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Dürre: Warum Deutschland trotz Regenjahr doch wieder austrocknet


Dauer-Dürre
Warum Deutschland die Krise nicht in den Griff bekommt

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 11.04.2025 - 14:59 UhrLesedauer: 5 Min.
Die Folgen der Dürre werden auch in Braunlage sichtbar: Im Nationalpark Harz sind viele Bäume durch Stürme, Hitze und Borkenkäfer abgestorben.Vergrößern des Bildes
Die Folgen der Dürre werden auch in Braunlage sichtbar: Im Nationalpark Harz sind viele Bäume durch Stürme, Hitze und Borkenkäfer abgestorben. (Quelle: Swen Pförtner/dpa)
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Deutschland pendelt seit Jahren zwischen zu viel und zu wenig Regen, in einer immer heißeren Welt werden die Ausschläge größer. Kommunen und Länder müssen sich daran schleunigst anpassen.

Zur kleinsten Insel im Bodensee kommt man derzeit zu Fuß, der Wasserstand in Deutschlands größtem Binnengewässer ist so niedrig wie lange nicht mehr. Auf dem Rhein können Güterschiffe aktuell nur mit deutlich weniger Ladung fahren. Grund für den niedrigen Wasserpegel sind fehlender Regen und geringes Schmelzwasser aus den Alpen – schon in den Wintermonaten hatte es wenig geschneit. Bereits Anfang März gab es erste Warnungen vor Waldbränden, auch aktuell steigt die Gefahr wieder. Die Trockenheit in Deutschland hat bereits spürbare Auswirkungen.

Der viele Regen 2023 und 2024 hat die Erinnerung an die Dürre der vorangegangenen Jahre fast weggespült. 2018 bis 2022 war es in Deutschland außergewöhnlich lange außergewöhnlich trocken. Die beiden Jahre darauf waren außergewöhnlich nass, 2024 bescherte Deutschland sogar vier Hochwasser. Der viele Regen füllte die Grundwasserspeicher und durchfeuchtete die ausgetrockneten Böden, wie es Experten nach den Jahren der Trockenheit kaum mehr für möglich gehalten hatten. Gleichzeitig litten selbst in diesen Jahren Teile Sachsens und Brandenburgs weiter unter Trockenheit.

All das zeigt: Die Niederschläge in Deutschland werden extremer. Sie schwanken zunehmend zwischen Dürre und Starkregen. Das wird immer mehr zu einem Problem, das sich längst nicht mehr mit kleinen Anpassungen beheben lässt.

Video | Dürre legt deutschen Hafen lahm
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Auch im Osten keine Entwarnung

Aktuell ist es in Deutschland also ungewöhnlich trocken, in vielen Regionen ist sogar eine außergewöhnliche Dürre messbar – und das, obwohl im Winter und Frühjahr normalerweise der entscheidende Niederschlag fällt und die Wasserspeicher auffüllt. Natur und Landwirtschaft haben in dieser Zeit Regen besonders nötig, denn Pflanzen verbrauchen das meiste Wasser bereits im Frühling, wenn ihre Wachstumsperiode beginnt.

Dass der Osten auf dem Dürremonitor des Helmholtzzentrums für Umweltforschung (UFZ) nicht komplett dunkelrot gefärbt ist, bedeutet keine Entwarnung. Es zeigt nur, dass es dort nicht viel trockener ist als im Durchschnitt. Die Karte zeigt vor allem Abweichungen von der üblichen Situation. Und die wird zunehmend trockener.

Die Welt steuert auf eine Wasserkrise zu

Erst Ende März erregte eine Studie im Fachjournal "Science" Aufsehen. Demnach ist seit der Jahrtausendwende der Wassergehalt in der oberen Bodenschicht um rund 2.600 Milliarden Tonnen gesunken. Ein internationales Forscherteam um den koreanischen Geophysiker Ki-Weon Seo hatte hierfür eine Bilanz der Masse der weltweiten Wasserströme in den vergangenen vier Jahrzehnten erstellt. Das Ergebnis ist beunruhigend: Demnach steuert die Welt auf eine Wasserkrise zu, und das gleich im doppelten Sinne. Denn das Wasser in den Böden wird weniger, das im Meer mehr. Der Landwirtschaft und der Natur fehlen Wasser, gleichzeitig steigt der Meeresspiegel weiter an.

Und diese Entwicklung wird weiter vorangetrieben: Wegen der Trockenheit infolge der Klimakrise bewässern Landwirte ihre Felder zunehmend mit Grundwasser aus tieferen Erdschichten. Das führt dazu, dass noch mehr Wasser über die Flüsse ins Meer gelangt. Wasser, das einmal verloren ist, kehre aber nicht wieder in die Böden zurück, stellt die Studie fest. Der Schwund sei daher vermutlich nicht wieder umkehrbar.

Wassernotlagen übersteigen Erfahrungsspektrum

Auch der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat vor Kurzem ein ausführliches Gutachten zu "Wasser in einer aufgeheizten Welt" erstellt. Es nimmt nicht nur die Situation in Deutschland in den Blick, sondern betrachtet den menschlichen Einfluss auf den globalen Wasserkreislauf und schaut, welche wirtschaftlichen, sozialen, politischen und rechtlichen Implikationen die Wassernutzung hat. Im vergangenen Herbst übergaben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es an Bundesumweltministerin Steffi Lemke, und ich kann nur hoffen, dass nicht nur die Grünen-Politikerin den 354-seitigen Bericht gelesen hat. Oder zumindest die 20-seitige Zusammenfassung.

Die Kernaussage darin lautet: "Die nationale und internationale Wasserpolitik muss sich auf fortschreitende und beschleunigte Veränderungen im globalen Wasserkreislauf einstellen und hierauf schnell und umfassend reagieren." Regionale Wassernotlagen hätten eine neue Qualität jenseits des menschlichen Erfahrungsspektrums erreicht. Es gehe nun darum, diese in einem Rahmen zu halten, der noch beherrschbar ist, warnt das deutsche Expertengremium. Dafür brauche es ernsthafte und tiefgreifende Transformationen, die bisherigen schrittweisen Anpassungsmaßnahmen würden nicht mehr ausreichen. Wie genau diese Veränderungen aussehen sollten, dafür gibt der Bericht konkrete Handlungsempfehlungen.

"Wir haben gute Wasserspeicher zerstört"

Laut der Professorin für Ökohydrologie, Dörte Tetzlaff, ist der dringendste Schritt zu gewährleisten, dass Wasser länger in der Landschaft gehalten wird. Tetzlaff arbeitet an der Humboldt-Universität zu Berlin und leitet eine Arbeitsgruppe am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, die erforscht, wie und wie lange Wasser in Landschaften gespeichert und abgegeben werden kann. Dem "Spiegel" sagte sie: "Wenn Flüsse und Bäche Platz haben, über Ufer zu treten, versickert Wasser in den Boden dieser Auen und wird dort gespeichert, auch Moore eignen sich. Dort haben wir eigentlich gute Wasserspeicher, wir haben sie nur zerstört, indem wir etwa Flüsse begradigt oder Moore trockengelegt haben."

Um Land nutzbar zu machen, Ackerbau betreiben und Siedlungen anlegen zu können, hat der Mensch die Natur in der Vergangenheit so umgeformt, dass Wasser gezielt abgeleitet wird. Seit der vorindustriellen Zeit sind schätzungsweise mehr als 80 Prozent der weltweiten Feuchtgebiete verloren gegangen, die verbliebenen Flächen sind zum Großteil beeinträchtigt. Das wieder umzukehren, müsste langfristig und grundlegend angegangen werden. Aktuell werde eher kurzfristig reagiert. In Trockenphasen etwa zu verbieten, Autos zu waschen oder Rasen zu wässern, vergleicht Tetzlaff mit einem Minipflaster auf einem amputierten Bein.

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Pläne, wie das gelingen kann, gibt es bereits. 2023 hat Deutschland erstmals eine nationale Wasserstrategie erstellt. Das Ziel ist es unter anderem, den naturnahen Wasserhaushalt zu schützen, wiederherzustellen und dauerhaft zu sichern. Wasserknappheit und Konflikten um die lebenswichtige Ressource will man so vorbeugen. Außerdem sollen die Systeme für Frisch- und Abwasser an die Klimaveränderungen angepasst werden, etwa Rohre, Kanäle und Trinkwasserreservoire. Das soll bei Dürren die Versorgung gewährleisten und bei Starkregen vor überlaufenden Kanalisationen und Verschmutzung schützen.

Sara Schurmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom "Medium Magazin" zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.

Es ist wie in der Klimakrise insgesamt

In eine ähnliche Richtung geht die Vorgabe der Europäischen Union, dass die Mitgliedstaaten auf mindestens 20 Prozent ihrer Fläche geschädigte Ökosysteme wiederherstellen müssen. Die brandenburgische Landwirtschaftsministerin will diese Verordnung jedoch nicht umsetzen.

Es ist wie in der Klimakrise insgesamt: Was getan werden muss, ist klar, es gibt auch genügend Vereinbarungen. Es muss nur endlich auch umgesetzt werden, und zwar schnell und flächendeckend. Denn es ist zwar möglich, dass in den kommenden Monaten viel Niederschlag fällt. Aber wie in den vergangenen Jahren deutlich wurde, geht dieser im Sommer meist in Form von Starkregen nieder. Trockener Boden kann das viele Wasser dann nicht aufnehmen, es kommt zu Überschwemmungen. Renaturierte, vernässte Flächen würden helfen, dass Wasser versickern kann – und sich so neues Grundwasser bildet. Gebraucht wird daher eine Verpflichtung aller Bundesländer und Kommunen, diese Maßnahmen auch umzusetzen.

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