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EU-Korruptionsskandal um Eva Kaili: Das müssen Sie jetzt wissen | Überblick


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EU-Skandal
Es geht um mehr als "Säcke voller Bargeld"


Aktualisiert am 12.12.2022Lesedauer: 5 Min.
Eva Kaili und der katarische Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri im Oktober 2022: Es steht der Verdacht der Bestechlichkeit im Raum.Vergrößern des Bildes
Eva Kaili und der katarische Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri im Oktober 2022: Es steht der Verdacht der Bestechlichkeit im Raum. (Quelle: TWITTER/MINISTRY OF LABOUR - STATE OF QATAR)

EU-Vizepräsidentin Eva Kaili werden schwere Straftaten vorgeworfen. Welche Konsequenzen hat das – und wer ist noch involviert? Ein Überblick.

Es ist das abrupte Ende eines jahrelangen Aufstiegs: Eva Kaili ist über einen handfesten Korruptionsskandal im Zusammenhang mit dem Golfemirat Katar gestürzt. Sie war einst eine bekannte Nachrichtensprecherin in ihrer griechischen Heimat, später Hoffnungsträgerin der sozialistischen Partei Pasok und schließlich Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Wie kam es jetzt zum jähen Ende ihrer Karriere – und wie könnte es in dem Korruptionsfall weitergehen?

t-online beantwortet die wichtigsten Fragen:

Was wird Kaili vorgeworfen – und welche Konsequenzen hat das?

Die Staatsanwaltschaft wirft Kaili und weiteren Verdächtigen Korruption, Geldwäsche, die Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie versuchte Einflussnahme aus dem Ausland vor.

Kaili soll Geld aus dem Golfstaat Katar kassiert haben, damit sie für das WM-Gastgeberland Einfluss auf politische Entscheidungen nimmt. Die Sozialdemokratin wurde zusammen mit fünf anderen Verdächtigen festgenommen. Vier sitzen nun in Untersuchungshaft, darunter auch Kaili – trotz ihrer parlamentarischen Immunität. Denn Justizkreisen zufolge wurde sie auf frischer Tat ertappt: Die belgische Polizei fand in ihrer Wohnung mehrere "Säcke voller Bargeld".

EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entband Kaili nach Bekanntwerden der Ermittlungen von all ihren Aufgaben. Bislang war Kaili eine ihrer insgesamt 14 Stellvertreterinnen und -vertreter. Formell muss das Parlament die Entscheidung noch bestätigen. Die sozialdemokratische Fraktion, zu der auch die SPD gehört, suspendierte bereits ihre Mitgliedschaft. Ihre Partei schloss sie aus. Kailis Vermögen in Griechenland wurde am Montag eingefroren. Hier lesen Sie mehr dazu.

Wer ist noch involviert?

Unter den Festgenommenen ist auch ein ehemaliger sozialdemokratischer Europaabgeordneter aus Italien, Antonio Panzeri, sowie Kailis italienischer Lebensgefährte Francesco Giorgi. Beide sollen ebenfalls in U-Haft sitzen. Der Vorwurf bei ihnen lautet ähnlich wie bei Kaili: Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Korruption. Auch Panzeris Frau und Tochter sollen zu den festgenommenen Personen gehören, inzwischen aber wieder auf freiem Fuß sein.

Berichten zufolge durchsuchten die Ermittler zudem das Haus des belgischen Sozialdemokraten Marc Tarabella. Tarabella ist stellvertretender Vorsitzender der parlamentarischen Delegation für die Beziehungen zur arabischen Halbinsel. Ihm werden keine Straftaten vorgeworfen, berichtete die "Tagesschau". Dennoch teilte seine Partei am Sonntagabend mit, den Abgeordneten vor ein parteiinternes Gremium zitiert zu haben. Tarabella selbst sagte der belgischen Nachrichtenagentur Belga, er habe "absolut nichts zu verbergen und werde alle Fragen beantworten".

Insgesamt beschlagnahmte die Polizei bei den Durchsuchungen in Brüssel 600.000 Euro Bargeld sowie mehrere Handys. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell gibt es bislang keine Hinweise, dass auch EU-Diplomaten in den Korruptionsskandal verwickelt sind.

Welche Rolle spielt Katar?

Katar soll mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht haben, Entscheidungen des Europaparlaments zu beeinflussen. So zumindest lautet der Verdacht der belgischen Ermittler. Der Golfstaat weist diesen Vorwurf jedoch entschieden von sich.

Für den Verdacht sprechen auf den ersten Blick Äußerungen Eva Kailis. Im EU-Parlament war sie durch eine Rede aufgefallen, in der sie sagte, Katar sei "führend bei den Arbeitsrechten" – obwohl das WM-Gastgeberland seit Jahren wegen der Menschenrechtslage und der Bedingungen für ausländische Arbeiter kritisiert wird. Auffällig in diesem Zuge: Kaili hatte sich kurz vor den Äußerungen mit dem katarischen Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri getroffen.

Und es gibt weitere Ungereimtheiten: Zwei Abgeordnete schilderten "ZDFheute", dass Kaili – ohne Absprache mit ihrer Fraktion – in einer Ausschusssitzung über erleichterte Visa-Regeln für Katar und andere Länder abgestimmt habe. Das fiel den Kolleginnen und Kollegen jedoch erst im Nachhinein auf, weil von der sozialdemokratischen Fraktion eine Stimme zu viel eingegangen war.

Man habe gedacht, es habe lediglich ein Missverständnis bei der Absprache gegeben, sagte Katarina Barley von der SPD dem Sender. Ausschussmitglieder können sich demnach von anderen Fraktionsangehörigen vertreten lassen. Später stellte sich heraus, dass Kaili "heimlich" an der Abstimmung teilgenommen hatte. EU-Parlamentarierin Birgit Sippel (ebenfalls SPD) hatte wegen des Vorfalls sogar Beschwerde gegen Kaili eingereicht.

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Wie reagiert die Politik?

Politiker fordern einschneidende Konsequenzen – und befürchten weitere Enthüllungen zu möglichen Schmiergeldzahlungen des steinreichen Golfemirats Katar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe die Berichte darüber "mit dem erwartbaren Entsetzen" zur Kenntnis genommen, "dass so etwas offenbar möglich ist", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Es dürfe "keine Vorverurteilungen geben". Sollten sich die Berichte allerdings bestätigen, wäre dies "ein sehr ernster Vorgang". Dieser müsse dann auf Ebene des EU-Parlaments und "nicht von einzelnen Nationalstaaten" diskutiert werden.

Außenministerin Annalena Baerbock hält eine EU-Reaktion auf die Vorkommnisse für denkbar. "Das ist wirklich ein unglaublicher Vorfall. Der muss jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden, mit der vollen Härte des Gesetzes", sagte die Grünen-Politikerin. In dem Fall gehe es auch um die Glaubwürdigkeit Europas. "Und entsprechend müssen dann in unterschiedlichen Bereichen Konsequenzen folgen", so Baerbock.

Der EU-Parlamentarier Dennis Radtke (CDU) sagte "Bild": "Die Scheichs aus Katar kaufen nicht nur für 200 Milliarden Dollar eine Fußball-WM und deren geldgierige Funktionäre und Protagonisten, jetzt machen sie auch vor Politikern nicht halt. Wer so vorgeht, will sich die Welt kaufen. Und leider ist das jetzt in Europa gelungen, im Europäischen Parlament, in dem die gewählten Vertreter von 27 Nationen sitzen."

Radtke betonte, er befürchte "den größten Korruptionsskandal der europäischen Politik, wenn bei den Festgenommenen zu Hause schon Tüten mit Geldscheinen von mehreren 100.000 Euro gefunden wurden". Man müsse davon ausgehen, "dass noch viel mehr aufgedeckt wird".

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Wie könnte es weitergehen?

Eva Kaili ist prinzipiell noch im Amt, da das Parlament ihre Suspendierung formell bestätigen muss. Mehrere Mitglieder forderten jedoch ihren Rücktritt. Nach Ansicht der Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke soll das Europaparlament geschlossen auf den Korruptionsskandal reagieren und einen Untersuchungsausschuss einrichten.

Alles zu dem Korruptionsskandal müsse ans Licht, sagte sie der Deutschen Nachrichten-Agentur. Außerdem könnten etwa Schritte gegen Drittstaaten-Lobbyismus oder für mehr Transparenz von Abgeordneten unternommen werden, so die Grünen-Politikerin. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen brachte am Montag die Bildung eines Ethikrats zur Überwachung von EU-Institutionen ins Spiel.

Im Fokus steht auch die geplante Visa-Liberalisierung für Katar. Der konservative Abgeordnete Daniel Caspary sagte, die Visa-Erleichterung müsse gestoppt werden, wenn die Entscheidung tatsächlich aus dem Ausland gesteuert wurde. Der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt stellte eine Abstimmung im Parlament gegen die Visa-Liberalisierung zur Debatte.

Auf die Frage, ob der Skandal Auswirkungen auf die Beziehungen der EU zu dem Golfstaat haben werde, sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell, er müsse auf Grundlage eindeutiger Beweise handeln. Derzeit laufe ein Verfahren, und er könne nicht weiter gehen als die Justizbehörden.

Verwendete Quellen
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