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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das richtige Accessoire zum Wein Das richtige Glas für feinen Wein
Da gibt man viel Geld für eine gute Flasche Wein aus - und gießt ihn in die Weinrömer der Großeltern. Darin schmeckt er genauso wie die Fünf-Euro-Flasche aus dem Supermarkt, weiß Weinexperte Markus Del Monego. Der "Master of Wine" und Sommelier-Weltmeister 1998 erklärt, - und warum.
Das Experiment ist einfach. Man nehme einen sauberen Zahnputzbecher und ein sehr gutes Weinglas. In beide gieße man einen guten Schluck anständigen, hochwertigen Rotwein. Und nun: Kosten. Zuerst aus dem Zahnputzbecher, danach aus dem Weinglas. "Mit dem Zahnputzbecher schmeckt man Säure und Bitterstoffe, aber fast keine Frucht, der Wein entwickelt keinen Duft und keine Finesse", erklärt Markus Del Monego, "im guten Glas schmeckt derselbe Wein tief, komplex und finessenreich."
Experiment zeigt: Glas entscheidet über Geschmack
Del Monego bestand 2003 die weltweit renommierteste Expertenprüfung für Weinprofis: Den "Master of Wine" (MW). Seit dem ersten Ausbildungsjahr 1953 sind bis heute nur 318 Masters ernannt worden - Del Monego war der zweite Deutsche. >>
Den Versuch mit dem Zahnputzglas empfiehlt er Einsteigern, die verstehen wollen, warum ein gutes Glas so wichtig für den Genuss ist. "Wein verändert sich stark mit Sauerstoffkontakt", erklärt er, "erst damit entwickelt er einen charakteristischen, im besten Fall feinen Duft und Geschmack. Das Glas muss die Aromen und Nuancen des Weins dem Gaumen und der Nase eröffnen. Im Versuch hat man das Gefühl, zwei verschiedene Weine zu kosten."
Doch gute Gläser kosten Geld, und sie enden erfahrungsgemäß viel öfter in Scherben als die billigen Humpen, die im Schrank verstauben. Die Grundregeln für gute Gläser sind einfach: "Ein Weinglas benötigt eine geschlossene Tulpenform, in der sich Duft und Aromen mit ausreichend Sauerstoff entwickeln können und gebündelt werden", sagt Markus Del Monego. Die bunten Kristallgläser in V-Form aus Großmutters Schrank eignen sich für ihn überhaupt nicht. "Man erkennt nicht die Farbe des Weins, die Aromen können sich nicht entwickeln, und was sich öffnet, verschwindet in der Luft." Genau das gleiche Prinzip gilt übrigens bei Whisky, Profis verwenden Nosing-Gläser, welche die Aromen verdichten. >>
Komplett uneeignet sind die traditionellen Weinrömer. "Die werden im Gasthaus bis zum Rand gefüllt. Wie soll man da etwas riechen? Und was nicht gut riecht, schmeckt auch nicht", erläutert er die Verbindung zwischen Nase und Gaumen. Ein gutes Glas mit fein berechneter Tulpe betont dagegen das Spiel der Aromen, die einen guten Wein ausmachen. Rotwein benötigt zum Öffnen der Aromen allerdings meist mehr Sauerstoff als Weißwein, daher sind die Gläser deutlich größer als Weißweingläser. "Die Aromen von Weißwein brauchen nicht so viel Glasvolumen", sagt Markus Del Monego.
Sehr gute Gläser in der Preisklasse von etwa 20 bis 90 Euro kommen beispielsweise von den renommierten Herstellern wie Riedel, Spiegelau und Zalto, dazu die Serie des Schweizer Bordeaux-Experten René Gabriel sowie die erst kürzlich vorgestellte Kollektion "Edi the Nose" mit gebogenem Stiel, die der Schweizer Verkostungsexperte Edi Graf entwickelt hat. Mit diesen Gläsern kann man den Sinneseindruck durch die unterschiedliche Neigung des Kelches noch interessanter machen. Je nach dem Winkel, in den man das Glas mit dem nasenförmigen Stiel neigt, verändern sich die Aromen des Weins. Selbst Leitungswasser soll je nach Neigung seinen Geschmack verändern. Das Bordeaux-Glas aus Grafs Kollektion wird sogar bei den Weltmeisterschaften der Baristas eingesetzt.
Alle diese Serien eignen sich gut, um Wein auf höchstem Niveau zu genießen. Verschiedene Gläser eröffnen allerdings unterschiedliche Nuancen im selben Wein. "Da kommt es auf den subjektiven Sinneseindruck an", weiß der Weinexperte aus Erfahrung. Denn je nach Konstruktion des Glases werde die Süße eines Weins betont, wenn er zuerst die Zungenspitze benetzt. Komme zuerst der Gaumen mit dem Wein in Kontakt, entwickele sich die Säure deutlicher. "Da muss man ausprobieren", empfiehlt Del Monego, am besten kaufe man zunächst drei Gläser und vergleiche, bevor man sich ein komplettes Set zulegt.
Für Del Monego ist zudem die Stärke von Stiel und Kelch ein wesentlicher Faktor: Die Dicke des Glasrands beeinflusse deutlich das Entfalten der Geschmackskomponenten auf der Zunge und den Aromentransport vom Gaumen zur Nase: "Je feiner das Glas, desto angenehmer ist das Trinken, umso feiner entfalten sich die Nuancen im Mund." >>
Für Markus Del Monego ist aber nicht entscheidend, dass ein Glas in Handarbeit entsteht - auch relativ günstige Kollektionen der Top-Hersteller aus Serienfertigung seien mittlerweile auf so hohem Niveau, dass Wein sich darin hervorragend entwickle. Wer bereits ein wenig Erfahrung gesammelt hat, für den hat er noch ein paar Tipps: "Tanninbetonte Weine wie Bordeaux oder der Rebsorten Sangiovese und Blaufränkisch benötigen hohe, lang gezogene Gläser. Weine aus Pinot Noir, Nebbiolo oder Syrah schmecken in bauchigen Gläsern besser. Darin geht auch Chardonnay aus dem Barrique hervorragend. Beim Weißwein sind kugelförmige Gläser für Weiß- und Grauburgunder sowie Chardonnay ohne Holzausbau am besten geeignet, der komplexe Riesling mit Frucht und prägender Säure braucht ein hohes, schlankes Glas. "Und wer bei so vielen Formen nach dem Öffnen der Flasche unsicher ist, muss sich, so Markus Del Monego, keine Sorgen machen: "Mit dem schlankeren Glas ist man immer auf der sicheren Seite." Die renommierten Produzenten haben sogar für fast jede Rebsorte ein eigenes Glas entworfen. Doch diese Nuancen sind auch für Profis oft nur schwer erkennbar. Der Hersteller Zalto ist einen anderen Weg gegangen: Zunächst gab es nur ein jeweils aufwendig entwickeltes Universalglas und Weißweinglas. Mittlerweile sind auch ein Bordeaux- und ein Burgunderglas zu haben.
Fazit: Zwar gibt es für jeden Wein ein passendes Glas - doch eine gefüllte Glas-Vitrine kann schnell ein Loch in das Portemonnaie reißen, mit dessen Inhalt man eigentlich weitere feine Weine hätte kaufen können. Del Monego hat daher eine schöne, einfache Empfehlung für Einsteiger. "Auch wenn der Keller mit guten Weinen gefüllt ist: Ein sehr gutes Rotwein- und ein Weißweinglas sind zum richtigen Genuss genug." Mit zwei sehr guten Gläsern ist man immer auf der sicheren Seite - wenn man sie getestet hat und für gut befindet. Weitere und speziellere Gläser sind sicherlich gut, müssen aber nicht unbedingt sein. Wichtig ist aber: Ein gutes Rotweinglas hat erstens eine hohe Tulpe und zweitens eine großes Volumen, damit genug Sauerstoff den Wein belüftet. Und Weißwein braucht nicht so viel Luft, daher ist deren Volumen bei ebenfalls hoher Tulpe kleiner, die Gläser sind kleiner und etwas schlanker. Für Del Monego ist auch kein spezielles Glas Champagner nötig: Die üblichen Sektflöten seien zu schmal, um seine kraftvollen Aromen zu entfalten. Also weg damit, empfiehlt Markus Del Monego. "Ich trinke Champagner aus dem Weißweinglas. Das ist genau richtig."
Noch ein Tipp aus der wanted.de-Redaktion: Wer auf der Suche nach einem passenden Geschenk ist, sollte davon ablassen, Weingläser gravieren zu lassen. Diese sind meist aus minderer Qualität. Der Beschenkte freut sich sicherlich mehr über ein paar ordentliche Gläser, mit denen der Wein besser schmeckt, als über ein paar billige mit Gravur! Sehen Sie die besten Weingläser auch in unserer Foto-Show.