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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Meteorologin im Gespräch "Das hat mich schon ein bisschen beunruhigt"
Wer erfolgreich gärtnern will, muss aufs Wetter achten. Aber gelten die alten Bauernregeln in der Klimakrise noch? Und wie wird der Sommer 2020? Meteorologin Michaela Koschak schaut voraus.
Die Klimakrise ist auch in unseren Gärten angekommen. Im Sommer machen uns entweder Hitze und Dürre oder Hagel und Starkregen das Leben zwischen Rosen, Rasen und Rotkohl schwer. Deshalb ist es gut, neue und alte Wetterphänomene zu kennen, um sich darauf einzustellen.
Wir haben Diplom-Meteorologin und t-online.de-Kolumnistin Michaela Koschak im Interview gefragt, auf was Gartenbesitzer und Balkongärtner achten sollten.
t-online.de: Frau Koschak, auf Eisheilige, Schafskälte und andere Bauernregeln verlassen sich Hobbygärtner genauso wie vor 100 Jahren. Sonst kann es passieren, dass empfindliche Pflanzen eingehen. Aber: Wie viel Wahrheit steckt in Zeiten der Klimakrise noch hinter den Volksweisheiten zum Wetter?
Michaela Koschak: Auch wenn sich die Erdatmosphäre zunehmend erwärmt, werden uns die Eisheiligen Mitte Mai oder die Schafskälte Anfang Juni erhalten bleiben. Vielleicht bringen uns die Eisheiligen in Zukunft nicht immer Frost, aber auch bei beispielsweise fünf Grad frieren einige Pflanzen und nehmen Schaden. Aber das ist wirklich schon der berühmte Blick in die Glaskugel.
Dennoch waren in diesem Jahr die Eisheiligen sehr heftig. Sind diese Schwankungen – mit bis zu 20 Grad weniger als am Vortag – wirklich normal oder schon die Folgen der Erderwärmung?
Diese Temperaturschwankungen gab es schon immer. Alles andere als normal sind eher die eingefahrenen Wetterlagen. Erinnern Sie sich? Von Anfang Februar bis Mitte März löste ein Tiefdruckgebiet das nächste ab. Es war stürmisch, es hat geregnet, es war sehr wechselhaft. Danach und davor hatten wir wiederum mehrere Wochen nur trockenes Hochdruckwetter. Die Klimakrise macht sich eher dadurch bemerkbar, dass Hoch- und Tiefdruckgebiete länger an einer Stelle bleiben, weniger daran, wie frostig oder mild die Eisheiligen sind.
In der Wissenschaft gelten Bauernregeln als sogenannte meteorologische Singularitäten. Was heißt das genau?
Singularitäten sind bestimmte Wetterlagen, die fast jedes Jahr zur gleichen Zeit auftreten. Auslöser der Eisheiligen, aber auch der Schafskälte in Mitteleuropa sind übrigens Kaltluftvorstöße aus dem Norden. Diese entstehen, weil sich im Frühling Wasser- und Landmassen unterschiedlich stark erwärmen. Im Sommer gleichen sich diese Temperaturunterschiede an und die Luft aus dem Norden ist weniger kalt. Im Frühjahr sind diese Unterschiede aber noch sehr groß und die Luft kann im Mai oder Anfang Juni noch extrem kalt sein.
Eine andere Bauernregel besagt, dass der Siebenschläfertag am 27. Juni das Wetter der folgenden sieben Wochen bestimmt.
Damit kann man grob eine sogenannte Mittelfrist-Prognose abgeben. Trotzdem darf man sich dabei nicht allein den 27. Juni anschauen, sondern muss die Großwetterlage Anfang Juli im Blick haben. Die Frage ist, ob sich dann ein Azorenhoch mit warm-trockenem oder die Islandtiefs mit eigentlich für unsere Region normalem, eher abwechslungsreichem durchwachsenem Sommerwetter durchsetzen.
Was macht diesen 27. Juni eigentlich so besonders?
Der Name geht ursprünglich auf eine römisch-christliche Legende zurück. Viel interessanter ist aber, dass diese Bauernregel bereits vor der Gregorianischen Kalenderreform von 1582 überliefert ist. In jenem Jahr folgte auf den 4. der 15. Oktober. Zehn Tage wurden kurzerhand gestrichen. Der eigentliche Siebenschläfertag ist also streng genommen der 7. Juli. Aber wie gesagt, beim Wetter darf man nie nur auf einen Tag schauen, sondern auf die Großwetterlage in dieser Zeit.
Gibt es Statistiken, ob sich die Bauernregel in den letzten Jahren bestätigt oder nicht bestätigt hat?
Für Mittel- und Süddeutschland ist die Siebenschläferregel gar nicht mal so schlecht, hier trifft sie zu etwa 55 bis 70 Prozent zu.
Wir hatten 2018 und 2019 extrem heiße Sommer. Wagen Sie schon eine Prognose für 2020?
Das waren in beiden Jahren schon relativ stabile Hochdruckwetterlagen. Dass diese allerdings zwei Jahre hintereinander folgten, hat mich als Meteorologin schon ein bisschen, sagen wir mal, beunruhigt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin gespannt auf diesen Sommer. Ich hoffe, er wird eher durchwachsen und normal mit Temperaturen von 20 bis 25 Grad. Der kühle Mai hat uns ja schon einen Vorgeschmack gegeben. Es wäre gut, wenn es nicht wieder so heiß und so trocken werden würde.
Wer leidet besonders stark darunter?
Natürlich die Natur und die Landwirtschaft, aber eben auch die Pflanzen im Garten. Bei Hitze und Trockenheit muss man ja ständig gießen. Ich hätte in meinem Garten gern einen eigenen Brunnen, doch leider ist hier, wo ich wohne, der Grundwasserspiegel zu niedrig. Aber wir haben uns eine Zisterne gebaut, um Regenwasser zu nutzen. Das spart Trinkwasser und ist obendrein nachhaltig.
Was raten Sie noch, um nachhaltig zu gärtnern?
Zum Beispiel seinen Komposthaufen aktivieren, weil er wunderbare Erde macht, die humusreich ist und viel Wasser speichert. Im Garten selbst Obst und Gemüse anbauen. Das macht Spaß, tut der Seele gut und schmeckt auch viel besser. Obendrein ist es viel ökologischer, als wenn man Erdbeeren aus Südspanien kauft, die auf dem Lkw reifen und hohe Transportkosten verursachen. Oder einmal den Rasenmäher im Schuppen stehenlassen. Die gute alte Sense macht's auch.
Wie wird die Klimakrise das Gärtnern noch verändern? Können wir bald Bananenstauden, Kiwi- und Feigenbäume im Garten pflanzen?
Insgesamt werden die Winter milder werden. Es wird weniger Frosttage und weniger Schnee geben. Hier sind sich alle Klimaforscher einig. Das heißt für den Garten: Die Saison startet häufig früher und dauert länger. Klingt erstmal gut. Aber die meisten Mittelmeer- oder gar Tropenpflanzen sind nicht winterhart. Frost wird es aber dennoch, wenn auch nicht jeden Winter weiterhin bei uns geben. Zudem werden die Winter regenreicher, auch das mögen die meisten Mittelmeerpflanzen nicht, weil sonst die Wurzeln faulen. Aber auch ich habe in meinem Garten einen Feigenbaum gepflanzt, meine Kinder lieben Feigen und ich auch. Es ist eine recht winterharte Sorte, mal schauen. Ich hoffe, er hält durch. Schön wäre es.
Wann haben Sie ihn gepflanzt?
Erst vor vier Wochen. Ein ganz frisches Projekt. Ich kann dann in einem Jahr berichten, ob das Bäumchen den Winter überstanden hat.
Trägt er denn schon?
Also, es hängen exakt sieben Feigen dran.
Die Sieben gilt doch als Glückszahl. Das kann nur gut gehen. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Koschak.
Michaela Koschak ist Wetter- und Klimaexpertin sowie Buchautorin und kennt sich mit der Atmosphäre bestens aus. Zuletzt erschien ihr Ratgeber "Klimaschutz im Alltag: Kleine Taten – große Wirkung" (2020).
- Telefoninterview vom 9. Juni 2020