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Schädlichkeit von Abgasen: Faktencheck zur Dieseldebatte


Faktencheck
Wie schädlich sind Dieselabgase?

Von dpa
05.11.2018Lesedauer: 6 Min.
Autoabgase: Verbraucherschützer, Autobauer und andere Interessensgruppen bringen verschiedene Argumente rund um Dieselabgase vor. Doch was stimmt?Vergrößern des Bildes
Autoabgase: Verbraucherschützer, Autobauer und andere Interessensgruppen bringen verschiedene Argumente rund um Dieselabgase vor. Doch was stimmt? (Quelle: Jörg Schüler)

In der Debatte rund um Dieselabgase bringen alle Seiten Argumente vor. Doch nicht alle Behauptungen stimmen. Die wichtigsten Fakten im Überblick.

Seit langem streiten Politik, Autobranche, Umwelt- und Verbraucherschützer über Diesel-Abgase. Oft werden dabei ähnliche Argumente wiederholt – während Richter zunehmend Fakten schaffen und in einer Stadt nach der anderen die Politik zu Fahrverboten verdonnern. Ein Blick auf die Fakten hinter den Behauptungen:

1. Behauptung: Der moderne Diesel ist sauber.

Bewertung: Wenn überhaupt, dann nur der ganz moderne.

Fakten: "Sauber" an sich kann ein Auto mit Verbrennungsmotor nicht sein – sauberer kann es aber werden. Dieselfahrzeuge sind in EU-Abgasnormen eingeteilt. Die modernste Gruppe sind die Euro-6-Diesel. Diese stießen laut Umweltbundesamt (UBA) bisher zwar im Schnitt etwas weniger Stickoxide (NOx) aus als Euro 4 und 5, aber immer noch ein Vielfaches des Laborgrenzwerts von 80 Milligramm pro Kilometer, nämlich 507 Milligramm. Die Unterschiede zwischen den Modellen sind groß.

Innerhalb dieser Euro-6-Gruppe gibt es aber die neueste Norm Euro 6d-TEMP, sie gilt erst seit September. Anders als bei den vorigen Normen müssen die Autos nicht nur auf dem Prüfstand im Labor Grenzwerte einhalten, sondern auch auf der Straße. Bisher gibt es kaum Messungen zum 6d-TEMP. Das UBA und die besonders kritische Deutsche Umwelthilfe (DUH), die mit ihren Klagen die Fahrverbote erst erzwingt, planen Tests.

Der ADAC dagegen hat schon mal nachgemessen und meldet: "Euro-6d-TEMP-Diesel stoßen durchschnittlich 76 Prozent weniger NOx aus als Euro-6b-Diesel und 85 Prozent weniger als Euro-5-Diesel. Stichproben bei Straßenmessungen haben gezeigt, dass die Schadstoffreduzierung bei guten Euro-6d-TEMP-Dieseln im Vergleich zu durchschnittlichen Euro-5-Dieseln sogar bei 95 bis 99 Prozent liegt."

2. Behauptung: Euro-4-Diesel sind nicht technisch nachrüstbar – und von den Euro-5-Dieseln nur ein Drittel.

Bewertung: Fraglich.

Fakten: Dieses Argument bringt unter anderem Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vor. Grund ist laut Ministerium der fehlende Bauraum für eine Nachrüstung zum Beispiel mit SCR-Katalysatoren. "Es wurde dazu eine eigene Betrachtung der Dieselfahrzeug-Flotte vorgenommen und ermittelt, dass aufgrund des vorhandenen Bauraums nur rund ein Drittel der Euro-5-Diesel-Pkw-Flotte für eine Hardware-Nachrüstung in Betracht kommt", antwortet das Ministerium auf die Frage, worauf die Aussage sich stütze.

Gutachten, die für das Ministerium von Professoren angefertigt und veröffentlicht wurden, belegen zwar viele unterschiedliche technische Schwierigkeiten. Dass nur etwa 2 der 5,5 Millionen Euro-5-Diesel grundsätzlich nachrüstbar seien, geht daraus aber nicht hervor. Eine Aufschlüsselung nach Modellen, die nicht nachrüstbar sein sollen, sei "aufgrund der Variantenvielfalt der im Markt befindlichen Diesel-Pkw" nicht möglich, heißt es im Bundesverkehrsministerium.

"Wir haben derzeit keine Anhaltspunkte, die das bestätigen oder widerlegen können", sagt dazu ADAC-Technikchef Reinhard Kolke. Vom ADAC gibt es allerdings eine Auflistung von in Deutschland sehr verbreiteten Euro-5-Dieseln, die für einen Aufpreis auch mit besserer Abgasreinigung zu haben sind. In der "Süddeutschen Zeitung" erklärten die Autobauer im Herbst 2017, die Wagen seien unterschiedlich produziert worden – je nachdem, ob sie einen SCR-Kat an Bord hatten oder nicht. Autoexperte Axel Friedrich, der für die DUH selbst mit Nachrüstungen experimentiert, sagt: "Technisch geht praktisch alles. Aber bei exotischen Modellen oder älteren Autos ist es nicht unbedingt wirtschaftlich." Das legt nahe, dass es eher ums Geld als um die technische Machbarkeit gehen könnte.

3. Behauptung: Diesel sind wichtig für den Klimaschutz, weil sie weniger Sprit verbrauchen und weniger CO2 erzeugen als Benziner.

Bewertung: Das ist in der Theorie richtig. In der Praxis sieht es aber oft anders aus – weil viele Diesel starke Motoren haben.

Fakten: "Der Diesel kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten – aber nur, wenn er in seiner Anwendung nicht mit immenser Motorisierung verbunden ist", sagt Lars Mönch vom UBA. Bei gleicher Motorisierung stoßen ihm zufolge Dieselautos etwa 20 bis 25 Prozent weniger CO2 aus als Benziner. "Doch die findet man in der Realität nur wenig." Meist hochmotorisierte Autos, etwa SUVs, haben einen Dieselmotor. Und SUVs verkaufen sich zurzeit besonders gut.

Diesel haben also nicht zwangsläufig bessere CO2-Werte als Benziner. Das zeigen auch aktuelle Daten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA). Demnach lagen im September 2018 Neuzulassungen von Dieseln in Deutschland mit 140,4 Gramm CO2 pro Kilometer sogar über dem CO2-Durchschnittswert von Benzinern mit 134,2 Gramm. Im bisherigen Jahresdurchschnitt (Januar bis September) kommen neu zugelassene Diesel auf 134,2 und Benziner auf 131,9 Gramm. Zur Bewertung der Daten wollte sich das KBA auf Nachfrage nicht äußern.

4. Behauptung: Stickoxide sind erwiesenermaßen gefährlich.

Bewertung: Stimmt – aber es gibt ein Problem mit den Studien dazu.

Fakten: "Wenn man sich die aktuelle Studienlage anschaut, muss man davon ausgehen, dass Stickstoffdioxid (NO2) einen eigenständigen, gesundheitlichen Effekt bei Langzeitfolgen hat", sagt UBA-Experte Dirk Wintermeyer. Er räumt aber auch ein, dass es nicht einfach sei, Wirkungen verschiedener Schadstoffe exakt voneinander abzugrenzen.

Wissenschaftler haben berechnet, dass – statistisch gesehen – im Jahr 2014 rund 6.000 Todesfälle wegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf eine langfristige NO2-Belastung zurückzuführen sind. Demnach wäre Stickstoffdioxid verantwortlich für etwa 50.000 verlorene Lebensjahre. In der Lunge kann NO2 nach Erkenntnisse des UBA Zellen angreifen und Entzündungsprozesse auslösen.

Was Kritiker bemängeln: Die Ergebnisse beruhen auf epidemiologischen Studien. Dabei werden – im Gegensatz zu toxikologischen Studien – Personen nicht gezielt NO2 ausgesetzt. Sie liefern also lediglich Erkenntnisse zu statistischen Zusammenhängen zwischen negativen gesundheitlichen Auswirkungen und NO2-Belastungen, über eindeutige Ursache-Wirkungs-Verhältnisse in Einzelfällen sagt das noch nichts aus. Toxikologische Studien gibt es zu NO2 hingegen nur wenige. Das Problem: "Es ist in einer Studie nicht machbar und wäre auch ethisch nicht vertretbar, Menschen einer so hohen Konzentration an NO2 über einen längeren Zeitraum auszusetzen", sagt Wintermeyer. Und auch die Übertragung von Tierstudien auf den Menschen sei unsicher.

5. Behauptung: Der Grenzwert für NO2 ist am Arbeitsplatz viel höher als der für Außenluft.

Bewertung: Stimmt für bestimmte Berufe. Aber die Grenzwerte sind nicht vergleichbar.

Fakten: Gemäß dem EU-weiten Grenzwert darf im Jahresmittel die Belastung im Freien nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Bei Arbeitsplätzen in Deutschland, an denen Verbrennungen stattfinden – zum Beispiel beim Schweißen –, liegt der Wert bei 950 Mikrogramm. "Das sind also Äpfel und Birnen, die hier miteinander verglichen werden", erläutert Wintermeyer. "Auf der einen Seite steht ein Jahresmittelwert und auf der anderen Seite ein Arbeitstags-Grenzwert."

Darüber hinaus gelte der Arbeitsplatz-Grenzwert für Menschen mit gesunden Atemwegen an speziell belasteten Industrie-Arbeitsplätzen und im Handwerk – acht Stunden täglich und für maximal 40 Stunden pro Woche. Arbeitnehmer, die berufsbedingt Schadstoffen ausgesetzt seien, würden zusätzlich arbeitsmedizinisch betreut, während im Freien alle Menschen der Luft ausgesetzt sind – auch Kinder, Schwangere, Senioren oder Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma. Für Büros gilt ein Grenzwert von 60 Mikrogramm pro Kubikmeter im Wochenmittel. Laut UBA ist das ein "wirkungsbezogener Wert", bei dessen Erreichen oder Überschreiten unverzüglich zu handeln ist.

6. Behauptung: Die NOx-Messstationen stehen an der falschen Stelle.

Bewertung: Stimmt so pauschal nicht – aber es gibt einen Spielraum.

Fakten: Zwei Mal haben die Verkehrsminister der Bundesländer angemahnt, die Positionen der NOx-Messstationen zu überprüfen. Der Verdacht: Sie könnten zu nah an der Straße stehen und überhöhte Werte liefern. Eine Überprüfung des Deutschen Wetterdienstes im Auftrag der Bundesregierung ergab für eine Station in Aachen tatsächlich, dass diese nicht vorschriftsmäßig stand. Nur: Diese Station gehört nicht zu den Messstationen, auf deren Basis Deutschland seine offiziellen NOx-Werte an die EU liefert. Diese werden von den Bundesländern betrieben. Bisher gab es laut Umweltbundesamt keine Beanstandungen von EU-Seite, was die Aufstellung der Stationen betrifft.

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Die EU-Richtlinie 2008/50/EG schreibt vor, wo die Stationen zu stehen haben – sowohl an Orten mit den "höchsten Konzentrationen" als auch an Orten, wo die Belastung geringer ist. Richtig ist, dass es einen gewissen Spielraum für die Position gibt, zum Beispiel: "mindestens 25 Meter vom Rand verkehrsreicher Kreuzungen und höchstens 10 Meter vom Fahrbahnrand entfernt", und "in einer Höhe zwischen 1,5 Metern (Atemzone) und 4 Metern über dem Boden".

Wer den genauen Ort bestimmt, hat also einen gewissen Spielraum. Zu wählen ist der Standort laut Richtlinie so, "dass die Luftproben – soweit möglich – für die Luftqualität eines Straßenabschnitts von nicht weniger als 100 Metern Länge bei Probenahmestellen für den Verkehr (...) repräsentativ sind."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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