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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Essen & Trinken Dry Aged Beef zum Selbermachen
Feiner Genuss für zu Hause: Ohne großen Aufwand lässt sich aus einem Stück Fleisch ein Genuss zaubern, der Gourmets begeistert. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten, Dry Aged Beef selbst herzustellen.
Dry Aged Beef ist hervorragendes Steakfleisch, das durch Abhängen im Kühlhaus bei konstanter Temperatur an Feuchtigkeit verliert und durch das Reifen besonders zart und aromatisch wird. Die guten Steakhäuser versorgen sich heute aus eigenen Kühlkammern, in denen das Fleisch bei knapp über Null Grad bis zu sechs Wochen reift. Dabei bildet sich an der Oberfläche eine Schicht, die hart wie eine Brotkruste ist, intensiv riecht und nicht eben appetitlich aussieht. Doch diese Kruste wird vor dem Zubereiten meist abgeschnitten. Dahinter wartet edles, gereiftes Fleisch mit feiner Faserstruktur und tief dunkler Farbe.
Der eigene Reifeschrank
Möglichkeit eins: Sie legen sich einen eigenen Reifeschrank zu, zum Beispiel den "Dry Ager" (3295 Euro). Im ersten Moment mag das noble Küchengerät teuer scheinen, doch der Vorteil liegt auf der Hand: Anstatt pro Kilo Edelfleisch 50 Euro beim Feinkosthändler Ihrer Wahl zu latzen, können Sie einen Rückenstrang für zehn Euro beim Metzger kaufen und reifen lassen. Zudem lässt sich der Lieblingscut so selbst bestimmen: Soll es ein T-Bone-Steak oder doch lieber das Filet sein?
Die Luftfeuchtigkeit sowie Temperatur und damit das Geschmacksergebnis lässt sich eigenhändig bestimmen. Für den Dry Ager ist kein Starkstromanschluss notwendig, die übliche 230-V-Steckdose reicht aus. Und wer kann schon behaupten, das eigene Dry Aged Beef reifen zu lassen - die Vitrine sorgt in jedem Fall für Gesprächsstoff bei Gästen. Weitere Anbieter für Reifeschränke sind unter anderem Rauschenbach, Seeve oder Nordcap.
Reifung im speziellen Beutel
Die zweite Möglichkeit klingt unkonventionell und weniger spektakulär, lässt sich jedoch ohne viel Geld für Technik realisieren: die Reifung im Beutel. Eine Entdeckung aus Bayern: Der Münchner Markus Delfs hat beruflich lange in den USA gearbeitet und vor etwa sieben Jahren in einem traditionellen Steak-Restaurant in Chicago zum ersten Mal Dry Aged Beef gegessen, das dort eigens gereift wurde. "Das war sensationell, dieser Geschmack hat mich nicht mehr losgelassen", erinnert er sich.
"Später habe ich auch hier versucht, Dry Aged Beef zu kaufen, aber es gab hier einfach keins", erzählt er. Später suchte er Kontakt zu den Herstellern der Kühltechnik. Und so stieß der Experte auf spezielle Reifebeutel, die er heute über seine Website 55grad.biz als erster in Europa vertreibt. Auch der Vakuumverpackungs-Anbieter Landig und Lava aus Bad Saulgau hat sie im Programm. Mit diesen drei bis sechs Euro teuren Einmalbeuteln lässt sich das Gourmetfleisch ziemlich einfach in einem normalen Kühlschrank reifen. "Die Beutel sind keine Vakuum-Beutel", erklärt er, "sie sind durchlässig für Sauerstoff, aber nicht für Gerüche und Bakterien."
Damit könne das gute Stück Fleisch auch neben Gemüse oder Käse liegen. Etwas Übung sei nur beim Verschließen mit dem Vakuumierer nötig. Dazu sei ein taugliches Gerät nötig, das ab etwa 120 Euro zu haben ist. "Die billigen Vakuumiergeräte für den Haushalt kriegen nicht die richtige Schweißnaht hin", betont er. Doch im Zweifelsfall ist nicht einmal das nötig. Nach einiger Zeit des Experimentierens fand Delfs heraus: Wird der befüllte Beutel für drei bis fünf Tage in einen Damen-Nylonstrumpf geschoben und gekühlt, stellt sich der nötige Membraneffekt ebenso gut wie im perfekt verschlossenen Beutel ein.
Extreme Aroma-Verdichtung
Das Wichtigste dabei: Hände waschen, äußerste Sauberkeit bei Messer und Schneideflächen sowie die richtige Kühlschrank-Temperatur. "Nur bei +2 bis +4 Grad sind die Enzyme auf eine Weise aktiv, die diese Reife möglich machen. Ist es kälter, stellen sie ihre Arbeit ein, ab sechs Grad entwickelt sich die Reife unkontrolliert, sie kann unter Umständen den Geschmack des Fleisches verderben." Zur Reife sei daher ein moderner Kühlschrank nötig, der stabil diese Temperatur erzeugt. Darin wird der Beutel separat auf ein Gitter gelegt, er darf keine anderen Lebensmittel berühren. Drei Wochen abwarten, aus dem Beutel holen und ab auf den Grill oder in die Pfanne. In dieser Zeit des "trockenen Reifens", des Dry Aging, verdunstet langsam und gleichmäßig das eingelagerte Wasser.
Nun reichern sich der süß schmeckende Zucker und die geschmacksverstärkenden Proteine an, die den saftigen Umami-Geschmack erzeugen. Umami ist japanisch und bedeutet, fleischig und herzhaft - also besonders vollmundig. Durch den Wasserentzug und die Konzentration der Moleküle entsteht ein wesentlich intensiverer Fleischgeschmack als beim Steak aus der Fleischtheke. Zudem oxidiert das Fett. "Rindfleisch enthält einen hohen Anteil gesättigter Fettsäuren, es entwickelt ein wunderbar nussiges Aroma", weiß Markus Delfs. "Die im Reifebeutel entstehende Kruste kann man essen, aber das ist Geschmackssache. Oft wird sie herunter geschnitten und weggeworfen." Doch daraus lasse sich ein hoch aromatischer Fond kochen, sagt Delfs.
Je besser die Qualität des Fleischs, desto besser das Ergebnis: "Für die Geschmacksentwicklung braucht es eine ausgeprägte Fettmarmorierung." Vor allem sollte es möglichst aus Deutschland oder einem Nachbarland kommen. "Argentinisches Steak hat vor dem Kauf bereits mehrere Wochen in einer Vakuumfolie gelegen, ist also in einer luftdichten Umgebung weiter gereift. Dies führt oft dazu, dass die vorhandene Milchsäure nicht mehr wie beim Dry Aging abgebaut werden konnte, das Fleisch erhält einen säuerlichen, metallischen Geschmack." Also: Mitunter ist der lange Transport aus Übersee in der echten Vakuum-Verpackung kein wirklicher Vorteil.
Lamm oder Rind für Dry Aged Beef
Für Markus Delfs ist das beste Fleisch zum Dry Aging das klassische Ribeye-Steak. "Mit einem ordentlichen Stück von der deutschen Färse aus dem Großmarkt kann man erstaunlich gute Ergebnisse erzielen", betont er. Eine Färse ist übrigens ein weibliches Rind, welches keine Kälber hat. Der Gourmet empfiehlt auch gerne Lamm-Carrée mit nur einer Woche Reifezeit: "Das ist echt ein Traum: Kross und butterzart!" Für den Reife-Experten gibt es nur eine Zubereitungsart: Auf dem Grill.
Wer den Grill nicht aufbauen mag, kann auch einen Beefer zum Grillen in der Küche kaufen. Das Fleisch wird nur wenig gewürzt, damit es sein Aroma entfalten kann – keine Gewürzmischung, keine Fertigsauce. Nur gutes Salz, vielleicht ein Hauch frisch gemörserter Pfeffer. Ab auf den Teller – aber mit dem Hinweis, jetzt werde selbst gereiftes Steak serviert. Das Staunen der Gäste ist sicher. Feine Gourmet-Impressionen und eine Schritt-für-Schritt-Anleitung finden Sie in unserer Fotoshow.