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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Drei Stunden Rauch-Genuss Abenteuer XXL-Zigarren
Wer mutmaßt, dass es im Zuge fortschreitender Rauchverbote einen Trend zu kürzeren Zigarren gäbe, der irrt. Stattdessen greifen überzeugte Aficionados gerne auch weiterhin zu den großen Formaten aus den USA, Nicaragua, Honduras & Co. Es besteht gar ein Hang zu übergroßen Zigarren-Formaten, dem wir in diesem Beitrag einmal auf den Grund gehen wollen.
In der Tat ist der Faktor Zeit in diesem Zusammenhang ein Wesentlicher, denn die Dauer des Rauchgenusses wird von der Größe einer Zigarre bestimmt. Eine Zigarre schenkt zwischen einer Dreiviertel- und bis zu zwei Stunden Genuss - je nach Format. Gönnt man sich gar eine Montecristo A und raucht sie in Ruhe, können das auch bis zu drei Stunden sein.
Hektik ade!
Drei Stunden der Entschleunigung, der Entspannung und guter Gespräche unter Männern. Sie ist somit "sicherlich nichts für zwischendurch", wie Marc Benden, Chef von cigarworld.de, im Gespräch mit wanted.de erläutert. Er betreibt nach eigenen Angaben Europas größtes Zigarrenfachgeschäft nebst Zigarrenlounge in Düsseldorf. "Wobei man damit der Aufforderung des Arztes "nur eine Zigarre am Tag" auch besser nachkommen kann", erklärt Benden mit einem Augenzwinkern. >>
Der Trend zu großen Ringmaßen (= dicken Zigarren) stammt aus den USA und hat bereits vor einigen Jahren auch deutsche Zigarrenfans erreicht. Salih M. Dalay, der als Inhaber der "La Casa del Habano Saarbrücken" seit 1995 feine Zigarren und ausgewählte Spirituosen an den Mann bringt, beschreibt die Entwicklung so: "Man sollte wissen, dass bis vor fünfzehn Jahren das größte Ringmaß bei 48 lag. Jetzt haben wir Eumel mit 80er Ringmaß. Im Selbsttest ergibt dies eine langanhaltende Maulsperre, eine Rauchdauer von vier Stunden plus und Mitgefühl für die Damenwelt."
Extremformate für Enthusiasten
Auch hierzulande geben sich Enthusiasten inzwischen mit Ringmaßen von 65 und 70 ab. Das entspricht einem Durchmesser von 25,80 und 27,78 mm. Eine Dicke, die eigentlich Maulsperre verursachen könnte. "Dem ein oder anderen Aficionado wird beim Genuss dieser Zigarren Angst und Bange, beziehungsweise sagt das 'Mundgefühl' nicht jedem zu", weiß Benden, der in seinem Sortiment über 800.000 verschiedene Zigarren anbietet. >>
Wenn Großformate zur Gewohnheit werden, wirkt alles andere zu klein. Eine normale Robusto fühlt sich dann schon mal an "wie ein 'Micky Mouse Stick'", wie Dalay uns erklärt. "Sprich, ich habe kaum noch das Gefühl, eine Zigarre in der Hand zu halten." Zu den "dicken" Trendsettern auf dem US-Markt zählen die Asylum Cigars 13, die mit drei 8x80er-Zigarren derzeit den Gipfel an "fetten" darstellen. "8" steht hier für die Länge in Inch, "80" für das Ringmaß. Mutige sollten sich die kräftige "Corojo" und "The Ogre" (übersetzt: Unhold oder Menschenfresser) mit zweifarbigem Deckblatt merken. Für Dalay "ist beim 70er Ringmaß Schluss.
"Seine Empfehlung: "Eine CAO Flathead 770 schmeckt und lässt sich auch noch ganz gut managen. Bedenken sollte man auch, dass es nahezu unmöglich ist, bei Zigarren dieser Dicke einen komplexen und kräftigen Smoke zu kreieren."
Größer ist besser
Was also treibt den Genießer zu solchen Übergrößen, einmal vorausgesetzt, er bringt die notwendige Physis und das Budget an Zeit und Geld mit? Eine Theorie wäre, dass entsprechend voluminöse Zigarren aufgrund Ihrer Optik das Gegenüber beeindrucken und ein gewisses Maß an Respekt einflößen sollen. Für die "Gran Corona" oder "Churchill" (zum Beispiel eine "Punch Churchills", benannt nach dem englischen Premierminister Winston Churchill) trifft das bezüglich Ihrer Länge von 235 und 178 mm und trotz bescheidenem Durchmesser von 18,65 mm ganz sicher zu. Oder sind gar Rückschlüsse auf die Anatomie des Genießers erlaubt, gestreng nach dem Motto: "Wie die Zigarre eines Mannes, so sein Johannes"? Steht die Größe für den gesellschaftlichen Stand, beruflichen Erfolg oder besondere Stärke und Manneskraft?
"Selbst Habanos, die eher auf der konservativen Seite der Innovationsstraße unterwegs sind, haben jetzt mit der Cohiba Robustos Supremos und einem Ringmaß von 56 ihren bisher dicksten Prügel ins Rennen geschickt", für Salih M. Dalay "eine der besten Zigarren all time." Erfahrene Zigarrenfreunde wissen, dass der Rauch bei größeren Ringmaßen kühler bleibt. Die Zigarre wird somit weder zu heiß, noch geht sie aus, weil zu selten daran gezogen wird. Auch feine Aromen können sich in einer dicken Zigarre besser entfalten.
"Aufgrund des extremen Durchmessers können zeitgleich einfach mehr unterschiedliche Tabake verbrannt werden, die dann ein ungleich komplexeres Raucherlebnis bieten", erklärt uns Marc Benden. Gerade lange schlanke Formate, wie die klassischen Gentleman-Zigarren, fordern da deutlich mehr Rhythmus und Aufmerksamkeit. Bei dicken Zigarren sind Abbrand und Zugverhalten hingegen besonders ausgewogen. Das Rauchen ist somit einfacher. >>
Eine andere Theorie könnte sein, dass durch die Dicke einer Zigarre beim neidvollen Betrachter auch eine gewisse Stärke im Geschmack assoziiert wird. Auch hierfür müssen Sie Ihrem Gegenüber zukünftig aber kein Übermaß an Respekt mehr zollen. Zwar sind lange dicke Zigarren intensiver im Geschmack als die kleineren Varianten desselben Tabaks. Begründen lässt sich das aber dadurch, dass sich durch die längere Brenndauer die Aromen besser entfalten können. Stärke und Geschmack werden zwar vom Verhältnis von Durchmesser und Länge beeinflusst, entscheidend hierfür ist aber die Einlagemischung. Und gerade dicke Formate präsentieren sich oft ausgewogener, als ihre schlanken Verwandten.
Die bittere Wahrheit
Zu "dick" gesellt sich nun oft auch noch "dunkel". Und lässt somit auf eine Kombination aus physischer Schwerstarbeit und maximal bitterer Geschmacksnuancen schließen? Nicht ganz. Einfluss auf den Geschmack einer Zigarre haben im Wesentlichen die Tabake der Einlage und die Art und Reife der verwendeten Tabakblätter. Daher entscheidet nicht das dunkle Deckblatt, wie kräftig eine Zigarre schmeckt. Laut Dalay liegt dies daran, dass "Deckblatt und Umblatt im Verhältnis zur Einlage kaum noch ins Gewicht fallen". Für einen Geschmackstest in der größten "Gewichtsklasse" empfiehlt Benden zwei Zigarren aus dem Hause EPC Inch: Die "No. 70 Churchill Gigante" und die Variante mit dunklerem "Maduro"-Deckblatt. Der mittelkräftigen Intensität der Gigante mit Holz- und Pfefferaromen werden durch das Maduro-Deckblatt leicht süßliche Noten von Kakao und Kaffee hinzugefügt. Wer sich für ein Großformat entscheidet, der wählt den langen und entspannten Rauchgenuss mit der Chance auf ein intensives Geschmackserlebnis. "Einen Versuch sind die Kaventsmänner auf jeden Fall wert," rät Zigarrenprofi Dalay.
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