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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Gartenbau-Experte "Das Wässern in der Frühe ist besser als am Abend"
Der Rasen gilt als der große Verlierer in der Klimakrise: Hitze, Trockenheit und Wassermangel setzen ihm zu. Wird er deshalb zum Auslaufmodell? Keineswegs, sagt Gartenbauwissenschaftler Jürgen Bouillon – und weiß auch, warum.
Die Sommer 2018 und 2019 waren extrem heiß und trocken. Und auch in diesem Jahr kann es noch rekordverdächtig werden. Das verheißt für unsere Gärten nichts Gutes. Vor allem den Rasen wird es treffen. Der Deutschen liebste grüne Auslegware.
Die gute Nachricht: Bereits mit kleinen Umstellungen könne man Rasen auf den Klimawandel vorbereiten, sagt Jürgen Bouillon. Der Wissenschaftler an der Hochschule Osnabrück ist Experte für Landschaftsarchitektur mit dem Fachgebiet Gehölzverwendung und Vegetationstechnik. Im Interview mit t-online.de verrät er, wie man den grünen Teppich fit für die Zukunft macht.
t-online.de: Hand aufs Gärtnerherz, Herr Bouillon. Ist Rasen im eigenen Garten noch zeitgemäß?
Jürgen Bouillon: Der Rasen ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil der Gestaltung von Gärten. Das einheitliche Grün wirkt beruhigend, einladend. Wir können darauf grillen, liegen, uns unterhalten und die Kinder können darauf spielen. In Zeiten des Klimawandels ist es eher eine Frage, aus welchen verschiedenen Grasarten dieser Rasen besteht und wie perfekt er aussehen muss.
Rasen ist also nicht gleich Rasen.
Richtig. Ein Rasen, so einheitlich er für uns auch aussehen mag, ist eine Pflanzengemeinschaft aus verschiedenen Arten von Gräsern. Jede dieser Arten erfüllt bestimmte Funktionen wie Scherfestigkeit, Feintriebigkeit, Blattfarbe, Schattenverträglichkeit und so weiter. Für jede Situation gibt es eigene Rasenmischungen. Und einige vertragen Trockenheit besser.
Welcher Rasensamen ist gerade bei lang anhaltender Trockenheit empfehlenswert?
Für trockene Lagen empfehlen sich Mischungen mit einem hohen Anteil an Rohr-Schwingel (auf dem sogenannten "grünen Etikett" der Verpackung steht der lateinische Name Festuca arundinacea, d. A.) und Rot-Schwingel (Festuca rubra) ...
... zwei besonders ausdauernde Süßgräser, die geringe Ansprüche an Boden und Klima stellen.
Für wenig beanspruchte Rasenflächen gibt es im Handel eine sogenannte Regel-Saatgut-Mischung mit dem Rasentyp 2.2.1 und für stärker beanspruchte Flächen die Mischung mit dem Typ 2.2.2. Das sind spezielle Mischungen für Gebrauchsrasen in Trocken- beziehungsweise extremen Trockenlagen.
Welche besonderen Eigenschaften haben diese beiden Rasenmischungen?
Als trockenheitsverträgliche Gräser sind sie meist Langsam-Entwickler, die auch hohe Temperaturen zum Keimen brauchen. Diese Mischungen sind daher nicht zum Reparieren von Kahlstellen geeignet. Ein Trockenrasen sollte also auf größeren Flächen neu angelegt werden. Die beliebte Mischung "Berliner Tiergarten" ist jedenfalls dafür völlig ungeeignet.
Ist es besser, Rasen bei langanhaltender Trockenheit seltener oder öfter zu mähen?
Rasen wächst, wenn es feucht ist und genügend Nährstoffe vorhanden sind. Bei Trockenheit wächst er kaum. Und wenn wir ihn dann auch noch abmähen, schwächen wir ihn. Es macht daher Sinn, im Hochsommer ein paar Mal mit der Mahd auszusetzen.
Sollte Rasen dafür dann öfter gegossen werden?
Die Wasserzufuhr ist abhängig vom Boden, von der ausgesäten Rasenmischung, der Temperatur, der Besonnung und so weiter. Auf sandigen Böden kann etwas weniger Wasser gegeben werden, das heißt circa zehn Liter pro Quadratmeter, auf lehmigen Böden mehr, circa 15 bis 20 Liter pro Quadratmeter. Wichtig ist, dass der Boden etwa 15 Zentimeter tief durchfeuchtet ist.
Morgens oder abends wässern? Mit dem Rasensprenger oder mit der Hand?
Da die Pflanzen tagsüber Wasser brauchen, ist das Wässern in der Frühe besser als am Abend. Das lässt sich bei großen Flächen natürlich einfacher mit dem Sprenger und einer Zeitschaltuhr bewerkstelligen.
Und was passiert, wenn Rasen eine Weile ohne Wasser auskommen muss?
Wenn man mal eine längere Zeit das Bewässern vergisst oder im Urlaub ist, geht der Rasen übrigens nicht kaputt. Es trocknen lediglich die oberirdischen Teile ein. Sobald es wieder feuchter wird, erholt sich der Rasen, wird aber dann ein wenig lückiger. Und das hat auch etwas für sich.
Man hört in Zeiten des Klimawandels oft: weniger Intensivrasen, mehr Extensivrasen. Was heißt das eigentlich?
Einen Intensivrasen bei Trockenheit und Hitze in einem guten Zustand zu halten ist unglaublich aufwändig. Das verbraucht viele Ressourcen: Wasser, Dünger, Zeit. Wenn ein oder mehrere dieser Ressourcen knapp werden, macht es Sinn, über Alternativen nachzudenken. Und da ist ein Extensivrasen genau das Richtige.
Warum?
Je nach Standort gesellen sich zu den Rasengräsern dann Kräuter, die wir dann nicht mehr als Unkräuter betrachten. Die Fläche bleibt weiterhin grün, aber eben nicht mehr so perfekt. Im Gegensatz zu den Gräsern blühen diese Kräuter und das freut eine Vielzahl von Insekten, vor allem Wildbienen, denen es in unserer Agrarlandschaft eh schon schlecht geht.
Was können Hobbygärtner dagegen tun?
Der Artenreichtum an Blumen wird umso größer, je weniger häufig wir mähen. Ich empfehle daher, nur noch so viel Fläche intensiv zu mähen, wie unbedingt für unsere Freizeitaktivitäten gebraucht wird.
Alles andere darf sich zu Blumenwiesen entwickeln, die dann nur noch zweimal oder dreimal im Jahr gemäht werden. Dort entwickelt sich ein Eldorado für Bienen und Schmetterlinge.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bouillon.
- Eigene Recherche