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Klimawandel: Hitzerekorde sollten kein Dauerzustand sein


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Immer neue Hitzerekorde
Doch warum bleibt der Aufschrei aus?

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

26.07.2024Lesedauer: 4 Min.
Der Februar 2024 wird wohl einen beispiellosen Hitzerekord brechen.Vergrößern des Bildes
Links: Die Erderwärmung hat immer desaströsere Folgen. Rechts: Menschen sitzen entspannt mit einem Getränk auf Liegestühlen. (Quelle: Martyn Wheatley; Nasa/imago-images-bilder)

Die Klimakrise eskaliert und niemand schaut hin. Auch, weil viele Medienberichte die Zusammenhänge ausblenden. Und wir alle abstumpfen. Das darf so nicht sein.

Sonntag war der heißeste je gemessene Tag – direkt am Montag wurde diese Höchsttemperatur übertroffen. Schlagzeilen wie diese berühren viele Menschen nicht mehr, zu oft haben wir sie mittlerweile gehört. Ich kenne sie, solange ich mich erinnern kann. Als ich ein Kind war und mit meinen Eltern die Nachrichten schaute, trugen gut frisierte "Tagesschau"-Sprecherinnen und -Sprecher diese Sätze vor, als hätte das nichts mit ihnen zu tun. Dass sie etwas mit mir zu tun haben, begriff auch ich erst vor ein paar Jahren so richtig.

Mittlerweile lassen sich die Auswirkungen der Klimakrise auf unser Leben kaum noch übersehen, dennoch können sie viele Menschen im Alltag offenbar noch immer ausblenden. Mitverantwortlich dafür ist auch die fehlende Abbildung in den Medien. In die Abendnachrichten der "Tagesschau", Deutschlands wichtigster Nachrichtensendung, schafften es die Meldungen über die neuen Höchsttemperaturen diese Woche nicht.

Das sei ja nicht neu, lautet die routinierte Diagnose vieler Journalistinnen und Journalisten. Und damit sei es auch keine große Nachricht. In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gab es ungezählte solcher Rekordmeldungen, dass weitere folgen werden, ist offensichtlich. Solange der Ausstoß von Treibhausgasen nicht gestoppt wird, steigt die Erderhitzung weiter.

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom "Medium Magazin" zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Darauf weist auch Carlo Buontempo hin, Direktor des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus, das die Zahlen veröffentlicht hat. Er macht gleichzeitig klar, dass die neuen Zahlen alles andere als Routine sind. "Es ist wirklich verblüffend, wie groß der Unterschied zwischen den Temperaturen der letzten 13 Monate und den bisherigen Temperaturrekorden ist", so Buontempo. "Wir befinden uns jetzt in einem wahrhaft unerforschten Gebiet."

Die jährlichen Höchstwerte lagen 2023 und 2024 deutlich über denen der Vorjahre. Die zehn Jahre mit den höchsten jährlichen Tageshöchsttemperaturen sind die vergangenen zehn Jahre, von 2015 bis 2024.

Alles andere als normal

Auch wenn all das grundsätzlich bekannt ist, halte ich es für gefährlich, die aktuellen Entwicklungen auszublenden. Es trägt dazu bei, sie kleinzumachen und zu normalisieren. Denn auch wenn die Brennpunkt-Sendungen in den Medien, Krisensitzungen in der Politik und Notfallprogramme in der Wirtschaft bisher ausbleiben: Was wir gerade erleben, ist alles andere als normal.

Der Sportwagenhersteller Porsche hat diese Woche verkündet, dass er seine Gewinn- und Umsatzprognose nach unten korrigieren muss. Der Grund: Die Produktionsstätte eines wichtigen Zulieferers für Aluminiumteile in der Schweiz wurde bei einem Starkregen überflutet. Die Produktion fiel zeitweise aus und das führt derzeit offenbar zu erheblichen Lieferengpässen.

Wie die Gewinne eines Autoherstellers einerseits und Starkregen andererseits mit der Klimakrise zusammenhängen, wird in den Medienberichten fast immer ausgeblendet.

Die Kartoffelpreise sind in diesem Jahr explodiert. Auch darüber berichten Nachrichtenportale und suchen nach den Ursachen. Als ein Grund werden "Wetterkapriolen" und "schlechte Witterungsbedingungen" genannt, etwa Dürre in Spanien und die, durch den vielen Regen, feuchten Böden in Deutschland.

Starkregen und Klimakleber verhindern Flüge

Was das mit der Klimakrise zu tun hat, wird kaum irgendwo erklärt.

In den vergangenen Monat wurde immer wieder über zunehmenden Flugbetrieb berichtet, ebenso darüber, dass Flughäfen wegen Starkregen gesperrt werden mussten, auch in Deutschland. Mitte der Woche gab es zahlreiche Beiträge darüber, dass Mitglieder der Klimaprotestgruppe "Letzte Generation" erst den Ablauf am Flughafen Köln gestört haben, dann den in Frankfurt am Main.

Welchen Effekt die vielen Flüge auf die Emissionen haben und welchen Einfluss die Emissionen auf Starkwetterereignisse – der Kontext fehlt in den Berichten meist.

Medien finden sich hier in einer Doppelrolle: Einerseits bilden sie die Realität ab, andererseits prägen sie diese entscheidend mit. Und wenn Qualitätsmedien die Dringlichkeit und die Zusammenhänge der Klimakrise so oft ausblenden, wundert es mich nicht, dass viele Entscheiderinnen und Entscheider in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft es auch tun. Wenn Journalisten, die dafür bezahlt werden, zu recherchieren und einzuordnen, das mit Hinblick auf die Klimakrise nicht konsequent tun, überrascht es mich nicht, dass viele Menschen, die in ihrem Brotjob hinter der Kasse, dem Lenkrad eines Busses oder einem Stapel Akten sitzen, das nach Feierabend nicht selbstständig nachholen.

Selbst bei vermeintlich offensichtlichen Nachrichten, wie den Belastungen durch Hitzewellen, die gerade Südeuropa und Teile der USA quälen, werden die Zusammenhänge zur Klimakrise allzu oft nicht erwähnt. Dabei wird jede einzelne Hitzewelle durch den menschengemachten Klimawandel stärker und wahrscheinlicher. Einige Journalisten sind unsicher, inwiefern sich Wetter und Klima sicher miteinander in Verbindung bringen lassen. Andere lassen die Information mittlerweile bewusst weg – weil es darauf so viele negative Reaktionen vom Publikum gegeben habe.

Wie in der Film-Apokalypse mit dem Meteoriten

Medien spielen in der Klimakrise ihre ganz eigene Version des Meteoriten-Films "Don't look up", sagte der Astrophysiker und Fernsehmoderator Harald Lesch, als er vergangene Woche den Ehrenpreis des Deutschen Preises für Klimajournalismus für außergewöhnliches, langjähriges Engagement in der Klimaberichterstattung verliehen bekam. Sie heißt: "Don't write it down." Schreib nicht drüber.

Anstatt einfach nicht nach oben zu gucken, zum Meteoriten, der die Erde und damit die Menschen im Film bedroht, blenden viele Journalistinnen und Journalisten in der alltäglichen Berichterstattung die Zusammenhänge zur Klimakrise aus. Sie schreiben sie nicht auf. Und machen die individuelle und gesellschaftliche Verdrängung so auch möglich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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