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Fehlgeburt: Die quälende Frage nach dem "Warum"


Fehlgeburt
Die quälende Frage nach dem "Warum"

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 16.12.2015Lesedauer: 6 Min.
Mit dem Verlust durch eine Fehlgeburt umzugehen, ist sowohl für die Mutter wie auch für den Vater meist sehr schwierig.Vergrößern des Bildes
Mit dem Verlust durch eine Fehlgeburt umzugehen, ist sowohl für die Mutter wie auch für den Vater meist sehr schwierig. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Wie viele Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt enden, kann niemand genau sagen. Das liegt vor allem daran, dass ein Großteil der Fehlgeburten so früh stattfindet, dass die Frau sie als verspätete und besonders starke Menstruationsblutung deutet. Doch bei erkannten Schwangerschaften sind es rund 20 Prozent, also jede fünfte.

Verliert eine Frau ein Kind bis zur 24. Schwangerschaftswoche und wiegt das Baby weniger als 500 Gramm, dann spricht man von einer Fehlgeburt. Dabei ist es nicht relevant, ob die tote Frucht vom Körper selbst abgestoßen wurde oder herausgeholt werden muss. Bis zur 16. Schwangerschaftswoche handelt es sich um einen Frühabort, bis zur 24. Schwangerschaftswoche um einen Spätabort, danach wird von einer Früh- beziehungsweise Totgeburt gesprochen. Doch hinter diesen Fakten stehen sehr viele Gefühle.

Cornelia: "Keiner hat meine Trauer verstanden"

Cornelia erfuhr bei einem ganz normalen Vorsorgetermin, auf den sie sich sehr gefreut hatte, dass das Herz ihres Babys aufgehört hatte zu schlagen. "Ich bin aus allen Wolken gefallen. Das Schlimmste daran war, dass keiner meine Trauer verstanden hat. Auch wenn ich erst in der zehnten Woche schwanger war - ich war schwanger und was ich in mir getragen und verloren habe, war unser geliebtes Kind."

Die 37-Jährige klingt fast ein wenig wütend - aber vor allem enttäuscht und unendlich traurig. Lange hatte sie sich dieses Kind gewünscht, das sie dann so schnell wieder hergeben musste.

Fehlgeburt: Die quälende Frage nach dem "Warum"

Schuld an Fehlgeburten sind häufig Chromosomenveränderungen. Doch auch Infektionen, eine Rhesus-Unverträglichkeit, Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen, eine starke psychische Belastung oder ein Sturz der Mutter können eine Fehlgeburt auslösen. Sehr häufig sind auch Verwachsungen oder eine Schwäche des Gebärmutterhalses der Grund. Drogen, Alkohol, Medikamente, Zigaretten und selbst Kaffee stehen ebenfalls unter Verdacht.

Neben dem Alter, das auch eine Rolle spielen kann, können leider auch die beiden Untersuchungen, die in der Schwangerschaft der Entdeckung von genetischen Erkrankungen dienen, nämlich die Fruchtwasseruntersuchung und die Chorionzottenbiopsie, eine Fehlgeburt verursachen. Was letztlich wirklich zum Abort geführt hat, ist im Nachhinein oft nur schwer zu beantworten.

Manchmal kann man das Schlimmste vermeiden

Selbst schwache vaginale Blutungen können bereits ein Hinweis auf eine drohende Fehlgeburt sein. Ebenso starke Schmerzen im unteren Rücken und krampfartige Schmerzen im Bauch sowie ein frühzeitiger Verlust von Fruchtwasser. Manchmal gibt es außer einer Vorahnung der Mutter keinerlei äußere Anzeichen. Jede Schwangere sollte also bei dem leisesten Verdacht einen Arzt aufsuchen, selbst wenn es sich nur um ein ungutes Gefühl handelt. Denn es ist durchaus möglich, einen drohenden Abort noch zu verhindern. Zum Beispiel durch Bettruhe und wehenhemmende sowie beruhigende Medikamente oder eine Cerclage, mit der der Muttermund fest verschlossen wird.

Trauer braucht Verständnis

"Ich war gerade in der siebten Woche schwanger, als ich beim Toilettengang eine leichte Blutung bemerkte," erzählt Mona. "Und auch, wenn ich wusste, dass Blutungen in der Frühschwangerschaft nichts Außergewöhnliches sind, geriet ich in Panik. In diesem Moment wurde mir erst bewusst, wie sehr ich dieses kleine Wesen in mir wollte und die Angst, es zu verlieren, nahm mir fast die Luft zum Atmen. Gott sei Dank ist alles gut gegangen und Emily ist ein paar Monate später gesund zur Welt gekommen. Aber seitdem verstehe ich erst den Schmerz derjenigen Frauen, die ihr Kind durch eine Fehlgeburt verloren haben."

Auch Väter und Geschwister erleiden einen Verlust

Mit einem solchen Verlust umzugehen ist für alle schwierig. Für die Mutter, die häufig von Schuldgefühlen geplagt und von ihrer Umwelt in ihrer Trauer nicht ernst genommen wird. Für den Vater, der ebenfalls ein Kind verloren hat, oft aber versucht, rationaler damit umzugehen und damit bei seiner Partnerin auf Unverständnis stößt. Für Geschwister, die nicht nur mit ihrer eigenen, sondern auch mit der Trauer der Eltern konfrontiert werden und auch für Verwandte und Freunde, denen gerade bei einer sehr frühen Fehlgeburt das Ausmaß für die Mutter meist nicht bewusst ist.

"'Die Natur wird sich schon was dabei gedacht haben' oder 'Du warst doch noch gar nicht richtig schwanger, beim nächsten Mal klappt es bestimmt', sind Sätze, die ich sehr häufig zu hören bekommen habe", meint Cornelia. "Auch wenn ich weiß, dass sie gut gemeint waren - in diesem Moment wäre mir eine schweigende Umarmung weit lieber gewesen." Menschen, die zuhören können, die die Eltern in ihrem Kummer ernst nehmen, sind jetzt sehr wichtig.

Eine Fehlgeburt ist ein Martyrium für Frauen

Eltern entwickeln - nicht zuletzt auch durch die bildgebende Diagnostik - bereits sehr früh eine gefühlsmäßige Bindung zu ihrem Kind. Das macht den Verlust noch schwerwiegender. Bei einer Fehlgeburt beziehungsweise einem intrauterinen (Verzögerung des Wachstums eines Fetus) Kindstod bis zur 13. Schwangerschaftswoche wird meist eine Ausschabung durchgeführt, bei weiter fortgeschrittenen Schwangerschaften müssen die betroffenen Frauen mithilfe von wehenfördernden Mitteln eine Geburt erleben.

Ein Kind zur Welt zu bringen, von dem man weiß, dass es nicht lebensfähig oder gar bereits gestorben ist, ist eine grausame Prozedur, die sich oft lebenslang in die Seele brennt.

Abschied nehmen

Mediziner sind manchmal sehr sachlich und machen es den Frauen dadurch schwer, sich in ihrer Trauer ernstgenommen zu fühlen. Aber in den meisten Kliniken wird den Eltern inzwischen die Möglichkeit gegeben, angemessen Abschied von ihrem Kind zu nehmen. Bei einer späten Fehlgeburt oder einer Totgeburt darf man das Kind noch sehen und halten, man darf es fotografieren und einen Hand- oder Fußabdruck machen.

Eine Gesetzesänderung hat es 2013 möglich gemacht, dass auch tot geborene Babys mit einem Gewicht unter 500 Gramm einen Namen bekommen dürfen. Die sogenannten Sternenkinder können beim Standesamt registriert und anschließend richtig bestattet werden.

Das erleichtert der Familie den Abschied und ermöglicht es den Eltern und Geschwistern, dem verlorenen Kind einen festen Platz zu geben. Das kann gerade an Tagen wie dem ursprünglichen Entbindungstermin oder Jahrestagen sehr hilfreich sein. Wenn eine Ausschabung stattgefunden hat, ist es oft nicht mehr möglich, den Embryo noch zu sehen.

Ein Symbol wie zum Beispiel ein bestimmter Anhänger für eine Kette, kann dann helfen, die Trauer für sich selbst "greifbarer" zu machen. Wenn Eltern sich allerdings dafür entscheiden, alles möglichst schnell hinter sich zu bringen und auch nicht darüber reden wollen, dann sollte man das ebenfalls respektieren, schließlich geht jeder Mensch mit einer so persönlichen Situation anders um.

Fehlgeburt löst Schuldgefühle aus

Frauen fühlen sich oft schuldig am Tod ihres Babys und fragen sich, ob sie ihn hätten verhindern können. Besonders schlimm wird es dann, wenn dieses Baby ein langersehntes Wunschkind war oder wenn es bereits vermehrt zu Fehlgeburten kam. Aber auch Frauen, die anfangs gar nicht so begeistert waren über die Schwangerschaft, diese dann aber für sich akzeptierten, machen sich oft schwere Vorwürfe, wenn das Kind abgeht.

Es gibt aber durchaus persönliche Situationen, in denen man erleichtert sein kann, dass man das Kind verloren hat. "Ich habe bereits drei Kinder", so Christina, die in der 18. Woche ihr viertes Kind tot gebären musste. "Ich hätte dieses Baby, das ein 'Unfall' war, angenommen und geliebt, kein Zweifel, aber ich bin fast so etwas wie froh, dass es uns wieder verlassen hat. Auch weil ich weiß, dass mein Mann kein weiteres Kind wollte. Doch das traue ich mich kaum, laut zu sagen. Man fühlt sich doch gleich schuldig!"

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Hilfe von außen

Nach einer Fehlgeburt steht jeder Frau die Hilfe einer Hebamme zu. Sie überwacht nicht nur die Rückbildung des Körpers, sondern begleitet die Eltern auch in ihrer Trauer. Manche Hebammen haben sich sogar direkt darauf spezialisiert. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann helfen. Wenn die Frauen langfristig depressiv reagieren, dann sollte eine psychotherapeutische Behandlung in Betracht gezogen werden.

Arbeitsrechtlich gesehen ist eine Fehlgeburt kein Grund für ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Wenn sich eine Frau allerdings - auch seelisch - nicht in der Lage sieht zu arbeiten, so hat sie das Recht, sich von ihrem Arzt krankschreiben zu lassen.

Einer erneuten Schwangerschaft steht meist nichts im Wege

Es wird empfohlen, dem Körper etwa drei Monate Zeit zu lassen, bevor man an eine erneute Schwangerschaft denkt. Viele Frauen möchten das aber nicht und hoffen darauf, so schnell wie möglich wieder schwanger zu werden, um mit dem Verlust besser umgehen zu können. Auch wenn Frauen, die bereits ein Kind verloren haben, ein erhöhtes Abortrisiko haben, so steht doch einer erneuten Schwangerschaft in der Regel nichts im Weg. Vor allem dann nicht, wenn man die Gründe finden und ausräumen konnte.

Die meisten Frauen werden nach einer Fehlgeburt schnell wieder schwanger und erleben dann eine komplikationslose Schwangerschaft und Geburt. Cornelia kann das nur bestätigen: "Ich bin jetzt im achten Monat schwanger und alles läuft ganz wunderbar. Aber mein kleines Schmetterlingskind wird immer seinen Platz in meinem Herzen haben!"

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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