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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kulinarik Die Hardcore-Geheimnisse der China-Küche
Vergessen Sie alles, was Sie über die wissen: Es ist noch viel heftiger. Famose Gerichte aus Rind, Lamm, Schwein oder Ente gibt es zuhauf. Doch für manche Speisen brauchen Sie Magennerven aus Stahl.
Regel Nummer eins im Reich der Mitte: Alles, was nicht flüchten kann, wird gekocht, gegrillt oder gegart. Schwalbennester kennen Sie schon: Die Chinesen begeistern sich für den Speichel, der eine medizinische Heilwirkung haben soll. Hier müssen Sie in der Apotheke 30 Yuan pro Gramm zahlen, das sind rund vier Euro.
In China wird fast alles gegessen
Doch es gibt noch mehr: Nur die härtesten China-Touristen trauen sich an gegarte Seidenraupen, an Schildkröten und Seewürmer, das Innere eines Kamelhufes oder an geröstete Skorpione – wobei Letztere noch einigermaßen erträglich sein und nach krossen Schrimps schmecken sollen. Die giftigen Insekten werden in den Hutongs, das sind die Altstadt-Gassen von Peking, als kleiner Snack am Spieß angeboten. Eine Köstlichkeit ist für Chinesen die Seegurke: Das glibbrige Meeresgetier schmeckt eigentlich nach nichts. >>
Doch es hat eine besondere Eigenheit: Im Fall eines Angriffes spuckt das Tierchen einen Teil seiner Innereien aus, die der Raubfisch schluckt. Danach produziert die Seegurke umgehend neue Organe.
Diese Eigenschaft des auch Seewalze genannten Tierchens erscheint den Chinesen wunderbar – sie verspricht Regeneration und Gesundheit. So werden die Bewohner des Meeresbodens für rund zehn Euro pro Stück im Restaurant angeboten. Getrocknete Seegurke kann schnell 8000 Yuan kosten, das sind 1000 Euro.
Ansonsten essen die Chinesen wirklich alles: Der Kopf gilt oft als das edelste Stück von Fisch oder Ente, ebenso die Füße der meisten Tiere. Und Fleisch mit Knochen ist wesentlich teurer als ein Filet. Kein Chinese würde aber Mineralwasser mit Kohlensäure trinken. Suppe wird in der chinesischen Sprache getrunken, Tee wird gegessen - also wird herzhaft geschmatzt, wenn ein Teeblatt mit dabei ist. >>
Der Boss sitzt am Kopfende des Raumes
Im Restaurant wird meist in einem Einzelzimmer gespeist, in dem ein runder Tisch steht. Am Kopfende des Zimmers sitzt immer die wichtigste Person, die zuerst bedient wird – und links neben dem Patriarchen sitzt dessen Adjutant.
Auf dem runden Tisch ruht eine schwere, drehbare Glasplatte – die immer nur im Uhrzeiger-Sinn gedreht wird, sonst droht Unglück. Auf der Platte wird all das serviert, was der Koch gerade fertig hat. Das heißt: Eine süße Vorspeise wird munter neben den Hauptgang gestellt. Wenn aber auf die Platte Obst aufgetischt wird – plus Tomaten, die gelten nämlich nicht als Gemüse – dann ist der letzte Gang serviert.
Übrigens essen die Chinesen nicht von einem eigenen Teller – alles geht von der Platte direkt in den Mund. Zwar gibt es kleine Teller am Platz, doch die sind für das Ausspucken von Knochen oder Gräten gedacht. Die Peking-Ente wird in der Hauptstadt so serviert: Entenstücke werden in Reis-Pfannkuchen mit Lauch und Gurke und einer Bohnen-Soße gewickelt. Gegessen wird dann mit der Hand.
Höllenschnaps Maotai als Vertrauenstest
Natürlich wird auch kräftig gebechert – mit Maotai. Der Klare bringt bis zu 70 Umdrehungen ins Glas, die Standard-Stärken sind 53 oder 63 Prozent. Warum dieser Nationaltrank aus Getreide und Hirse mehrere hundert Euro pro Flasche kostet, ist uns ein Rätsel: Nach dem Öffnen macht ein modriger Duft nach DDR-Laminat und alten Socken jede Flucht unmöglich. Im Mund breitet sich in den ersten Sekunden ein süßlich-schweres Aroma verfaulter Mirabellen aus – und dann ist Schluss, weil alle Geschmacksnerven abgetötet sind. Trotzdem werden Sie als Ausländer kräftig trinken müssen: Genau wie in Russland gilt ein Geschäftspartner nur dann als vertrauenswürdig, wenn seine Zunge durch den Höllenbrand gelöst wurde. >>
Richten Sie sich darauf ein, dass die Adjutanten Ihres Gastgebers Sie ständig anprosten – Sie werden ja auf Nehmer-Qualitäten getestet. Bei einem Schummelversuch mit Wasser sind Sie für alle Zeiten unten durch. Natürlich werden Ihre chinesischen Gastgeber Sie ganz ungeniert nach allen Details fragen: Welchen Beruf Sie haben, was Sie verdienen, wie alt Sie sind – das gilt auch für Frauen.
Nur nicht das Gesicht verlieren
Schon beim Zuprosten gelten in der Volksrepublik geheime Regeln: Jeder will beim Anstoßen das Glas tiefer halten, um Bescheidenheit zu demonstrieren, beide Seiten gehen also nach unten. Damit die Trink-Gesellen nicht am Boden landen, stoppt irgendwann der Rangniedere das Treiben, indem er das Glas des Gegenübers festhält und anstößt. Häufig wird auch ein Prost in die Runde geworfen: Dann dient die gläserne Tischplatte als Buschtrommel, alle prosten sich mit klirrenden Gläsern zu.
Falls Sie nach der Maotai-Schlacht noch bei Sinnen sind, beginnt das Feilschen um die Rechnung. Jeder versucht, den anderen davon zu überzeugen, dass er und kein anderer die Zeche zahlen muss. Geteilt wird nie, schon gar nicht, wenn Mann und Frau ausgehen – dann würde jemand sein Gesicht verlieren. Genau das gleiche gilt, wenn alles leergegessen wurde: Dann wird der Gastgeber nachordern, damit es nicht heißt, er sei geizig gewesen. Die meisten Westler gelten in China übrigens als knausrig.
Noch eine Bemerkung zum Abschluss: Das chinesische Essen besteht natürlich keineswegs nur aus Abstrusitäten – ganz im Gegenteil: Famose Gerichte aus Rind, Lamm, Schwein oder Ente gibt es zuhauf. Durch das Essen in kleinen Bissen merken Sie gar nicht, wie viel Sie schlemmen. Rechnen Sie damit, dass Sie in einer Woche etwa fünf Kilogramm zunehmen. Bilder der ungewohnten Speisen aus dem Reich der Mitte finden Sie in unserer Fotoshow.