Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bilingual aufwachsen Fluch oder Segen? Was Zweisprachigkeit im Gehirn auslöst

In Deutschland sprechen viele Menschen mehrere Sprachen. Das bringt sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich – auch für die kognitive Entwicklung.
Menschen, die zwei Sprachen sprechen, sind kreativer und haben es leichter, eine dritte Sprache zu lernen. Aber wenn Kinder bilingual aufwachsen, haben sie häufiger Sprachentwicklungsstörungen. Das sind nur zwei der Mythen rund um die Zweisprachlichkeit. Doch welche Auswirkungen hat die Bilingualität wirklich?
Manche Sprachen werden bevorzugt
Viele Menschen in der Bundesrepublik sprechen nicht nur Deutsch, sondern sind bilingual. In einer Statista-Umfrage aus dem Jahr 2021 gaben 40 Prozent der Befragten an, zwei Sprachen zu sprechen. Neben Deutsch sind Türkisch, Russisch und Arabisch die meistgesprochenen Sprachen in deutschen Haushalten.
Doch diese Sprachen werden in Deutschland eher negativ bewertet. Das nennt sich Sprachdiskriminierung. Menschen, die neben Deutsch noch Französisch oder Englisch sprechen, genießen im Gegensatz dazu mehr Vorteile – etwa im Job.
Zweisprachigkeit steigert Kreativität
Aber egal welche Sprache: Wer mehr als eine spricht, hat andere Verknüpfungen im Gehirn als einsprachige Menschen. Studien zeigen, dass bilinguale Personen Informationen besser auf ihre Relevanz filtern können. Zudem zeigen einige Untersuchungen, dass das Erlernen von zwei Sprachen die Kreativität fördert und das Gehirnvolumen vergrößert.
Dadurch, dass bilinguale Menschen konstant zwei Sprachen auseinanderhalten müssen, erbringt das Gehirn mehr geistige Leistung. Das könnte einerseits erklären, warum sie in klassischen IQ-Tests besser abschneiden – andererseits aber auch, warum sie in der Regel länger brauchen, um Wörter zu finden.
Das ständige kognitive Training hat zudem einen weiteren großen Vorteil: Wer häufig zweisprachig unterwegs ist, baut einen gewissen Schutz vor Demenz auf. Das hat eine Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gezeigt. Demnach stellen sich diese positiven Effekte vor allem dann ein, wenn die zwei Sprachen von jung an täglich gesprochen werden.
Bilinguale Kinder sprechen später
Im Kindesalter fällt es Menschen besonders einfach, eine Sprache zu lernen, denn das Gehirn ist bis zum dritten Lebensjahr besonders aufnahmefähig. Eltern stellen jedoch häufig fest, dass ihre bilingualen Kinder später anfangen zu sprechen als einsprachige Gleichaltrige. Zudem erweitern sie ihre Grammatik und ihren Wortschatz oft langsamer.
Das liegt daran, dass sich die Phase der Sprachprägung nach hinten verschiebt. Eine US-amerikanische Studie hat gezeigt, dass bilinguale Kinder erst mit zehn bis zwölf Monaten die typischen Sprachmuster ihrer beiden Sprachen erkennen. Bei einsprachigen Kindern sei die Prägung in diesem Alter bereits abgeschlossen. Mit zunehmendem Alter lösen sich diese Probleme laut Experten aber von allein und die Kinder holen den Rückstand wieder auf.
Zweisprachigkeit beeinflusst Entscheidungen
Neben der allgemeinen geistigen Leistung des Gehirns hat die Zweisprachigkeit offenbar auch einen Einfluss auf das Entscheidungsvermögen. Dabei ist vor allem der Unterschied zwischen Mutter- und Zweitsprache entscheidend. In der Zweitsprache – also beispielsweise dem Englischen, das in der Schule gelernt wurde – sind Menschen einer US-amerikanischen Studie zufolge deutlich rationaler und entscheiden sachlicher. In der Muttersprache, die häufig in der Familie gelernt wurde, werden Entscheidungen emotionaler getroffen.
Sprechen bilinguale Menschen in ihrer Muttersprache – oder der Sprache, in der sie sich wohler fühlen –, fühlen sie zudem intensivere Emotionen und können Erinnerungen lebhafter erzählen. In der Zweitsprache erleben viele Menschen eine gewisse emotionale Distanz beim Sprechen.
- scinexx.de: "Besser bilingual?"
- spiegel.de: "Prägung im Säuglingsalter: Gehirn Zweisprachiger bleibt länger flexibel"
- te.ma: "Wie Zweisprachigkeit das Gehirn und die Kognition beeinflusst"
- dzne.de: "Im höheren Alter wirkt sich die Bilingualität positiv auf die Struktur des Gehirns und die Kognitionsfähigkeit aus"
- statista.com: "Umfrage zur Anzahl gesprochener Sprachen in Deutschland"
- destatis.de: "Geburtenzahl in Deutschland im Jahr 2023 gesunken"