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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Leben Das deutsche Burgunder-Wunder
Der weltberühmte Pinot-Noir-Rotwein aus dem französischen Burgund bekommt Konkurrenz aus Deutschland. Inzwischen sind die besten Weine von so hoher Qualität, dass sie bei internationalen Verkostungen oft besser als die Burgunder abschneiden. Die Folge: Die Preise steigen. Ein Sommelier-Weltmeister erklärt den Erfolg.
Riesling kommt aus Deutschland, na klar. Aber ausgerechnet Rotwein? Für Markus Del Monego ist das nichts Neues. Der Sommelier-Weltmeister 1998 trägt seit 2003 den Titel "Master of Wine". Weltweit haben bislang nur 340 Kenner die extrem anspruchsvolle Ausbildung des hoch renommierten gleichnamigen Instituts absolviert.
Weine mit "eigenem Stil"
Er verfolgt seit über 25 Jahren die Entwicklung der Weine aus der Rebsorte Spätburgunder, die seit Jahrhunderten im Burgund "Pinot Noir" heißt. "Die deutschen Spitzenwinzer haben es geschafft, nicht nur das Niveau des Burgund zu erreichen. Sie haben einen eigenen Stil geprägt", erzählt der Weinexperte. Die Weine zeichneten sich durch "eine sehr präzise Fruchtdefinition aus, ohne plakativ zu wirken". In deutschen Spitzenbetrieben würde das Barriquefass im Ausbau eine wichtigere Rolle als im Burgund spielen, doch ohne die üblichen, intensiven Rauch- und Vanillenoten. "Das Fass macht das perfekte Reifen des Weins >>
möglich, aber es wird nicht eingesetzt, um zusätzliche Aromen zu erhalten." Nun böten die besten Weine eine "großartige Tiefe und Länge mit tollem Alterungspotential".
Seit einigen Jahrgängen gehört Deutschland zur Pinot-Elite. Der Spätburgunder steht hier auf knapp 11.800 Hektar – damit sind wir das drittgrößte Anbauland nach Frankreich und den USA. 1964 waren es nur 1800 Hektar, in rund 50 Jahren hat sich der Anbau verzehnfacht. Doch bei internationalen Top-Verkostung zählen ausschließlich Finesse, Komplexität und Eleganz. Da sind die deutschen Spitzen-Pinots mittlerweile ganz vorne dabei. Und das hat seinen Preis: Der 2009 Pinot Noir "Hommage" des renommierten Pfälzer Weinguts Friedrich Becker kostet inzwischen knapp 200 Euro, sein 2006 Pinot Noir "Res" steht in vielen Weinläden für etwa 150 Euro.
Der 2012 Spätburgunder "Wildenstein R" des badischen Spitzenweinguts Huber aus Malterdingen ist derzeit für 120 bis knapp 150 Euro zu haben. Der Rheingauer Top-Produzent August Kesseler aus Assmannshausen verkauft seine beiden Top-Burgunder aus den >>
renommierten Schiefersteillagen Höllenberg und Berg Schlossberg schon seit einigen Jahren für einen dreistelligen Preis, aktuell für 120 Euro pro Flasche. Sie sind ab Hof aber nur zu haben, wenn man auf der Kundenliste steht.
Pioniere des neuen Weintrends
Kesseler gehört zu den Pionieren dieser Entwicklung: 2005 gab der damals weltweit wichtigste Weinkritiker Robert Parker seinem 2002-er Spätburgunder aus dem Höllenberg mit 94 von 100 möglichen Punkten eine Traumnote. Es war der erste deutsche Rotwein, dem der US-Kritiker eine so hohe Punktzahl erteilte. Danach schenkte eine Weinbar in Manhattan den Wein zwei Jahre lang aus – für 50 Dollar pro Glas. 2008 folgte die nächste Überraschung: Bei den World Wine Awards der britischen Weinzeitschrift "Decanter", einem der renommiertesten internationalen Wettbewerbe, erhielt das Weingut Meyer-Näkel aus Dernau an der der Ahr für seinen 2005 Spätburgunder aus dem Dernauer Pfarrwingert die höchste Pinot-Noir-Auszeichnung - vor den Spitzenweinen aus dem Burgund.
"Man muss sich vorstellen, Deutschland hat alle großen Pinot-Noir-Herkünfte der Welt geschlagen", staunte die Verkostungsdirektorin Christelle Guibert. Der Wein kostete damals knapp 50 Euro.
Anbau von Rotwein in Deutschland immer beliebter
Was vordergründig so überraschend wirkt, hat eine lange Geschichte. "Einige deutsche Winzer sind seit 25 Jahren mit unglaublichem Enthusiasmus dabei", betont Markus Del Monego, "sie wollten Weine wie im Burgund produzieren. Nun haben sie das schon weit oben liegende Basiscamp erreicht, um in den kommenden Jahren die höchste Spitze der Welt zu erreichen." In den 70-er- und 80-er-Jahren gab es in Deutschland wenig anständigen Rotwein. In den 60-er-Jahren machten die Rotweinreben nur etwa 15 Prozent der Anbaufläche aus, heute sind es schon etwa 36 Prozent. >>
Wissenstransfer aus dem Burgund
Der Siegeszug des Spätburgunders hat auch mit dem Klimawandel zu tun. Denn seit einigen Jahren erreichen die Reben eine perfekte Reife – früher kam das in zehn Jahren höchstens zweimal vor. Doch das ist nicht der wichtigste Punkt: "Die deutschen Winzer haben Freundschaften im Burgund geschlossen, durften dort arbeiten und Praktika absolvieren, konnten so Techniken und Feinheiten erlernen sowie mit dem Wissen experimentieren", erzählt Del Monego, "und sie können nun auch, anders als früher, allerbeste Holzfässer bekommen."
Eines sei, so der Master of Wine, aber entscheidend: "Manche deutsche Weinmacher konnten im Burgund auch lernen, wie man es nicht macht." In der Präzision und Konsequenz der Arbeit, im Kellermanagement und bei der Sauberkeit im Keller seien sie vielen burgundischen Betrieben längst überlegen. In der Entwicklung gäbe es Stabilität: "Die Winzer haben die entscheidenden Prozesse nun im Griff".
Hohe Qualität zum vergleichsweise kleinen Preis
Deswegen gelten deutsche Spitzen-Pinots international längst als Sonderangebot: "Viele der besten Spätburgunder sind hier noch für 50 bis 80 Euro zu haben" – etwa bei Waßmer, Molitor, Meyer-Näkel, Huber, Bercher, Salwey, Dujin oder Fürst. "Dafür bekommt man bei den burgundischen Top-Gütern höchstens die Mittelklasse." Im Schnäppchenland Deutschland winken die Weinfreunde bei diesen Preisen ab – im Ausland gelten sie dagegen als extrem günstig.
Del Monego prophezeit: Die Preise werden steigen. Denn die internationale Anerkennung spiegele noch längst nicht die hohe Qualität. "Ich habe kürzlich in Oslo mit den besten Sommeliers des Landes deutsche Pinot Noirs verkostet", erzählt Markus Del Monego, "die waren überrascht und total begeistert, für wie wenig Geld hier solch gute Weine zu haben sind."
Die Top-Burgunder finden Sie in unserer Fotoshow.