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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brennendes Frachtschiff Experte warnt: "Sinken hätte fatale Folgen für die Nordsee"
1.000 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Marinediesel hat der brennende Frachter in der Nordsee geladen. Welche Risiken bergen die Kraftstoffe?
Vor der niederländischen Wattenmeerküste brennt seit mehr als 24 Stunden das Frachtschiff "Freemantle Highway", das rund 4.000 Autos geladen hat. Das Feuer ist noch immer nicht unter Kontrolle, es werden schwere Schäden für die Umwelt befürchtet, sollte das Schiff im Wattenmeer sinken.
Doch nicht nur die Fahrzeuge, die das Frachtschiff transportiert, können der Umwelt schaden: An Bord sind laut Umweltministerin Steffi Lemke rund 1.000 Tonnen Schweröl und 200 Tonnen Marinediesel. Was ist der Unterschied dieser Treibstoffe und welche Folgen drohen? t-online hat dazu Experten gefragt.
Schweröl vs. Marinediesel: Was ist der Unterschied?
Seeschiffe fahren laut dem Umweltbundesamt auch heutzutage noch überwiegend mit Schweröl, das aus Rückständen der Raffinerien gewonnen wird und somit eine schlechtere Qualität aufweist als Marinediesel. Im Vergleich zum Benzin und Diesel im Straßenverkehr ist die Qualität noch deutlich schlechter.
Dr. Kim Cornelius Detloff, Leiter Meeresschutz beim Naturschutzbund (Nabu), erklärt dazu, Marinediesel sei leichter und treibe daher länger an der Oberfläche. Somit kann er besser bekämpft und mit Ölsperren eingesammelt werden.
"Schweröl ist ein Abfallprodukt der Raffinerien, billig, aber hochgiftig, mit sehr hohem Schwefelanteil und voller Schwermetalle", erklärt er weiter. "Es ist klumpig, muss zum Verbrennen erhitzt werden, sinkt aber deshalb in kaltem Wasser schnell zum Meeresboden und führt dort zur chronischen Verunreinigung über Jahre. Natürliche Abbauprozesse über Bakterien dauern Jahrzehnte."
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Schweröl enthält deutlich mehr Schwefel und weitere Schadstoffe als andere Kraftstoffe. Marinedieselöl hingegen ist teurer und kältefester als Schweröl und wird aus mehreren Komponenten wie Kerosin, Leichtgasöl und nur geringen Mengen an Rückstand hergestellt. So ist es weniger umweltschädlich als Schweröl, kommt aber auch seltener zum Einsatz.
In Emissionskontrollgebieten bestehen höhere Anforderungen an den Schwefelgehalt im Kraftstoff, sodass die Schiffe hier entweder mit Marinediesel fahren oder Abgasnachbehandlungssysteme installieren müssen, erklärt das Umweltbundesamt. Nord- und Ostsee gelten bereits seit 2006/2007 als Emissionskontrollgebiete. Die strengeren Grenzwerte gelten allerdings erst für Schiffsneubauten ab 2021.
Welche Gefahren gehen vom Schweröl aus?
Kann das Schiff nicht gelöscht und geborgen werden, kann das Schweröl austreten. Das wiederum könnte zu einer schweren Umweltkatastrophe führen. Denn durch den hohen Gehalt an Schwefel und anderen Schadstoffen im Schweröl wird schon bei Normalbetrieb der Schiffe die Versäuerung und Eutrophierung von Meeren gefördert.
"Ein unkontrolliertes Sinken hätte fatale Folgen für die Nordsee und das Weltnaturerbe Wattenmeer", warnt daher auch Kim Cornelius Detloff. "Dabei entsteht die große Gefahr, dass Treibstoffe, Chemikalien und andere Schadstoffe in großen Mengen im Meer enden, wenn Tanks bersten und leckschlagen."
Der Nabu-Experte warnt außerdem: "Wir hätten eine akute großflächige Verunreinigung, Ölteppiche würden bei aktueller Windlage in die deutsche Küste, Richtung Elbmündung, treiben." Und hier droht noch eine weitere Gefahr: Durch die Gezeiten fallen zweimal täglich rund 5.000 Quadratkilometer Watt trocken. Das hätte zur Folge, dass das Öl ins Sediment gelangen und den Lebensraum über Jahre vergiften könnte.
Das hätte katastrophale Folgen. "Erste Opfer wären Vögel, im August mausert sich der Weltbestand der Brandgans an der deutschen Küste, über 100.000 Tiere", berichtet Detloff weiter, "aber es gäbe auch Opfer unter Schweinswalen, Seehunden und Kegelrobben, wenn sie die giftigen Substanzen wie aromatische Kohlenwasserstoffe aufnehmen oder einatmen."
Schweröl hat "viel gravierendere Auswirkungen" als andere Stoffe
Unfälle mit Schweröl haben zudem laut Umweltbundesamt "viel gravierendere Umweltauswirkungen" als Unfälle mit "sauberen" Kraftstoffen, die beispielsweise verdunsten oder mikrobiell abgebaut werden können.
Und auch Fischerei, Tourismus und Küstenschutz sind gefährdet, in einem so sensiblen Meeresgebiet wie dem Wattenmeer sogar in besonderem Maße. Hier würde ein Ölunfall dem Umweltbundesamt zufolge "eine große ökologische Katastrophe bedeuten".
Wie stark das Schweröl schließlich das Ökosystem schädigt, hängt laut Nabu von vielen Faktoren ab: Art und Menge des ausgelaufenen Öls, Wassertemperatur, -bewegung und -tiefe. Der vollständige Abbau kann schließlich Jahrzehnte dauern.
Welche Auswirkungen kann der Marinediesel haben?
Auch, wenn Marinediesel deutlich umweltfreundlicher ist als Schweröl, würde auch das Austreten dieses Kraftstoffs für Umweltprobleme sorgen.
Dazu erklärt der Experte: "Marinediesel ist leichter flüchtig, kann aber schnell zur Verunreinigung von Vogelgefieder führen", warnt er, die isolierende Wirkung der Federn gehe verloren. "Da Vögel eine Körpertemperatur mehr als 40 Grad halten müssen, erfrieren sie so auch im Sommer auf dem Meer sehr schnell."
- Presseanfrage Dr. Kim Cornelius Detloff, Leiter Meeresschutz beim Naturschutzbund (Nabu)
- Presseanfrage Umweltbundesamt
- nabu.de: "Öl – tödliche Gefahr für die Meere"
- umweltbundesamt.de: "Was sind die Probleme der Schwerölnutzung an Bord von Schiffen?"
- umweltbundesamt.de: "Was passiert mit dem Öl, wenn es ins Meer gelangt?"