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Aserbaidschan und Armenien: Schluss mit der europäischen Doppelmoral!


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Europas Gasdeal
Schluss mit dieser Doppelmoral!

MeinungVon Anna Aridzanjan

Aktualisiert am 18.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Von der Leyen, Aliyev und Putin: Aserbaidschan hat sowohl mit der EU als auch mit Russland engere Zusammenarbeit vereinbart.Vergrößern des Bildes
Von der Leyen, Alijew und Putin: Aserbaidschan hat sowohl mit der EU als auch mit Russland engere Zusammenarbeit vereinbart. (Quelle: Montage: U.Frey/t-online/ZUMA Press/SNA/ITAR-TASS/imago-images-bilder)
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Um Wladimir Putin nicht weiter zu finanzieren, holen wir uns Gas woanders – und unterstützen so gleich den nächsten kriegerischen Diktator. Schluss mit der Doppelmoral!

Das muss man sich einmal genau überlegen: Eine Demokratie wird vom autokratischen Nachbarland überfallen. Der Diktator nutzt für seinen völkerrechtswidrigen Angriff unter anderem die energiewirtschaftliche Abhängigkeit Europas von ihm aus. Woran denken Sie dabei als Erstes? Richtig, Russland und die Ukraine. Aber wissen Sie was? Etwas weiter im Osten passiert gerade das Gleiche: Die Öl- und Gasdiktatur Aserbaidschan hat am 13. September einen Überfall auf ihr Nachbarland Armenien gestartet. Auf meine Heimat.

Putin bestrafen wir gerade zu Recht für seinen blutigen Überfall und die Kriegsverbrechen am ukrainischen Volk. Doch Ilham Alijew, Aserbaidschans autokratischer Herrscher, bekommt von der EU Geld, Lob und eine Behandlung mit Samthandschuhen. Und das zu einer Zeit, in der er Anspruch auf einen anderen Staat erhebt, diesen einnehmen und ethnisch säubern will. Wie nennen Sie das? Ich nenne das eine ekelhafte Doppelmoral!

Reaktion auf Leichenschändung? Ohrenbetäubende Stille

Erst am Donnerstag veröffentlichten aserbaidschanische Soldaten auf Telegram, welche Gräueltaten sie den Armeniern antun (und wer Beschreibungen brutaler Kriegsverbrechen nicht erträgt, sollte hier aufhören zu lesen): Die Leiche einer armenischen Soldatin ist zu sehen, nackt, entstellt, verstümmelt, mit Hassgraffiti beschmiert. Im Hintergrund des Videos hört man lachende Aserbaidschaner. Die Reaktionen auf das Video in der aserbaidschanischen Telegram-Gruppe: Hohn, Genugtuung, Lach- und Herzchen-Emojis. Die Täter verbergen ihre Grausamkeiten nicht, da muss nichts aufgedeckt werden, sie prahlen selbst mit ihrer Unmenschlichkeit.

Das Video und die Beschreibungen der Szene machen in sozialen Netzwerken und auf Nachrichtenseiten die Runde. Eine Reaktion der Bundesregierung? Gibt es nicht. Ein Statement der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die im Juli den Gasdeal mit Aserbaidschan eingetütet hat, um von russischem Gas wegzukommen? Ohrenbetäubende Stille.

Dabei sind Frau von der Leyen demokratische Werte doch angeblich so wichtig: "Dies ist der Preis für Putins Spur des Todes und der Vernichtung", sagte sie am Mittwoch vor dem Straßburger Europaparlament über die Sanktionen gegen Russland. Währenddessen bombardierte Aserbaidschans Herrscher Alijew den Süden Armeniens, hinterließ eine Spur des Todes und der Vernichtung. Von der Leyen hatte Alijew im Juli bei der Unterzeichnung des Gasabkommens einen "vertrauenswürdigen Partner" genannt. Vermutlich äußert sie sich auch deswegen nicht zum Angriff Aserbaidschans auf Armenien.

"Fehlende Beobachter" als deutsche Ausrede

Klar, die EU-Bürgerinnen und Bürger sollten, auch nach Verzicht auf russisches Gas, bitte in diesem Winter nicht frieren. Die Lebensmittelpreise sollten nicht explodieren. Die Menschen in der EU, in Deutschland sollten nicht darunter leiden, dass sich unsere Wirtschafts- und Außenpolitik solidarisch mit den Ukrainern zeigt.

Da kann man angesichts eines anderen mordenden Diktators irgendwo vor den Toren Europas, in einem winzigen Land im Kaukasus (wo liegt der noch mal?) auch mal beide Augen zudrücken. Da kann man sich unwissend stellen. So wie der Sprecher des deutschen Außenministeriums, der bei der Bundespressekonferenz am Mittwoch auf die Frage nach einer Stellungnahme zur Situation absolut keinen Aggressor ausmachen konnte, weil es "an unabhängigen Beobachtern fehle" (was nicht stimmt). Wie war das noch gleich mit der "wertebasierten Außenpolitik" der Ampelkoalition?

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Doch nicht nur die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP ist hier zu kritisieren. Aserbaidschanische Lobbyisten haben über Jahre hinweg Einfluss auf die Bundestagsfraktion der Union genommen. Die sogenannte Aserbaidschan-Connection war die Grundlage für regimefreundliche Aussagen von Unionspolitikern und Lobbyarbeit für den Autokraten Alijew.

"Schutzmacht" Russland schützt nicht

Wer es sich zu einfach machen will, versucht die Welt wie einen James-Bond-Film zu sehen: Armeniens "Schutzmacht" sei Russland, heißt es immer. Also ist es ja nicht so schlimm, wenn Armenier bombardiert, abgeschlachtet, gefoltert, geschändet werden, denn sie sind ja mit dem Bösen befreundet? Nun ja, die sogenannte Schutzmacht tut absolut nichts Schützendes, im Gegenteil. Putin unterhält starke wirtschaftliche Beziehungen zu Alijew, bekräftigt regelmäßig die Zusammenarbeit und schüttelt ihm lächelnd und freundschaftlich die Hand, so wie jüngst auf dem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) in Usbekistan.

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Im Moment herrscht, nach drei Tagen Beschuss, eine fragile Waffenruhe zwischen Armenien und Aserbaidschan. Vermittelt wurde die nicht von Russland, sondern von den USA. Doch wer sich nur ein wenig mit Aserbaidschan und seinem Verhältnis zu Armenien auskennt, kann vorhersehen: Auch diese Waffenruhe wird nicht lange halten. Diktator Alijew wird nicht Ruhe geben, bis er ganz Armenien eingenommen hat (er hat dies seit 2013 immer wieder in Reden an sein Volk angekündigt). Oder bis die internationale Gemeinschaft ihm endlich Einhalt gebietet, allen voran die EU, die mit ihrem Gaskauf Alijews Taten legitimiert hat.

Und jetzt wird es zynisch: Eher lernen Schweine fliegen. Das armenische Volk, das Anfang des 20. Jahrhunderts nur knapp der völligen Auslöschung entkommen ist und das seitdem in regelmäßigen Abständen ums Überleben kämpfen muss – etwa zuletzt im blutigen Krieg in Bergkarabach im Jahr 2020 –, kann sich auf niemanden verlassen. Trotzdem ist es wichtig, dass wir unseren Vertretern in Berlin, Brüssel und Straßburg entgegenschreien: Schluss mit dieser verdammten Doppelmoral!

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