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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Skandal um verunreinigte Ware Gewerkschaft schildert "Regime der Angst" bei Wursthersteller
Zwei Menschen sind nach dem Verzehr von Wilke-Wurstwaren gestorben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erhebt nun weitere Vorwürfe gegen den Wursthersteller.
Nachdem Anfang Oktober der Wursthersteller Wilke wegen Listerienbelastung in seinen Produkten geschlossen wurde, hat das Unternehmen Insolvenz beantragt. Laut Andreas Kampmann, NGG-Geschäftsführer, soll das aber lange vorhersehbar gewesen sein. Der Wilke-Geschäftsführer soll eine Art "Regime der Angst" geführt haben, sagte Kampmann im Gespräch mit t-online.de.
War Wilke-Insolvenz lange absehbar?
Die Insolvenz, die jetzt beantragt und mit der behördlichen Schließung des Unternehmens begründet wurde, sei lange absehbar gewesen. Bereits im August hätten die Mitarbeiter auf ihren Lohn gewartet und eine finanzielle Schieflage sei offenkundig gewesen, sagt Kampmann.
"Die Löhne für September stehen noch aus – keiner weiß jetzt, wie es weitergeht", berichtet Kampmann aus einer Gewerkschafts-Veranstaltung vom Dienstag. "Die finanzielle Schieflage existiert seit Jahren, die Insolvenz wurde durch den Skandal höchstens beschleunigt."
"Mechanismen der Macht" bei Wilke-Wurstwaren
Seit mindestens sieben Jahren seien immer wieder Wilke-Mitarbeiter mit Beschwerden zur Gewerkschaft gekommen. Der Wilke-Geschäftsführer habe verschiedene Mechanismen gehabt, um seine Macht gegenüber seinen Mitarbeitern zu demonstrieren.
Er habe entweder geschrien, sie mit Missachtung gestraft oder in andere Abteilungen versetzt und Mobbing systematisch gesteuert. Viele hätten daraufhin resigniert und Miss-Stände nicht mehr angesprochen. Zudem herrschte ein hoher Krankenstand. Wer gehen konnte, hat das Unternehmen verlassen. "So ist natürlich auch Personalmangel entstanden", sagt Kampmann.
"Große Zweifel" an Hygiene-Schulungen
"Der Geschäftsführer wollte eigentlich gar nicht wissen, was in seinem Unternehmen schief läuft", ist Kampmann überzeugt. Die Belegschaft bestehe aus Stammbeschäftigten, Mitarbeitern einer Zeitarbeitsfirma und Kollegen aus einem Werkvertragsunternehmen aus Ungarn.
Die ungarischen Mitarbeiter sollen schlecht bezahlt und untergebracht worden sein. Und hier vermutet Kampmann auch eine Fehlerquelle der Hygiene: Eigentlich sind regelmäßige Hygieneschulungen des Unternehmens Pflicht. "Wenn Mitarbeiter diese nicht bekommen oder sprachlich nicht verstehen, habe ich große Zweifel, ob sie richtig handeln konnten."
Hinzu komme, dass Zeitarbeiter häufig an einem Tag beispielsweise im Metallunternehmen und am nächsten dann im Lebensmittelbetrieb arbeiten würden. "Aber der Produktionsleiter und der Geschäftsführer müssen die Miss-Stände gesehen haben – man kann nicht sagen, das habe keiner gewusst."
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Kampmann kenne kein anderes Unternehmen in Nordhessen, dass so geführt worden sei. Wilke selbst reagiert seit der Schließung nicht mehr auf Anfragen.