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Schlafforscher über Corona-Folgen: Weshalb Sie in der Pandemie schlechter schlafen


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Schlafforscher über Corona-Folgen
Weshalb Sie in der Pandemie schlechter schlafen

  • Melanie Rannow
InterviewVon Melanie Rannow

Aktualisiert am 17.03.2021Lesedauer: 6 Min.
Schlafprobleme nehmen zu: Die Corona-Pandemie sorgt bei vielen Menschen für einen unruhigeren Schlaf.Vergrößern des Bildes
Schlafprobleme nehmen zu: Die Corona-Pandemie sorgt bei vielen Menschen für einen unruhigeren Schlaf. (Quelle: Ute Grabowsky/photothek.net/imago-images-bilder)

Manche schlafen besser, andere schlechter: Die Corona-Krise wirkt sich auf viele Bereiche des Lebens aus. Im Interview erklärt der Schlafforscher Dr. Weeß, wer aktuell profitiert – und wer nicht.

Aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Menschen besonders belastet – und das verändert auch unseren Schlaf, sagt der Diplom-Psychologe und Schlafmediziner Dr. Hans-Günter Weeß. Er beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren klinisch und wissenschaftlich mit dem Schlaf und seinen Störungen.

Im t-online-Interview erklärt Weeß, welche Personen Corona um den Schlaf bringt, wer aktuell viel ausgeschlafener und erholter ist und warum die Nacht nach der Corona-Impfung so wichtig ist. Zudem gibt er Tipps, was gegen unruhige Nächte und Albträume helfen kann.

t-online: Wir befinden uns nun seit fast einem Jahr im Corona-Lockdown. Viele Menschen klagen seither über Schlafstörungen und Einschlafprobleme. Warum ist das so?

Hans-Günter Weeß: Diese Pandemie ist für uns alle eine ganz neue Situation – und sie verunsichert stark. Das erzeugt Stress – und Stress ist Anspannung. Und Anspannung ist der Feind des Schlafes. Das heißt konkret: Viele Menschen haben jetzt Sorgen, Ängste und Nöte – finanzieller oder auch gesundheitlicher Art. Wir sind was Sozialkontakte betrifft sehr runtergefahren und in dieser Isolation fällt es schwer, gelassen und entspannt zu bleiben. Manche entwickeln sogar psychische Störungen und Depressionen – da sehen wir eine Häufung.

Auch traumatische Ereignisse können Schlafstörungen hervorrufen. Sind die um sich greifenden Schlafprobleme ein Zeichen, dass wir gerade eine traumatische Zeit durchleben?

Traumatisch im psychologischen klinischen Sinne, also dass man ein Trauma erlebt – so weit würde ich hier nicht gehen. Diese Dimension nimmt es wahrscheinlich nicht an, aber es bleibt trotzdem eine sehr belastende Situation. Es ergeben sich so viele Probleme, für die wir auch keine Lösungen haben, weil wir uns zum ersten Mal in so einer Isolation befinden.

Und wenn wir abends das Gedankenkarussell nicht stoppen können und die großen und kleinen Sorgen mit ins Bett nehmen, dann sind wir angespannt. Das führt dann zu Schlafstörungen.

(Quelle: privat)


Dr. Hans-Günter Weeß

ist Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums des Pfalzklinikums und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). In seinem Buch "Schlaf bewirkt Wunder" gibt der Experte Tipps für ruhige Nächte.

Gibt es bereits Studien, die einen Zusammenhang zwischen Schlafproblemen und Corona nachweisen?

Ja, die gibt es. Die verschiedenen Studien haben ergeben, dass Schlafstörungen in der Corona-Pandemie zwischen zehn und 60 Prozent zunehmen.

Warum diese weite Spanne?

Diese Range ist tatsächlich groß. Das liegt daran, dass die Studien schnell und mit unterschiedlichen Stichproben durchgeführt wurden. Aber grundsätzlich wird deutlich: Schlafstörungen sind gerade viel häufiger als das sonst der Fall ist. Das zeigt sich auch in meiner täglichen Praxis. Ich erlebe, dass viel mehr Menschen über einen schlechten Schlaf klagen.

Welche Personen sind denn besonders von Schlafstörungen betroffen?

Das sind diejenigen, die jetzt besondere Belastungen und Sorgen haben. Natürlich sind es vor allem die Alleinstehenden. Es ist der Student, der in seinem Ein-Zimmer-Apartment sozial isoliert sitzt, bei dem es keine Vorlesungen und Lerngruppen mehr gibt und alles digital stattfindet. Und es ist eben auch der ältere Mensch, der allein lebt, der aktuell keinen Kontakt zu seinen Angehörigen haben kann. Zum Schutz seiner Gesundheit – aber weniger zum Schutz seines psychischen Wohlbefindens.

Und es sind auch die Menschen, die mehr gestresst sind – zum Beispiel durch Homeoffice und Homeschooling gleichzeitig. Auch Partnerschaftsprobleme können vermehrt auftreten und Gründe für Schlafstörungen sein.

Gibt es auch Menschen, die von der aktuellen Situation profitieren und viel besser schlafen?

Ja, es gibt auch Gewinner, was den Schlaf angeht. Das sind diejenigen, die sicher und geborgen in ihrem Homeoffice sitzen, die keine gesundheitlichen Sorgen haben, die gut versorgt sind. Sie haben den Vorteil, dass der Weg vom Bett über das Bad, zur Küche und zum Arbeitsplatz viel kürzer geworden ist, sodass sie morgens länger schlafen können. Diese Gruppe ist momentan viel ausgeschlafener. Das belegen auch Daten von den Energieversorgern: Der morgendliche Verbrauch bei Strom und Wasser setzt fast eine Stunde später ein.

Welche gesundheitlichen Folgen können bei Schlafmangel drohen?

Kurzfristig – im Bereich weniger Tage – können wir Schlafmangel aushalten. Das liegt in unseren Genen begründet. Es gab schon in der Steinzeit immer wieder Phasen, in denen die Menschen nicht gut schlafen konnten – wegen Umweltkatastrophen, weil sie flüchten mussten oder Ähnliches.

Und langfristig?

Langfristige Schlafstörungen, welche über Monate oder Jahre andauern, können ernsthaft schaden. Sie gehen mit einem erhöhten Risiko für Stoffwechselerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Bluthochdruck einher. Auch das Risiko für psychische Störungen, Depressionen und Angststörungen steigt.

Besonders in Pandemiezeiten ist der Gesundheitsschutz ja wichtig...

Ja, und was wir in dieser Situation nicht vernachlässigen dürfen: Schlaf ist auch wichtig für unser Immunsystem. Wenn wir nicht ausreichend schlafen, wird es geschwächt – und das ist in Pandemiezeiten alles andere als von Vorteil.

Sind unausgeschlafene Menschen also auch anfälliger für Corona-Infektionen?

Ganz genau. Eine Studie hat gezeigt: Wenn jemand über elf Tage hinweg täglich statt acht nur fünf Stunden Schlaf hatte, dann ist sein Infektionsrisiko zum Beispiel bei Erkältungen um das Dreifache angestiegen. Das lässt sich vermutlich auch auf Corona übertragen.

Nun erhalten zum Glück immer mehr Menschen eine Impfung gegen Covid-19.

Auch nach Impfungen ist Schlaf sehr wichtig. Das wissen wir zum Beispiel von der Grippeschutzimpfung und das lässt sich auch für die Corona-Impfung annehmen. Jeder sollte in der Nacht nach seiner Impfung sehr darauf achten, dass er ausreichend schläft. So wird die Impfwirkung gefördert.

Was kann gegen Einschlafprobleme helfen?

Es gibt tausend Wege. Da muss jeder einzelne schauen, was zu seiner Lebenssituation, zu seinem Typ und der Art seiner individuellen Schlafproblematik passt. Grundsätzlich gilt immer: Wir können nur dann schlafen, wenn wir entspannt sind. Dazu müssen wir die großen und kleinen Sorgen vor der Schlafzimmertür lassen.

Das gelingt in solchen Krisenzeiten nicht immer.

Richtig. Es ist daher wichtig, den Tag bewusst abzuschließen. Man kann zum Beispiel eine Liste machen: Was war gut heute? Was war schlecht heute? Was muss ich morgen erledigen? Es hilft ungemein, das, was einen belastet, aufzuschreiben. Danach sollte man sich nur noch angenehmen Dingen zuwenden. Am besten ist es, sich an positive Erlebnisse zu erinnern – das sorgt für gute Gefühle.

Wie klappt das am besten?

Mit Kinderkassetten. Die empfehle ich beim Zubettgehen oder auch in der Einschlafsituation. Zum einen binden sie die Aufmerksamkeit und man kommt nicht auf "dumme Gedanken", wie zum Beispiel Grübeleien. Zum anderen assoziieren wir damit oft die guten Gefühle aus der Kindheit wie Sicherheit und Geborgenheit. Die wiederum führen zu Entspannung. Das ist die Autobahn in den Schlaf.

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Welche drei Tipps haben Sie außerdem für einen gesunden Schlaf?

Erstens: eine Stunde vor dem Schlafen nicht mehr dem blauen Licht aussetzen. Das heißt: Computer aus, Handy zur Seite legen. Auch die Medienhygiene ist wichtig.

Zweitens: vor dem Schlafen keinen Sport mehr treiben. Die Faustregel lautet: zwei bis drei Stunden vorher nicht mehr körperlich anstrengen.

Und drittens: auch keine schweren Mahlzeiten mehr zu sich nehmen. Was Alkohol betrifft, besser nicht trinken – aber wenn, dann nur ganz wenig.

Gut einschlafen heißt aber nicht immer gut träumen. In den sozialen Medien kursiert der Hashtag #coronadreams. Nutzer berichten dort, dass sie seit Pandemiebeginn intensiver und mehr träumen. Ist da etwas dran?

Es gibt erste Untersuchungen, die das bestätigen. Intensive Träume nehmen zu. Und das liegt auch auf der Hand: Im Traum verarbeiten wir das, was wir am Tag erleben. Momentan erleben viele Menschen Belastendes und die Träume sind öfter negativ eingefärbt.

Was kann ich tun, wenn ich immer wieder Albträume habe?

Auch hier gilt: rechtzeitig vor dem Schlafen für Entspannung sorgen. Dazu gehört übrigens auch, dass man sich abends nicht von einer Pandemie-Sendung zur nächsten Pandemie-Talkshow im Fernsehen durchzappt. Das wühlt einen einfach auf. Man sollte sich lieber einmal gezielt informieren und es dann gut sein lassen.

Und wenn mehr Entspannung und Gelassenheit am Abend nicht helfen?

Dann sollten Betroffene ihre Albträume am Tag noch mal bearbeiten. Für fünf bis zehn Minuten noch mal sehr intensiv an diesen Traum und die Gefühle dazu erinnern. Wenn man das jeden Tag ein bis zwei Mal macht, dann verschwindet dieser Albtraum in der Regel im Verlauf von ein bis zwei Wochen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Weeß!

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit Dr. Hans-Günter Weeß
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