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Kann man allergisch auf Menschen sein?


Intraspeziesallergie
Allergisch auf einen anderen Menschen?

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 23.03.2019Lesedauer: 4 Min.
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Dass bei Allergien immer auch die seelische Verfassung eine gewisse Rolle spielt, weiß man. Die Psyche wirkt aufs Immunsystem – positiv oder negativ. (Quelle: AntonioGuillem/Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Man ist frisch verliebt, die Welt ist rosa und endlich kommt es zum ersten Kuss. Doch statt auf Wolke sieben davonzuschweben, reagiert man mit Hautausschlag, Atemnot oder Niesattacken. Wissenschaftler halten es für möglich, dass ein Mensch auf einen anderen tatsächlich allergisch reagieren kann – doch häufig steckt etwas ganz anderes dahinter.

Das Allergen ist wie die Nadel im Heuhaufen

"Auf den bin ich echt allergisch" – das ist leicht dahingesagt. Doch solche Redensarten haben einen wahren Kern. Nicht umsonst kommt einem vor Ärger die Galle hoch oder schlägt einem etwas auf den Magen. "Eine Allergie zwischen Menschen ist zwar ein ganz seltenes Phänomen, aber das scheint es zu geben", sagt Professor Johannes Ring vom Haut- und Laserzentrum in München.

Dass Tiere auf Menschen allergisch reagieren können, ist da eigentlich schon der erste Hinweis. "Ich hatte schon Patienten, die auf nur eine einzige Person allergisch waren, zum Beispiel ein mehrfacher Vater auf eines seiner Kinder. Und wir haben wie Sherlock Holmes monatelang alles untersucht, Haare, Schuppen – es aber noch nicht greifen können, dieses Phänomen. Ich halte es durchaus für möglich, dass Menschen auf Menschen allergisch sein können, aber bewiesen hat das bisher noch niemand." Der Spezialist für Allergologie erklärt, was dazu nötig wäre: "Jeder Mensch hat sozusagen eine persönliche immunologische Visitenkarte. Könnte man IgE-Antikörper finden, die auf eine Eigenschaft dieses Individuums reagieren, dann könnte man nachweisen, dass es wirklich möglich ist, dass Menschen gegen Menschen allergisch sind."

Die Suche nach dem versteckten Allergen

"In den meisten Fällen ist es aber so, dass die Leute nur glauben, sie seien allergisch auf ihren Partner oder ihren Chef. Und in Wahrheit sind sie allergisch auf etwas, das der andere an sich trägt." Das können Kosmetika genauso sein wie Allergene, die von anderen Orten mitgebracht werden. So wie im Fall einer Bäckersfrau, die, wenn ihr Mann heimkam, bereits beim Begrüßungsküsschen Atemnot bekam – sie hatte im Lauf der Zeit eine Allergie auf Mehl entwickelt. Auch der Fürther Allergologe Dr. Karl Gall hatte es schon mit solchen Fällen zu tun. "Es kommt vor, dass zum Beispiel eine Frau überzeugt davon ist, gegen einen neuen Partner allergisch zu sein, weil sie jedes Mal niesen muss, wenn sie ihm zu nah kommt und dabei sind es nur die Katzenhaare, die er an seiner Kleidung tragend in ihre Nähe bringt."

Neue Methode der Hypersensibilisierung

Häufiger aber ist eine weitere Form der Allergie, die Paare betrifft: Juckreiz oder andere allergische Reaktionen nach dem Geschlechtsverkehr. Der Grund dafür kann eine Latexallergie bei der Verwendung von Kondomen oder Sexspielzeug sein oder auch eine Allergie auf Bestandteile von Intimsprays, Gleitcremes und ähnlichem. Auch Hausstaubmilben und Schimmelpilzsporen kommen in Betracht. "Aber", so Johannes Ring, "es ist durchaus möglich, dass eine Frau tatsächlich allergisch auf das Sperma ihres Sexualpartners reagiert. Sie ist dann, das haben wir herausgefunden, auf ein ganz bestimmtes Eiweiß, das in der Prostata gebildet wird und dem Ejakulat beigemischt ist – das prostataspezifische Antigen – allergisch und nicht auf die Samenzellen."

Da diese aber nicht auf ihrem natürlichen Weg an ihren angestammten Platz gebracht werden können, bleibt solchen Paaren nur die äußerst vorsichtige Benutzung eines Kondoms und bei Kinderwunsch eine In-Vitro-Fertilisation. "Das ist sehr belastend für diese Paare. Aber es besteht die Möglichkeit einer Hypersensibilisierung. Dabei wurde bisher Sperma stark verdünnt intravaginal verabreicht und die Dosis dann gesteigert. Aber jetzt ist es uns gelungen, das gereinigte PSA über eine Spritze unter die Haut zu verabreichen und damit Symptomfreiheit zu erzielen. Bisher allerdings nur auf wissenschaftlicher Basis, das ist noch keine Routine."

Sperma: Kann Spuren von Nüssen enthalten

In der Regel geht man davon aus, dass ein Allergen zunächst erst einmal mit dem Körper in Kontakt kommen muss, bevor es eine Allergie auslöst. "Das trifft aber nicht auf alle Fälle zu. Die betroffenen Frauen leiden häufig bereits unter starker Neurodermitis oder Nahrungsmittelallergien. Und dann kann es zu einer Kreuzallergie kommen und die Reaktion bereits beim ersten Kontakt mit dem Sperma auftreten."

Aber es gibt noch einen anderen Grund für allergische Reaktionen beim Sex, dem man ebenfalls nur schwer auf die Schliche kommt und von dem bisher, so Gall, nur wenige Fälle belegt sind. "Schuld daran sind dann zum Beispiel Spuren von Nahrungsmitteln oder Medikamenten, die sich auch im Sperma befinden können. Paranüsse oder Erdnüsse zum Beispiel kann man noch Stunden später nachweisen."

Tödliche Küsse

Das betrifft übrigens auch das Küssen. Denn selbst viele Stunden später, wenn die Nahrung längst verdaut ist, lassen sich noch wenige Milligramm davon im Speichel nachweisen. Minimale Mengen können da durchaus maximale Wirkung haben. "Sie können", so der Fürther Allergologe, "bei einem Nahrungsmittelallergiker zu heftigen Reaktionen, im schlimmsten Fall sogar zum anaphylaktischen Schock führen." Zähneputzen und Mundspülen hilft nur bedingt, Warten immer. Allerdings kann es bis zu 24 Stunden dauern, bis die Bestandteile sich verflüchtigt haben.
Auch, wenn man meinen könnte, dass ein solches Phänomen nur wenige Paare betrifft: Im Rahmen einer amerikanischen Studie gab immerhin jeder 20. Teilnehmer an, schon einmal allergisch auf einen Kuss reagiert zu haben.

Rotten die Allergien uns aus?

Da die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davon ausgeht, dass sich die Zahl der Allergiker weltweit weiter steigern wird, stellt sich die Frage, ob es auch aus Allergiegründen immer schwieriger werden wird, sich fortzupflanzen. Eine Sorge, die Professor Ring nicht teilt: "Wir machen enorme Fortschritte im molekularen Bereich", erklärt er, "und sind in der Lage, immer mehr die reine Struktur der Allergene zu erkennen. Was uns auch ermöglicht, Kreuzreaktionsprobleme bei Allergien zu lösen und damit den Betroffenen zu helfen."

Ärger über den anderen kann die Allergie verstärken

Dass bei Allergien immer auch die seelische Verfassung eine gewisse Rolle spielt, weiß man. Die Psyche wirkt aufs Immunsystem – positiv oder negativ. Zeigt man jemandem, der auf eine bestimmte Blume allergisch ist, ein Bild dieser Pflanze, dann kann es durchaus vorkommen, dass allein beim Anblick Beschwerden auftreten. Eine bereits bestehende allergische Reaktion kann also durch die Psyche ausgelöst oder verstärkt werden. Was das für eine betroffene Beziehung bedeutet, wenn diese gerade nicht besonders rund läuft, ist naheliegend.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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