Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Notfall-Option mit Beigeschmack Wir würden nie mehr blauen Himmel sehen
Der Saharastaub lässt derzeit immer wieder die Sonne hinter einem milchigen Schleier verschwinden. Ähnliches wird erforscht, um die Erderhitzung abzumildern.
Bis zu 28 Grad werden für das kommende Wochenende erwartet, in Süddeutschland könnten es sogar 30 Grad werden. Sommerwetter ist angesagt – am ersten Aprilwochenende wohlgemerkt. Dass das nicht uneingeschränkt Anlass zur Freude bietet und mit der Erderhitzung zusammenhängt, muss ich hier nicht weiter erklären. Dabei könnte dieses Wochenende ein Blick in eine mögliche Zukunft sein.
Denn die Südwestwinde tragen nicht nur warme Luft nach Deutschland, sondern auch Wüstenstaub, wie schon an Ostern. Der Himmel über Deutschland war vergangenes Wochenende vielerorts nicht strahlend blau, sondern milchig verhangen, die Sonne oft nur wie durch einen Schleier zu sehen.
Die Partikel in der Luft dämpfen nicht nur die Sonneneinstrahlung, sondern lokal auch die Temperaturen. Dort, wo der Staub in einer Höhe von zwei bis sieben Kilometern durch die Atmosphäre wabert, steigen die Temperaturen an diesem Wochenende voraussichtlich nicht ganz so stark.
Ein Spiegel im Weltall als Lösung?
Das, was hier auf natürlichem Wege passiert, wird auch als Ansatz erforscht, um die immer schneller steigende Erderhitzung abzubremsen: Die Sonneneinstrahlung, die auf der Erde eintrifft, soll verringert werden, und so auch die globale Durchschnittstemperatur. "Solar Radiation Management" nennt sich das Ganze, "Strahlungsmanagement" quasi.
Ideen, wie das gelingen könnte, gibt es einige. Forschende denken darüber nach, Spiegel im Weltall zu installieren. Ein weiterer Ansatz: Der sogenannte Albedo-Effekt soll erhöht werden – dabei sollen Städte und Siedlungen aufgehellt werden, durch weiße Dächer zum Beispiel. Denn weiße Flächen reflektieren die Sonnenstrahlen und leiten damit auch einen Teil der Wärmeenergie, die mit ihnen zu uns kommen, wieder ab. Eigentlich übernimmt das Meereis in der Arktis und Antarktis diesen Job, doch durch die Erderhitzung schmilzt es immer schneller. Die weiße Eisfläche schwindet, die dunkle Meeresoberfläche nimmt zu: Dadurch wird die Erde zusätzlich erhitzt.
Da im Moment keine ernsthaften Bemühungen in Sicht sind, die Erderhitzung auf um die 1,5 Grad zu begrenzen, kommt das Thema Geoengineering immer häufiger auf. Darunter versteht man absichtliche und großräumige Eingriffe in planetare Kreisläufe, mit der Absicht, diese aktiv zu steuern. In Bezug auf die Klimakrise werden entsprechende Maßnahmen immer wieder diskutiert, um im Notfall die Temperatur der Erde zu senken. Strahlungsmanagement ist eine Option; CO₂-Speicherung mithilfe sogenannter "Carbon Capture and Storage"-Technologien, die aktuell auch in Deutschland diskutiert werden, eine andere.
Erster Test in den USA
In den USA wurde am Dienstag erstmals unter freiem Himmel eine Maschine getestet, die Wolken über dem Meer aufhellen soll. Das Gerät ähnelt einer Schneekanone und soll Salzaerosole in die Luft blasen. Wenn sie funktioniert, wäre der nächste Schritt, in den Himmel zu zielen und damit die Wolken zu verändern.
Die Schweiz will, dass sich die Vereinten Nationen stärker mit dem Thema beschäftigen. Sie hat daher im Februar einen Entwurf für eine Resolution eingebracht, um ein entsprechendes neues Expertenforum einzurichten. Der Vorstoß wurde zum Teil scharf kritisiert: Eine Beschäftigung mit den Ansätzen sei vor allem ein politisches Signal. Die Bemühungen, die Erderhitzung effektiv zu begrenzen, könnten dadurch torpediert werden, so die Befürchtungen. Allerdings hoffen andere, dass durch das Forum klarer wird, wie wichtig es ist, Emissionen zu reduzieren, wenn die Auswirkungen der Ansätze im politischen Diskurs besser verstanden werden.
Wichtig ist: Geoengineering darf keinesfalls als Ersatz für die Reduktion von Treibhausgasen und Anpassungsmaßnahmen angesehen werden – doch die Gefahr besteht.
Teilchen sollen Sonnenlicht streuen
Der am häufigsten diskutierte und wohl auch bekannteste Ansatz im solaren Geoengineering besteht darin, Gase mit Aerosolen, also Schwebeteilchen, in der Stratosphäre auszubringen. Sie sollen das Sonnenlicht streuen und so dafür sorgen, dass weniger Sonneneinstrahlung auf der Erdoberfläche ankommt. Der Effekt wäre ein ähnlicher, wie wir ihn am Osterwochenende durch den Saharastaub beobachten konnten.
Zur Person
Die Lage ist extrem ernst, aber nicht hoffnungslos. Nach diesem Motto erklärt die freie Journalistin Sara Schurmann die großen Zusammenhänge und kleinen Details der Klimakrise, sodass jede und jeder sie verstehen kann.
Etwa in ihrem Buch "Klartext Klima!" – und jetzt in ihrer Kolumne bei t-online. Für ihre Arbeit wurde sie 2022 vom Medium Magazin zur Wissenschaftsjournalistin des Jahres gewählt.
Eine zentrale Rolle spielt das Strahlungsmanagement auch in zwei der bekanntesten Climate-Fiction-Romane. In "Ministry of the Future" von Kim Stanley Robinson beschließt die indische Regierung nach einer Hitzewelle, die fünf Millionen Menschen tötet, Staub in die Luft zu schießen, um damit künstlich die Atmosphäre abzukühlen. Im Roman funktioniert das überraschend problemlos und verschafft den Menschen auf der Erde Zeit – etwas, das sich einige auch in der Realität erhoffen.
Die Stärke des Romans liegt für mich angesichts der zu erwartenden Nebeneffekte, die dort ausgeblendet werden, eher im Gedankenexperiment: Wie könnte die Menschheit es doch noch schaffen, ihre Lebensgrundlagen zu sichern?
Eine realistischere Darstellung
In "Celisus" von Beststeller-Autor Marc Elsberg werden die Auswirkungen der Technologie etwas realistischer dargestellt. Dort bläst die chinesische Regierung mithilfe von Drohnen chemische Substanzen in die Atmosphäre und übernimmt damit die Macht über das Weltklima, mit fatalen Folgen.
Sosehr ich den Einsatz von Geoengineering ablehne, so gut kann ich es nachvollziehen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschiedliche Ansätze erforschen. Aktuell bewegen wir uns auf eine Erderhitzung von rund 3 Grad im Jahr 2100 zu. In einem Zeitrahmen, den heutige Kindergartenkinder miterleben werden, würde das einige Regionen der Erde für Menschen unbewohnbar machen.
Sich darüber Gedanken zu machen, wie man im gar nicht so unwahrscheinlichen Ernstfall den Planeten herunterkühlen kann, ist daher grundsätzlich eine verständliche Überlegung. Nur sind viele der erforschten Möglichkeiten bisher nicht sehr viel mehr als Ideen und werden massive unerwünschte Nebeneffekte haben.
Massive Auswirkungen auf Ernten erwartbar
Reflektierende Aerosole in die Luft zu blasen, wird aller Voraussicht nach etwa zu einer Abnahme des Sommermonsuns in Westafrika führen und damit wohl auch Folgen für die Ernten haben. Für einige Regionen könnten diese Maßnahmen positiv sein, für andere katastrophal.
Wer die Technologien wo und wann einsetzen darf, kann entsprechend zu internationalen Konflikten und Kriegen führen, wie sie auch Elsberg in "Celisus" beschreibt. Darüber hinaus müsste der künstlich erzeugte Sonnenschirm ständig erneuert und aufrechterhalten werden.
Verschwinden die reflektierenden Teilchen, verschwindet auch ihre abschirmende Wirkung. Würde das Strahlungsmanagement bei hoher CO₂-Konzentration beendet, hätte das einen sprunghaften Anstieg der Erderwärmung zur Folge, an den sich Menschen, Tieren und Pflanzen kaum bis gar nicht anpassen könnten.
Das ist kein Klimaschutz
Strahlungsmanagement ist also nicht ansatzweise so problemlos, wie der Name suggerieren mag, und erst recht ist es kein Klimaschutz. Es werden nicht die Ursachen behoben; die Erderhitzung wird lediglich als ein Symptom behandelt. Da sich an der Konzentration von CO₂ in der Atmosphäre nichts ändert, sie vermutlich sogar weiter steigen würde, bliebe etwa auch die Ozeanversauerung bestehen.
Das Umweltbundesamt sieht mehrere große Gefahren in Bezug auf Geoengineering. Hinter der Idee stehe einerseits die Annahme, dass Menschen Umweltprozesse im globalen Maßstab steuern, die kurz- und langfristigen Folgen der Eingriffe verstehen und kontrollieren könnten. Auch wenn der Mensch die Umwelt immer wieder gestaltet und genutzt hat, hätten Prozesse in einer weltweiten Dimension eine völlig andere Komplexität, die realen, globalen Konsequenzen sind unabsehbar. Selbst durch Forschung könnten sie kaum vorhergesagt werden.
Andererseits widersprechen diverse Geoengineering-Vorschläge den Prinzipien des Umweltschutzes, denen zufolge nicht mehr, sondern weniger Stoffe in Wasser, Luft und Boden eingebracht werden sollen. "Nur eines ist schon jetzt sicher: Das ursprüngliche Klima ließe sich nicht wiederherstellen. Es würde ein völlig neues und unvorhersehbares Klima entstehen", schreibt das Umweltbundesamt. Viele Forschende hoffen daher, dass die von ihnen untersuchten und entwickelten Technologien nie zum Einsatz kommen müssen.
Dass wir nie wieder blauen Himmel und eine klare Sonne zu sehen bekommen, wäre dann eine der kleineren Sorgen, die wir hätten. Denn Geoengineering wäre vor allem eines: ein riesiges Live-Experiment auf globalem Level.
- umweltbundesamt.de: "Solar Radiation Modification (SRM)"
- taz.de: "Die Sonne abdunkeln fürs Klima"
- nytimes.com: "Warming Is Getting Worse. So They Just Tested a Way to Deflect the Sun." (englisch)
- wetteronline.de: "Das könnte die Wärme dämpfen"