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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte Automobil-Manufakturen in Deutschland
Trotz der starken Nachfrage nach individuellen und schnellen Modellen, tun sich kleine Hersteller wirtschaftlich schwer. Doch es geht auch anders - wir stellen zwei erfolgreiche vor.
In der Branche der Auto-Manufakturen sieht es traurig aus: Traditionsreiche Marken gehören der Vergangenheit an, einst vielversprechende "Newcomer" kämpfen ums Überleben. Da wäre zum einen Artega aus dem nordrhein-westfälischen Delbrück. Mit dem etablierten Automobil-Zulieferer Paragon im Rücken, wollte Klaus Dieter Frers 2006 mit dem kompakten Sportwagen Artega GT punkten, musste aber sechs Jahre später Insolvenz anmelden. Dieses Jahr wurde die Produktion wiederbelebt.
Wiesmann, Melkus, Gumpert
Nicht weit entfernt von Delbrück, schienen die Wiesmann-Brüder in Dülmen über viele Jahre hinweg erfolgreich Sportwagen in Handarbeit zu bauen. Die Antriebs-Technik stammte von BMW, das Retro-Design war individuell, ebenso wie der beeindruckende Firmensitz in Form des Wappentiers, eines Geckos. Dennoch kam 2014 aus wirtschaftlichen Gründen das Ende. Seit den 1960-er-Jahren bis zum Ende der DDR baute die >>
Familie Melkus in Dresden sehenswerte Renn- und Sportwagen wie den RS 1000. Das Comeback 2006 mit dem RS 2000 scheitere jedoch sechs Jahre später mit der Insolvenz.
Für Furore sorgte der ehemalige Audi-Motorsport-Chef Roland Gumpert mit dem Apollo. Der spektakuläre Flügeltürer mit bis zu 800 PS pulverisierte zahlreiche Rekorde, unter anderem 2009 auf der Nürburgring-Nordschleife. Dennoch konnten nur wenige Millionäre von dem Supersportwagen überzeugt werden. Nach der Insolvenz 2012 versucht Gumpert mit ausländischen Investoren und dem neuen Modell Explosion auf Basis des Audi TT das Ruder wieder rumzureißen. Strengere gesetzliche Auflagen, hohe Kosten und die immer umfangreicheren Angebote der großen Auto-Hersteller ziehen den kleinen Manufakturen buchstäblich den Asphalt unter den Rädern ihrer raren Exoten weg. Qualität, Leistung, Innovation, Exklusivität und ein angemessener Preis dafür sind die Schlüsselwörter zum Erfolg. Doch es gibt auch zwei positive Beispiele, die seit Jahrzehnten zeigen, wie es geht. >>
In Buchloe im östlichen Allgäu startete 1965 die bis heute andauernde Erfolgs-Geschichte von Alpina. Damals hatte Firmengründer Burkhard Bovensiepen bereits Erfahrung mit der Leistungs-Optimierung von BMW-Motoren gesammelt. Die Anfänge waren bescheiden, acht Mitarbeiter holten dank geändertem Vergaser 90 statt 80 PS aus dem 1,5-Liter-Motor des BMW 1500. Die Qualität war jedoch so gut, dass BMW-Händler interessierte Kunden direkt nach Buchloe schickten und die Werksgarantie nicht einschränkten. In den darauf folgenden Jahren wurde nicht nur das Tuning-Angebot für BMW-Straßenmodelle erweitert. Da damals noch keine eigene Motorsport-Abteilung existierte, ließen die Bayerischen Motorenwerke auch ihre Sport- und Rennwagen, wie den legendären 3.0 CLS, bei Alpina entwickeln. Bovensiepen leistete sich selbst sogar teure Engagements bei internationalen Tourenwagen-Rennserien mit späteren Weltmeistern wie Niki Lauda oder Derek Bell. Die Zusammenarbeit mit BMW verschlechterte selbst die Gründung der BMW M GmbH im Jahr 1972 und der Wandel von Alpina zum offiziellen Auto-Hersteller 1978 nicht – ganz im Gegenteil.
Familienunternehmen im Geschwindigkeitsrausch
Inzwischen liefert Alpina die spezifischen Komponenten in die BMW-Werke, wo die Fahrzeuge mit einer Kombination von Alpina- und BMW-Emblemen montiert und dann zur Vorbereitung auf die Auslieferung ins Allgäu geschickt werden. Sogar ausgewählte BMW-Händler in Japan vertreiben die sportlichen Modelle, die bewusst nie auf M-Modellen basieren und auch keine direkte Konkurrenz darstellen: "Wir wollen keine besseren M3 oder M5 bauen, sondern einen schnelleren BMW", erklärte Juniorchef Andreas Bovensiepen, der das Familienunternehmen mittlerweile mit seinem Bruder Florian führt. "Unsere Kunden wollen keine Rekordrunden auf dem Nürburgring, sondern die schnellsten auf der Autobahn sein." Auch unter 100.000 Euro bietet Alpina ein umfangreiches Portfolio mit interessanten 3er-, 4er- und 5er-Derivaten. Mit dem XD3 Biturbo nahmen sich die Allgäuer zudem ihrem ersten SUV-Modell an, dessen 6-Zylinder-Diesel mit drei Liter Hubraum auf stramme 350 PS und 700 Nm Drehmoment kommt.
Kleine Nischen mit viel Liebe zum Detail
Immer wieder findet Alpina in enger Abstimmung mit BMW kleine Nischen, die der Konzern selbst nicht abdeckt. Dazu gehörten in der Vergangenheit ebenso sportliche Diesel- und Allrad-Varianten wie auch die Integration einer Automatik statt einer Handschaltung beim BMW Alpina V8 Roadster auf Z8-Basis für die USA. Neben den technischen Modifikationen des Antriebes und des Fahrwerks samt Bremsen, widmet sich Alpina ebenso dem Exterieur wie dem Interieur. Außen fallen die sportlicheren Karosseriebauteile >>
und Felgen meistens erst auf den zweiten Blick auf, es sei denn, man entscheidet sich für die traditionellen Dekor-Sets in Gold oder Silber. Typisch für Alpina sind ebenfalls die speziellen Blau- oder Grün-Metallic-Lackierungen. Wie attraktiv die individuellen Gesamtpakete sind, zeigt die rasante Entwicklung von Alpina. Seit der Gründung wurden rund 20.000 Fahrzeuge verkauft und allein im letzten Jahr brachten die 200 Mitarbeiter mit 1700 Fahrzeugen so viele Wagen wie noch nie zuvor auf die Straße – Tendenz steigend!
Der legendäre Ruf von Ruf
Rund 30 Kilometer westlich von Buchloe und Alpina gelegen, befindet sich in Pfaffenhausen der Firmensitz von Ruf Automobile. Nachdem sein Vater bereits seit 1939 einen Auto-Handel samt Werkstatt betrieb, übernahm Alois Ruf Junior 1974 das Familienunternehmen. Ein Jahr später präsentierte Porsche mit dem 911 Turbo erstmals ein straßenzugelassenes Fahrzeug mit aufgeladenem Motor. Wiederum zwei Jahre danach hatte Ruf diese neue Technologie weiterentwickelt: Mit einer Hubraumerhöhung von 3,0 auf 3,3 Liter und modifizierter Einspritzung leistete der erste Ruf Turbo statt 260 nun 303 PS. Damit wurde die technische Positionierung bestimmt und die Reputation der Firma Ruf begründet. Das damals noch kompromisslose Bekenntnis zum Porsche 911 honorierten die Kunden ab 1978 mit einer Vielzahl an Aufträgen. Doch Ruf kümmerte sich auch um die Modelle ohne Turbo-Aufladung: Der von Porsche aus Marketing-Gründen mit nur 180 PS weit unter seiner wahren Leistungsgrenze gehaltene Sechszylinder-Saugmotor mit drei Litern Hubraum verließ die Ruf-Prüfstände deutlich aufgewertet mit 217 PS aus 3,2 Litern. Ab 1981 stand Turbo-Fahrern mit dem eigens entwickelten Fünfgang-Schaltgetriebe ein Gang mehr zur Verfügung als ab Werk. Im gleichen Jahr erkannte das Kraftfahrt-Bundesamt auch Ruf als Fahrzeughersteller an.
Neben den zivileren Versionen übertraf sich die relativ kleine Firma seitdem immer wieder mit neuen 911er-Varianten inklusive Leistungs- und Geschwindigkeitsrekorden. Für viele Jahre uneinholbar blieb der Ruf CTR "Yellowbird" mit 469 PS und 342 km/h Höchstgeschwindigkeit von 1987. Den bisherigen Höhepunkt der Firmengeschichte stellt der CTR 3 Clubsport für mehr als 700.000 Euro dar: Die eigenständig entwickelte Mittelmotor-Flunder holt aus seinem 6-Zylinder-Boxer dank Turboaufladung brachiale 777 PS und 980 Nm Drehmoment. Das soll laut Ruf für eine Höchstgeschwindigkeit von 380 km/h reichen. Gleichzeitig bemühen sich die aktuell 65 Mitarbeiter auch um Umweltfreundlichkeit. Neben Leistungssteigerungen für den Cayenne Diesel stellte Ruf bereits 2008 auf Basis des 911er den ersten elektrisch angetriebenen Sportwagen aus Deutschland vor. Es bleibt also spannend, mit welchen Neuigkeiten Alpina und Ruf in Zukunft überraschen.