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EM 2024: Keine Großevents mehr wegen der Klimakrise?


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EM 2024 und Extremwetter
Rettet den Fußball!

MeinungEine Kolumne von Sara Schurmann

Aktualisiert am 04.07.2024Lesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:240630-911-001031Vergrößern des Bildes
Massiver Regen beim EM-Achtelfinale Deutschland gegen Dänemark in Dortmund: Das Spiel musste zwischenzeitlich unterbrochen werden. (Quelle: Marcus Brandt/dpa)

Erst mussten Fanmeilen gesperrt, dann ein EM-Spiel unterbrochen werden: Extremwetter gefährden auch den Sport. Zugleich heizen Großevents wie die EM die Klimakrise an. Was tun?

Erst donnerte es, dann gingen Blitze nieder, minutenlang fiel das Wasser wie ein Sturzbach vom Himmel. In der 35. Spielminute im Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark ging am Freitag vor einer Woche auf dem Spielfeld in Dortmund plötzlich nichts mehr. 25 Minuten lang mussten die Spieler Schutz vor einem Unwetter suchen. Public-Viewing-Veranstaltungen wurden abgesagt, auch in anderen Orten. Die Enttäuschung bei vielen war groß. Doch einen Zusammenhang zur Klimakrise stellten die wenigsten her.

Dabei ist es längst kein Einzelfall mehr, dass Extremwetter Sportveranstaltungen beeinträchtigen. Die Copa América ist Ende Juni während einer starken Hitzewelle gestartet. Ein Schiedsrichter brach auf der Seitenlinie zusammen; ein Spieler musste in der Halbzeit das Spielfeld verlassen. Er war dehydriert.

Die Klimakrise macht Hitzewellen stärker

Zur Erinnerung: Jede einzelne Hitzewelle, die wir erleben, ist durch den menschengemachten Klimawandel stärker und wahrscheinlicher geworden, als sie es ohne wäre. In den vergangenen Jahren überschlagen sich die Extremwetterereignisse, die 1,5-Grad-Marke wurde erstmals 12 Monate am Stück überschritten. Auch Sportlerinnen und Sportler anderer Sportarten leiden schon heute unter Hitze.

  • Bei den Tennisturnieren der Olympischen Sommerspiele 2021 musste eine Spielerin wegen der Hitze abbrechen und den Court im Rollstuhl verlassen. Weil es so heiß war, hatte Top-Spieler Novak Djoković schon nach dem Auftaktspiel gefordert, die Turniere auf eine andere Uhrzeit zu verschieben. Spitzenleistungen lassen sich bei Spitzentemperaturen nur schlecht abrufen.
  • Während der Tour de France 2022 herrschten Temperaturen von um die 40 Grad, die Straßen waren teils mehr als 60 Grad heiß. Es wurden Tausende Liter Wasser auf die Straße gesprenkelt, um sie zu kühlen. Auch, damit sie nicht schmelzen.
  • Beim Grand Prix in Katar 2023 herrschte extreme Hitze in den Cockpits der Formel-1-Fahrer, mehrere Fahrer waren wohl kurz davor, ohnmächtig zu werden. Einer musste sich wegen der extremen Temperaturen sogar in seinen Helm übergeben. In den Fahrerkabinen wurden teils Temperaturen von 50 Grad gemessen. In Indien, Brasilien und Saudi-Arabien war es in der Vergangenheit nicht nur in Autos so warm.

Die Sportler leiden nicht nur – sie tragen zur Krise bei

Sportgroßevents haben nicht nur mit Extremwetter zu kämpfen. Sie tragen selbst zur Klimakrise bei. Verbände müssen also ihren Anteil leisten, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen – und mit ihnen das, was ihnen und ihren Fans wichtig ist: den Sport. Denn um die Erderhitzung zu stoppen, müssen wir die Emissionen stoppen, so schnell wie möglich, in allen möglichen Bereichen. Die Uefa hat im Vorfeld der Europameisterschaft versprochen: Das wird die nachhaltigste EM, die es je gab. Das ist ein Ansatz, der dringend nötig ist.

Die Konzepte zur EM waren noch immer ausbaufähig, aber durchaus ambitioniert. In Hamburg etwa sollen Zuschauende mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Stadion reisen. Parkplätze für private Autos gibt es keine, für Fahrräder schon. Beim Public Viewing soll es Mehrweggeschirr geben, die Ausgabe von Flyern und Give-aways wurde eingeschränkt. Doch nicht überall werden die Ansätze so konsequent umgesetzt, wie der Deutschlandfunk recherchiert hat.

EM und Emissionen – eine erste Bilanz

Schauen wir bei der EM vor allem auf Emissionen, wird der größte Teil durch die An- und Abreisen der Fans verursacht. Aber: Die Verbände haben eine Vorbildfunktion und sollten diese auch wahrnehmen. Forschende des Öko-Instituts hatten in einer Studie für die Uefa vor der EM vorgeschlagen, dass Teams komplett auf Kurzstreckenflüge verzichten sollten. Als die polnische Nationalmannschaft in Hannover mit dem Fahrrad zum Stadion fuhr, gingen die Bilder viral.

Die Reise-Auswertung des Deutschlandfunks für die Gruppenphase zeigt aber: Jede vierte Team-Reise wurde mit dem Flugzeug zurückgelegt, mehrere Flüge dauerten weniger als 30 Minuten. 12,6 Prozent der Reisen erfolgten im Zug, 61,5 Prozent mit dem Bus. Die spanische Nationalmannschaft legte jede Tour mit dem Flieger zurück. Auch die Deutschen reisten für das Achtelfinale gegen Dänemark von Herzogenaurach nach Dortmund mit dem Flugzeug – und nahmen dafür eine Kette von vier Leerflügen für die Maschine in Kauf.

Ein bisschen besser

Bei der EM 2016 in Frankreich seien noch 75 Prozent aller Mannschafts-Reisen mit dem Flugzeug absolviert worden, erklärt die Euro 2024 GmbH, die die EM organisiert. Im Vergleich dazu zeigt sich also eine deutliche Verbesserung, keine Frage. Aber zwischen 2016 und 2024 ist auch viel passiert. Der Hitzesommer 2016 galt noch als Ausreißer, seitdem ist die Klimakrise deutlich spürbarer. Und Kurzstreckenflüge gehören zu den Luxusemissionen, auf die am leichtesten verzichtet werden kann.

Die Schweizer Nationalmannschaft hat die meisten Wege mit der Deutschen Bahn zurückgelegt, und diese – zur allgemeinen Überraschung – sogar gelobt. Von verbindlichen Vorgaben hält aber selbst der Schweizer Verband nichts: "Letztendlich steht immer noch der Sport im Zentrum, aber innerhalb dieses Sports eben auch Überlegungen über Nachhaltigkeit oder über angenehmeres Reisen. Das sind Faktoren, die dann wirklich an dieser zweiten Stelle kommen sollten", sagte der Mediendirektor des Schweizer Fußballverbandes, Adrian Arnold.

Schluss mit Großevents?

Ich verstehe die Perspektive, es ist nur fraglich, wie lange sie sich noch aufrechterhalten lässt. Es wäre nicht zu weit hergeholt zu argumentieren, dass die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen an erster Stelle stehen sollte und nicht Sport-Großevents. Und das bedeutet nicht, dass ich die Europameisterschaft abschaffen will.

Wir leben in einer Welt, die immer krisenhafter wird, in der wir immer stärker um die Verteilung von Ressourcen ringen werden, in der Extremwetter unsere Ernten, unsere Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung und den Lebensraum zerstören. In dieser Welt wird es auch darauf ankommen, wie wir uns als globale Gesellschaft wahrnehmen, ob wir konkurrieren oder kooperieren wollen. Wenn Sportevents wie Weltmeisterschaften, Olympische Spiele oder eben eine Europameisterschaft dazu beitragen, dass Menschen auf Fanmeilen oder vor dem Fernseher emotional etwas näher zusammenrücken, dann hat das einen nicht zu unterschätzenden Wert.

Gerade, wenn der Sport für die Verbände an erster Stelle steht, müssen sie alles Notwendige unternehmen, um ihren Anteil daran zu leisten, die Emissionen so schnell wie möglich zu stoppen. Damit die Spiele auch in Zukunft sicher durchgeführt werden können.

Verwendete Quellen
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