freilassung äußerst unrealistisch

Ursprünglich sollte Salehi von dem iranische Menschenrechtsanwalt Mohammad Hossein Aghasi verteidigt werden – doch das Gericht lehnte das ab, berichtet das Nachrichtenmagazin. Stattdessen werde der 32-Jährige von einem Anwalt des Regimes betreut. Dieser sei "nicht 100 Prozent korrupt", würde allerdings auch keine angemessene Betreuung leisten, sagte Aghasi dem "Stern". Eine Freilassung des Musikers bezeichnete er als äußerst unrealistisch.

Wann mit einem Urteil zu rechnen ist, wisse er nicht – Ungewissheit gehöre zu den Waffen des Regimes. Nur internationaler Druck hätte womöglich noch Einfluss auf Salehis Schicksal. Dennoch: Die überstürzte Ermordung eines prominenten Oppositionellen könne sich die Regierung nicht erlauben, so der Anwalt.

Vor fünf Tagen ist der Rapper 32 Jahre alt geworden. N. postete zu diesem Anlass ebenfalls ein Foto: "Er muss FREI sein", schrieb sie dazu.

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