Brexit-Schlappe für May Kommt Ende Februar die Stunde der Wahrheit?
Lässt es die britische Premierministerin wirklich auf einen ungeordneten EU-Austritt ankommen? Nach der jüngsten Niederlage im Parlament gibt sie sich stur.
Nach der erneuten Niederlage der britischen Premierministerin Theresa May mit ihrem Brexit-Kurs im Parlament wächst die Sorge vor einem ungeregelten EU-Austritt des Landes.
Die Abgeordneten in London lehnten am Donnerstag eine Beschlussvorlage der Regierung mit 303 zu 258 Stimmen ab. Damit ist wieder völlig offen, wie May rechtzeitig zum EU-Austritt am 29. März eine Mehrheit im Unterhaus für das von ihr mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen zusammenbekommen soll. Forderungen nach einer Verschiebung des Brexits lehnt sie bislang vehement ab.
Die Abgeordneten hatten May Ende Januar den Auftrag gegeben, das mit Brüssel vereinbarte Abkommen wieder aufzuschnüren. Die Premierministerin hatte sich zum Erstaunen Brüssels hinter den Antrag gestellt und war damit auf Schmusekurs zu den Brexit-Hardlinern gegangen. Nun wollte sie sich das Mandat um zwei weitere Wochen verlängern lassen. Doch ausgerechnet am Valentinstag war der Flirt zu Ende. Die Brexit-Hardliner versagten May die Gefolgschaft.
Stein des Anstoßes war, dass gleichzeitig auch eine weitere Entscheidung des Parlaments aus der ersten Abstimmungsrunde bestätigt werden sollte: die Ablehnung eines EU-Austritts ohne Abkommen mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Obwohl das Votum keine bindende Wirkung hatte, wollten einige Brexit-Hardliner das nicht mittragen.
Mays Glaubwürdigkeit schwindet
May gab sich dennoch unbeirrt. In einer Mitteilung der Regierung hieß es am Donnerstagabend, die Premierministerin halte dennoch an ihrer Strategie fest. "Der Beschluss vom 29. Januar bleibt der einzige, bei dem das Unterhaus zum Ausdruck gebracht hat, was es will."
Doch bei den Abgeordneten rumort es. Die neue Schlappe sei ein Symbol für den "tiefgreifenden Führungsmangel" sowohl bei den Konservativen als auch in der Labour-Partei, sagte die pro-europäische konservative Rebellin Anna Soubry. "Wir befinden uns in einem solchen Schlamassel." Die Glaubwürdigkeit der Premierministerin sei schwer angeschlagen.
Damit schwindet zunehmend die Glaubwürdigkeit der Regierungschefin, doch noch eine Mehrheit für ein Brexit-Abkommen im Parlament zu bekommen. May will der EU rechtlich verbindliche Änderungen am Brexit-Vertrag abtrotzen, obwohl Brüssel dazu nicht bereit ist.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn kritisierte May scharf dafür, dass sie bei der Abstimmung am frühen Abend nicht anwesend war. Der Präsident des Unterhauses, John Bercow, betonte jedoch, dass die Premierministerin nicht dazu verpflichtet gewesen sei.
"Das ist ein Valentinstags-Massaker für die Regierung und ein vernichtendes Urteil für den Brexit-Plan der Premierministerin", sagte der Labour-Abgeordnete David Lammy, der ein zweites Brexit-Referendum befürwortet.
Brantner: "Es ist allerhöchste Eisenbahn"
Verteidigungsstaatssekretär Tobias Ellwood von den regierenden Konservativen kritisierte Teile seiner eigenen Partei scharf: Eine Gruppe von Brexit-Hardlinern verhalte sich "wie eine Partei in der Partei und das ist frustrierend". Sie hätten die neue Schlappe für May verursacht.
Eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten plant, der Regierung dann die Kontrolle über den Austrittsprozess zu entreißen, sollte sich ein No-Deal-Brexit abzeichnen. Der Plan sieht vor, May zum Verschieben des EU-Austritts zu zwingen, falls sie bis Mitte nächsten Monats keinen Erfolg mit ihrem Austrittsabkommen hat. Doch ob sich die Gegner eines EU-Austritts ohne Abkommen durchsetzen können, ist ungewiss.
Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner rief May auf, endlich "einen parteiübergreifenden Kompromiss" zu schmieden. "Es ist allerhöchste Eisenbahn", sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen weiter. Katarina Barley, die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, sagte der Deutschen Welle, May habe in den vergangenen Wochen nur noch versucht, Zeit zu gewinnen und mehr Druck auf die anderen EU-Mitgliedstaaten zu machen. "Das ist eine Strategie, die nicht funktionieren wird", zeigte sich Barley überzeugt, die sowohl die deutsche als auch die britische Staatsbürgerschaft hat.
Dritte Abstimmungsrunde im Februar
Zur Stunde der Wahrheit im Streit um den EU-Austritt dürfte es im Unterhaus am 27. Februar kommen. Dann will May erneut über die weiteren Schritte abstimmen lassen. Es wird bereits die dritte Abstimmungsrunde seit der Niederlage für Mays Brexit-Deal im Parlament sein.
Sollte die Regierungschefin auch bis dahin keine Mehrheit zusammenbekommen, droht eine Rebellion der EU-freundlichen Abgeordneten. Eine parteiübergreifende Gruppe von Parlamentariern will May zum Verschieben des EU-Austritts zwingen, um einen No-Deal-Brexit zu verhindern.
Große Mehrheit gegen Brexit-Abkommen
Großbritannien will bereits am 29. März die Staatengemeinschaft verlassen. Mitte Januar hatte das Parlament das von May mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Wann das Parlament erneut über den Deal abstimmen soll, ist immer noch unklar.
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Von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk gab es am Donnerstagabend zunächst keine Reaktion auf Mays Abstimmungsniederlage. Ein Kommissionssprecher bestätigte lediglich, dass für kommende Woche weitere Gespräche mit Brexit-Minister Stephen Barclay geplant seien.
- Nachrichtenagentur dpa